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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 122)

 
 
kleiner Teil davon, z. B. Exempla der Elfenbein- 
arbeiten von Angermair, Petel, Elhafen, Leoni 
u. a., war bisher in der historischen Raumfolge 
des Erdgeschosses ausgestellt gewesen. Bei der 
Neueinrichtung ging man von der Überlegung 
aus, die Konzentration aller barocken Elfenbeine 
auf eine Fachsammlung zu vermeiden. Daher 
verblieben in dem Maximilian I. (reg. 1597 bis 
1651) gewidmeten Raum neben den in der Form 
„modern" ansprechenden Drechselarbeiten des 
Kurfürsten der berühmte Münzschrein und an- 
dere Arbeiten Angermairs, Statuetten und Reliefs 
von Georg Petel und deren Zeitgenossen, ieden- 
falls Werke von höchstem Rang, desgleichen 
im folgenden Henriette-Adelaide-Raum Reliefs 
von PermoserL Die von Hans Robert Weihrauch 
disponierte Neuaufstellung in zwei Räumen des 
östlichen Obergeschosses bringt die etwa 200 
Exponate zu optimaler Wirkung, wobei die Ver- 
teilung auf einzelne Wand- und Freivitrinen eine 
lockere, die Individualität des Einzelkunstwerks 
betonende Aufstellung erlaubt (Abb. 21). In die 
Rückwände der einheitlich mit rotem Stoff aus- 
geschlagenen Wandvitrinen sind Reliefs z. T. 
mit ihren alten vergoldeten Metallrahmen bündig 
eingelassen und alternativ mit Statuetten rhyth- 
misch frei gruppiert. Die dosierte seitliche Be- 
leuchtung gibt der Elfenbeinplastik angemessen 
weiche Modellierung. Der Beleuchtung der Frei- 
vitrinen und einzelner großer Reliefs an den 
Wänden dienen Deckenscheinwerfer. Es darf 
nicht vergessen werden, daß zuvor Restaurator 
Karl Weller in langwieriger, mühevoller Arbeit 
die durch Krieg und Auslagerung entstandenen 
Schäden behoben hat. Alle Vitrinen sind in den 
Werkstätten des Museums angefertig worden. 
Die meisten Bildwerke der Sammlung stammen 
aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert, eben 
aus iener Zeit, in der nach einer langen Periode 
der Nichtbeachtung Elfenbein wegen seines war- 
men, seidig schimmernden Tones als Material 
für Skulpturen kleinen Maßstabs und für Drech- 
selarbeiten - begehrte Sarnmelobiekte fürstli- 
cher und patrizischer Kunstkammern - bevorzugt 
wurde, bis es dann im Laufe des 18. Jahrhunderts 
immer mehr gegenüber dem Porzellan zurück- 
trat. Die meisten der bedeutenden deutschen 
Elfenbeinschnitzer sind mit Werken vertreten, 
daneben eine Reihe von Niederländern. Bemer- 
kenswert ist der Anteil der aus Tirol stammen- 
den Meister; Jakob Auer, Ignaz Elhafen, Johann 
Georg Fux, Simon Troger, Joseph Teutschmann. 
Für den künstlerischen Rang der Sammlung er- 
scheint es wichtig, daß nicht die „Spezialisten in 
Elfenbein", sondern iene Bildhauer, die auch in 
Elfenbein gearbeitet haben, dominieren. Im Ge- 
samtbestand übertrifft die Zahl der Obiekte 
mit religiöser Thematik jene mit mythologischen 
Darstellungen; in der Neuaufstellung haben 
letztere ein größeres Gewicht. Für das Verständ- 
nis der Eigenart der Münchner Sammlung ist 
ihr historisches Wachstum aufschlußreich. Einen 
Grundstock bildet die kurbayerische Sammlung, 
u. a. mit den Arbeiten Christoph Angermairs 
aus der Kunstkammer von Kurfürst Maximilian l., 
dann den Gruppen von Simon Troger. Aber erst 
durch die berühmte, 1802 aus Mannheim nach 
München verbrachte Düsseldorfer Elfenbein- 
sammlung des Kurfürsten Johann Wilhelm (reg. 
1690-1716), in die auch Neuburger Kunstkam- 
merbestände überführt worden waren, mit Wer- 
ken von Georg Petel, Ignaz Elhafen, Antonio 
skulpturen, darunter die „bchlatende Scha 
von Joh. Christoph Ludwig von Lücke (Abl: 
Der Hauptbestand dieser Münchner Elfer 
sammlung wurde 1866 dem Bayerischen 
tionalmuseum überwiesen; eine kleinere A 
freilich sehr bedeutsamer Stücke verwahr 
Schatzkammer der Münchner Residenz. 
Die Elfenbeinskulpturen des Bayerischen 
tionalmuseums und des Residenzmuseum: 
Rudolf Berliner in einem 1926 erschienene 
talog wissenschaftlich bearbeiteti, eine bi 
derungswürdige Leistung, beispielhaft ir 
Akribie, mit der die Herkunft, der histo 
Zusammenhang, die Ikonographie, die stilis 
Einordnung iedes einzelnen Stückes _hie 
forscht worden ist. Gewiß bleibt auch der 
Katalog ein Produkt seiner Zeit, und es ist I 
lich, daß das Fortschreiten der Forschung 
schiedentlich zu neuen Ergebnissen geführ 
Der komplexe Charakter der Münchner 
beinsammlung bedingte eine gewisse Zurüi 
tung bei Neuerwerbungen auf diesem G 
Das Ziel kannte nur Ergänzung und Abrur 
auf einzelnen Sektoren sein. So gelang es 
aus der Sammlung Stroganoff, Leningrad 
mythologische Reliefs von Dominikus Stain 
zu ersteigern (Abb. 14). Einige bedeutsame 
zugönge sind im letzten Jahrzehnt zu ver 
nena; 1963 der frühe, monogrammierte 
fixus von Georg Petel; 1966 das Endy 
Relief von Balthasar Permoser (Abb. 20); 
ein augsburgisches Georgsrelief des frühe 
Jahrhunderts und 1969 drei Reliefs von F 
van Bossuit, der bisher nicht in der Sam: 
vertreten war (Abb. 11). 
Das Gesicht einer Sammlung prägen 1 
ihre großen, hervorstechenden Werke, ab: 
Bestätigung ihres Ranges bedürfen sie 
anderen Werke vielleicht mehr dekorativen 
rakters, deren Eigenwert sich nicht best 
laßt. Diese Möglichkeit des Vergleichen: 
Abwügens bietet ein barocker Ordnung 
entsprechendes Elfenbeinkabinett, wie es 
mehr wiederhergestellt wurde. Die andere 
lichkeit, Elfenbeinskulpturen mit Gemälden 
belins auszustellen wie im Maximilian 
kann sich gleichermaßen auf historische V 
der berufen: In Düsseldorf waren die Arl 
von Leoni und Elhafen in der Gemöldeg 
plaziert, ebenso die Gruppen Trogers in Sc 
heim. 
Hier sollen nun einige wichtige Werke b: 
chen werden, zumal sich bei Restaurierung 
Neuaufstellung auch verschiedene wissens 
Iiche Probleme ergeben haben. Christopl 
germair (um 1580-1632), aus Weilheim gel 
seit spätestens 1613 in München für MCIXII 
tätig und ab 1621 sein Hofbildhauer, is 
Vater der Münchner, der bayerischen Elfe: 
plastik. Vor ihm läßt sich eine Produktio 
diesem Gebiet nicht erkennen. Sein Schaff 
untrennbar verbunden mit der Münchner 
kunst unter Herzog Wilhelm V. und derr 
teren Kurfürsten Maximilian l., deren eu 
scher Rang von den in Italien geschulten n 
ländischen Künstlern Friedrich Sustris, Peter 
did und Hubert Gerhard bestimmt wurde 
wissen nicht, ob Angermair - wie sein Wl 
mer Landsmann Hans Krumpper - in Italic 
wesen ist. Wahrscheinlich stammt sein lta 
mus aus zweiter Hand, eben von dieser N 
ner Hofkunst „um 1600". Den neuen Forsch
	        
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