A Künstlerprofile Florentina Pakosta
Zu den Köpfen der Künstlerin
Als die Archäologen in Jericho, der ältesten Stadt,
die wir bislang kennen, nach Zeugnissen der frühen
Geschichte gruben, fanden sie in tiefen Schichten
einen Totenschädel, der mit einer Gipsmaske
überzogen war, die wohl das Gesicht des VerstorA
benen darstellen sollte. Natürlich war es idealisiert,
denn es war ia ein Antlitz für das Jenseits, für
die Ewigkeit. So sollte der Verstorbene „drüben"
eingeschätzt werden. Herrscher frühgeschichtlicher
Reiche erhielten im Grabe oftmals Goldmasken; in
der Neuen Welt waren außer Goldmasken z. B.
auch Jademasken oder Masken aus Türkismosaik
gebräuchlich. lm bürgerlichen Faium wurden Holz-
tätelchen mit Enkaustik-Porträts in die Leichenbinden
mit eingewickelt, immer war es der Versuch, mit
Hilfe einer „Maske" eine bestimmte Form des
Wesens eines Menschen - sei es als „Gottkönig",
als „Heiliger" oder als „lndividuum" - zur
Wirkung zu bringen und zu verewigen.
Wir selbst sind auch stets darauf bedacht, bei den
Menschen unserer Umwelt einen bestimmten
Eindruck zu hinterlassen: charmant, liebenswürdig,
durchgeistigt, bedeutend, streng oder gütig zu
wirken. Je nach dem Vorbild, dem wir nacheifern,
oder der Lebenssituation, die wir zu meistern
haben, wechseln wir unsere „Fassade".
Zu allen Zeiten hat es den Maler interessiert, hinter
diese Maske zu schauen.
Die Köpfe, die Florentina Pakosta immer wieder
darstellt, erscheinen wie ausgehöhlte, ihrer Funktion
beraubte „Masken". Wie abgelöst vom Kern,
führen sie ein Eigenleben, welches dennoch an der
Grenze zur Leblosigkeit seinen Ort hat. Zwischen
Radierung und Vernis rnou, 1970,
20 x 20 cm Menschlichkeit und Dämonie sind sie angesiedelt
7 ggljwggcäml Vemli "m" 1970i wie der Golem in den engen Gassen des Prager
s Velrnls mouänd segtgargfi, 1939, Getto-
A 55mm i rig. 1 , x cm -
4 Bit-her! ämune Kreide, Iaviem 1969, Es sind Masken der Angst, der Weltangst, der
32 x 35 m, Lebensangst, der Todesangst.
5 Bister und Kreide. 1969. Schon das Medium, mit dem sie geschaffen wurden
3? x 25 cm . .
6 Venus mm, und xul'nudell 1965, - Florentma Pakosta verwendet Bister -, besteht aus
75,5 X 1G wg ängstlich düsterem Graubraun,
7 gfryfyädä; Bme" l"V'e'l' 19m Die menschliche Figur gewinnt heute wieder an
Interesse.
Vor allem ist es die lnwelt, die Triebwelt, die die
heutigen Maler beschäftigt. Aber vielfach kann
man sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß es
sich bei manchem um eine laute, etwas sensations-
lüsterne Geschäftigkeit handelt, die um heutige
Werbemethoden Bescheid weiß, welche sich der
tietenpsychologischen Erfahrungen bedienen, den
Geldbeutel zu füllen oder zumindest eine „Publicity"
aufzubauen. Soziale Vorwürfe sind häufig nur
vargetäuschter Vorwand, hinter dem der Versuch
steht, sich selbst in den Vordergrund zu spielen.
Von all dem ist bei Florentina Pakosta nichts zu
merken. Auch ihre Welt ist lnnenwelt, ist
menschliche Farm, zeigt Abgründe der menschlichen
Persönlichkeit. Aber all dies ist nicht Anklage der
„Gesellschaft", der „Anderen" (so daß man selbst
zu den „Guten" zählt), ist nicht „engagierte Kunst".
Pakastas Köpfe sind im Wesen der Welt
eingeschlossen, zeigen die dämonische Seite des
Menschen, die es immer schon gab und die es
immer geben wird. Von hier aus ist der Zeitbezug
zu sehen. Dieses Dämonische ist keiner Klasse
zuzuordnen, nicht den Reichen und nicht den Armen.
Auch von uns selbst kann dieser Dämon Besitz
Flnrennnc Pakom ergreifen. Er hat nichts mit „alt" und nichts mit
_ ,_ 7, ä 7 „modern" zu tun.
K
x
7 l Erich Huber
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