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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 122)

gend wegen des 1798 und 1804 durch Wege 
erschlossenen Wasserfalls gerne aufgesucht. 
Eine Stunde Wegs, nordwestlich des Ortes, liegt 
das Naturschauspiel, dessen Wasser vom Ho- 
hen Göll herabstürzenf. Der Dichter der 
Goethe-Zeit, August Graf von Platen aus Ans- 
bach (1796-1835), gibt auf seiner Reise über 
Salzburg nach Triest und Venedig in seinen 
Tagebüchern 1824 zwar Hallein vor Golling we- 
gen des Reizes der landschaftlichen Lage den 
Vorzug, beobachtet hier aber den vorherrschen- 
den Nadelbaumbestand und betrachtet, eine 
tiefe Parallele zum Lebensalter der Menschen 
ziehend, Wasserfall und Flußi In der Zeit des 
Biedermeiers pflegten in Golling ob dieser Na- 
turschönheit die Kur- und Feriengäste von Ga- 
stein Station zu machen. Der Münchner Maler 
Carl Spitzweg (1808-1885) gehörte, wie ich sehe, 
auch zu den Darstellern dieses Platzes; König 
Ludwig I. von Bayern war jährlich hier zu Gast. 
Das Eisenbahnzeitalter (1875, 1905) ließ zunächst 
infolge der Eile der Reisenden diesen Ort ein- 
samer werden s. Seit den 1920er Jahren wurde 
der Platz aber durch die beachtliche Initiative 
des Berliners Dr. Carl Degener (1900-1960) für 
die breitgelagerte und organisierte moderne 
Touristik als Erholungsort erschlossen. Golling 
erhebt sich mit einem Burggebäude in welliger 
Harlglage nahe der Salzach, den Felswänden 
des Hohen Göll gegenüber. 
Von Carl Spitzweg ist ein Aufenthalt in Golling 
bis ietzt nicht bekannt; er beruht ausschließlich 
auf der hier von mir getroffenen Urtlichkeitsbe- 
stimmung der jetzt verschollenen „Gebirgsdorf"- 
Zeichnung (Abb. 1). Der Künstler besuchte im 
August 1836 zwar erstmals Berchtesgaden und 
Salzburgt, doch stammt dieses nun topogra- 
phisch identifizierte Blatt nicht schon aus dieser 
Frühzeit Spitzwegs, sondern wohl aus dem Ende 
der 1840er bzw. dem Anfang der 1850er Jahre'. 
Hermann Uhde-Bernays reproduzierte die Zeich- 
nung erstmals in seinem Spitzweg-Buch 1918" 
ohne Besitzangabe, die auch heute nicht mehr zu 
ermitteln ist. 
Zahlreich sind die Gallinger Ansichten des Ortes 
mit Alpenblick nach Südeni wie ihn Ludwig 
Richter in einer Bleistiftzeichnung 1823" cha- 
rakteristisch erfaßte, nur wenige bringen da- 
gegen die für die Ortlichkeitsbestimmung der 
Spitzweg-Zeichnung geeignete Wiedergabe von 
Spltzwegs Standort bei aer Sicht von auaa: 
nach Nordosten lag im Gollinger Ortsteil Ol 
gäu an der Straße zum Paß Lueg beim H 
Nr. 70 (Englert); von dieser Stelle der ansteig 
den Straße am Ortsende zeigt sich die La 
schaft, im Baumbestand etwas verändert, he 
noch in gleicher Weise (Abb. 2). Der gröE 
Teil des Marktes mit der Hauptstraße bll 
jenseits der Anhöhe verdeckt; auf ihr s 
markant die Pfarrkirche St. Johann mit beze 
nendem Kalottenturmhelm und krönender 
terne, während im Westen des Salzachtales 
Bergrücken des Roßfelds, ein Ausläufer 
Hohen Göll, in der Ferne sich genau an dii 
Stelle herabzieht. Die Kirche mit Westturm 
ursprünglich eine gotische Anlage; der 
Turm wurde 1685, da die Fenster der Glacl 
stube zu tief lagen, um über fünf Meter erh 
1688 erfolgte eine Erweiterung der Sei 
schiffe"; 1693 ereignete sich ein Brand ". 
1890 wurde der Kirchturm anstelle der boroc 
Haube mit dem spitzen Helm versehen, 
heute einen Vergleich mit alten Darstellun 
sehr erschwert. Bei Spitzweg überragt der Ki 
turm den Dachfirst des Langhauses nicht i 
erheblich. In drei Terrassen abgestuft, bre 
sich südlich der Kirche der mehrfach erweit 
Friedhof aus, wobei das Gelände auf der F. 
seite der Kirche höher als im Norden li 
Links hinter der Kirche erscheint gerade noch 
Westteil des Schlosses, das seit 1438 Sitz 
erzbischöflichen Pflegers war. Die Giebel- 
Krüppelwalmdachhöuser am Steilhang l 
sind mit dem Schulhaus (Nr. 80), einem Stc 
und dem alten Pfarrhaus (Nr. 79) sowie t 
Haus Mitter-Huemer zu identifizieren; b 
Haus rechts am Hang unter dem Friec 
(Nr. 67) muß das Bernhubersche dargestellt s 
Daß es sich bei dem von Spitzweg skizzie 
Gebirgsdorf um Golling handelt, beweist t 
Zeichnung van Reiffenstuhl mit der Darstell 
der gleichen Boudetails der Kirche mit i 
Turmhelm, dem Podest unter dem Schallfen 
und die eingezogene Seitenschiffbedachung 
Südwesten, ebenso auch der Verlauf des Bl 
rückens des Roßfelds im Hintergrund. 
Spitzwegs Wirken im Land Salzburg war bi: 
ebenso unbekannt wie seine Tätigkeit in E 
tirol". 
Anmerkungen 1-15 
'Über Golling vgl. Usterreidiisdie Kunsttogographie, 
Bd. XX, Bezirk Hallein, Wien 1927, S. 71-84, 10, 
Abb. 75 - ferner: Josef Rabl: Gollin und seine 
Naturschönheiten, Mödling bei Wien, um 1900 (München, 
Staatsbibliothek Aust. 3819) - Josef Masser und R. 
Lauth: Führer durch Golling und Umgebung, Golling 
D. l. (um 1930, Abb. s. 9 (Lithographie Golling um 
1500) - Eduar Angermann: Golling und seine vier 
Kirchen, Salzburg 1966. 
Für freundliche Sctlrifttumshinweise und Fotobeschaffung 
wird Frau Dr. Pradinger und Herrn Dr. Albin Rohr- 
moser vom Salzburger Museum curdlind Augusteum 
gedankt, für topographische Auskunft Herrn Sdiuldirek- 
tOr Josef Masser, Golling, für Emigrantenschrifttums- 
hi eis Herrn Pfarrer Georg Kuhr, Nürnberg, Landes- 
kirdllicfles Archiv. 
lLandkarle mit der 
granten durch das Reich. Kolorierler Kupferstidi aus 
dem Verlag Peter Conrad Monath, Nürnberg 1732 
[Nürnber , Germanisdies Nationalmuseum H. B. 1227, 
Kapsel iued, vgl. Ausstellungskatalag Konstanz-Linz 
195a „Kulturdokumente Usterreichs aus dem Germani- 
schen Natianalmuseum in Nürnberg", S. Z2, Nr. 178). 
Schraubmedaillen Friedrich Wilhelms von Preußen auf 
die Aufnahme der Salzburger Emigranten 1732 mit 
Einla e kolarierler Kupferstiche von Abraham Remshard 
(Nürn erg, Germanisches Nationalmusaum Med. 1470 
und Med. 1663 von Peter Werner). 
Hermann Gollub: Stammbuch der ast reußischen Salz- 
burger, Bielefeld 1955, nennt folgen e Gollinger Fa- 
miliennamen für die ostpreußisdleri Neuansiedlungs- 
 
Marschroute der Salzburger Emi- 
orte [Lasdehmem Gumbinnen, Darkehmen, ltisterl 
Skaigirren, Wassantkehmen, Roßgarten, Szlttkeh 
Künigsberg-Steind): Georg Astecker, Georg Bacher, 
dreas Berger, Rupert Elmentaler, Hans Eimer, c 
Erzberger, Hans Gassner, Georg Hagen, Andreas 
baumer, Wolf Schneller, Martin Unterholler. 
Jßleistiftzeichnung von Ferdinand Olivier 1515 (V 
Bibliothek der Akademie der bildenden Künste), 
Heinrich Schwarz: Salzburg und das Sallkamme 
Wien 1926, Taf. 10. - Ludwig Grate: Die Brüder Ol 
Berlin 1935, Abb. 109. 
'Werfen, 29. August im, vgl. Tagebücher des er 
August von Platen, Bd. T, hrsg. von G. v. Laubmann 
L. v. Sdieffler, Stuttgart 1900, S. 657, ferner: Jacqu 
und Werner Hofmann: Salzburg, Stadt und l 
München 1957, S. 236-237, S. 294. _ 
slosef Rabl, a. d. 0., S. 6 und 7 - Am 15. Juli 
wurde die Bahnstredre Salzburg-Hallein, am 6. _Ai 
1875 bis Bischafshafen und chwarzach-St. Veit. 
20. September 1905 bis Badgasteln, am 7. Juli 
bis Spittül eräffnet (Mitteilung von Herrn Frie 
Frank, Nürnberg, Verkehrsarchiv). _ 
fGünter Roennefahrt: cdrl s itxweg. Beschreibe 
Verxeidinis seiner Gemälde, lstudien und Aqua 
Mündieri 1960, S. 18. 
(Friäl. Mitteilung Prof. Dr. Siegfried Wichmanns, lt 
ru e. 
'Hermann Uhde-Bernays: Carl Spitzweg, des Me 
Leben und Werk. München 1915, Abb. S. 79. v _ 
'Kal. Umrißrudierung von Ch. F. C. Wlrslng 
Therese Barisani „Vue de Chateau _de Neuhaus 
village d'Aigen..." mit Darstellung in der Mitte
	        
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