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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 122)

A Künstlerprofile Florentina Pakosta 
 
Zu den Köpfen der Künstlerin 
Als die Archäologen in Jericho, der ältesten Stadt, 
die wir bislang kennen, nach Zeugnissen der frühen 
Geschichte gruben, fanden sie in tiefen Schichten 
einen Totenschädel, der mit einer Gipsmaske 
überzogen war, die wohl das Gesicht des VerstorA 
benen darstellen sollte. Natürlich war es idealisiert, 
denn es war ia ein Antlitz für das Jenseits, für 
die Ewigkeit. So sollte der Verstorbene „drüben" 
eingeschätzt werden. Herrscher frühgeschichtlicher 
Reiche erhielten im Grabe oftmals Goldmasken; in 
der Neuen Welt waren außer Goldmasken z. B. 
auch Jademasken oder Masken aus Türkismosaik 
gebräuchlich. lm bürgerlichen Faium wurden Holz- 
tätelchen mit Enkaustik-Porträts in die Leichenbinden 
mit eingewickelt, immer war es der Versuch, mit 
Hilfe einer „Maske" eine bestimmte Form des 
Wesens eines Menschen - sei es als „Gottkönig", 
als „Heiliger" oder als „lndividuum" - zur 
Wirkung zu bringen und zu verewigen. 
Wir selbst sind auch stets darauf bedacht, bei den 
Menschen unserer Umwelt einen bestimmten 
Eindruck zu hinterlassen: charmant, liebenswürdig, 
durchgeistigt, bedeutend, streng oder gütig zu 
wirken. Je nach dem Vorbild, dem wir nacheifern, 
oder der Lebenssituation, die wir zu meistern 
haben, wechseln wir unsere „Fassade". 
Zu allen Zeiten hat es den Maler interessiert, hinter 
diese Maske zu schauen. 
Die Köpfe, die Florentina Pakosta immer wieder 
darstellt, erscheinen wie ausgehöhlte, ihrer Funktion 
beraubte „Masken". Wie abgelöst vom Kern, 
führen sie ein Eigenleben, welches dennoch an der 
Grenze zur Leblosigkeit seinen Ort hat. Zwischen 
 
Radierung und Vernis rnou, 1970, 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
20 x 20 cm Menschlichkeit und Dämonie sind sie angesiedelt 
7 ggljwggcäml Vemli "m" 1970i wie der Golem in den engen Gassen des Prager 
s Velrnls mouänd segtgargfi, 1939, Getto- 
A 55mm i rig. 1 , x cm - 
4 Bit-her! ämune Kreide, Iaviem 1969, Es sind Masken der Angst, der Weltangst, der 
32 x 35 m, Lebensangst, der Todesangst. 
5 Bister und Kreide. 1969. Schon das Medium, mit dem sie geschaffen wurden 
3? x 25 cm . . 
6 Venus mm, und xul'nudell 1965, - Florentma Pakosta verwendet Bister -, besteht aus 
75,5 X 1G wg ängstlich düsterem Graubraun, 
7 gfryfyädä; Bme" l"V'e'l' 19m Die menschliche Figur gewinnt heute wieder an 
Interesse. 
Vor allem ist es die lnwelt, die Triebwelt, die die 
heutigen Maler beschäftigt. Aber vielfach kann 
man sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß es 
sich bei manchem um eine laute, etwas sensations- 
lüsterne Geschäftigkeit handelt, die um heutige 
Werbemethoden Bescheid weiß, welche sich der 
tietenpsychologischen Erfahrungen bedienen, den 
Geldbeutel zu füllen oder zumindest eine „Publicity" 
aufzubauen. Soziale Vorwürfe sind häufig nur 
vargetäuschter Vorwand, hinter dem der Versuch 
steht, sich selbst in den Vordergrund zu spielen. 
Von all dem ist bei Florentina Pakosta nichts zu 
merken. Auch ihre Welt ist lnnenwelt, ist 
menschliche Farm, zeigt Abgründe der menschlichen 
Persönlichkeit. Aber all dies ist nicht Anklage der 
„Gesellschaft", der „Anderen" (so daß man selbst 
zu den „Guten" zählt), ist nicht „engagierte Kunst". 
Pakastas Köpfe sind im Wesen der Welt 
eingeschlossen, zeigen die dämonische Seite des 
Menschen, die es immer schon gab und die es 
immer geben wird. Von hier aus ist der Zeitbezug 
zu sehen. Dieses Dämonische ist keiner Klasse 
zuzuordnen, nicht den Reichen und nicht den Armen. 
Auch von uns selbst kann dieser Dämon Besitz 
Flnrennnc Pakom ergreifen. Er hat nichts mit „alt" und nichts mit 
_ ,_ 7, ä 7 „modern" zu tun. 
K 
x 
 
7 l Erich Huber 
38
	        
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