die Bilder zur oimson-uescnicnte in HOIZ zu
schneiden hatte, hielt er sich weitgehend an das
Dürer-Blatt.
Bei weiterer Verfolgung von Cranachs Holz-
schnittwerk zeigt sich, daß auch ein klassischer
Stoff, wie die Darstellung des Paris-Urteiles von
1508 (Abb. 7), ganz im Gegensatz zu Cranachs
malerischem Schaffen in unklassisch mittelalter-
licher Auffassung des antiken Sagenstoffes wie-
dergegeben wird. Der troianische Held lehnt als
börtiger, mittelalterlicher, sächsischer Ritter am
nördlich-heimatlichen Baum, der phantastisch
gepanzerte Hermes gemahnt eher an ein Wo-
tansbild denn an den griechischen Gott, und
auch die nackten Göttinnen entsprechen in ihren
Bewegungen bei allem Bemühen um plastische
Wirkung im neuen klassischen Sinn durchaus
alten Vorstellungen. Dazu kommt die romanti-
sche, echt mittelalterliche Landschaft mit krausen
Büumen, Felsen, Bergen und Burgen, und der am
Boden liegende, mit Federn reich geschmückte
Helm des Paris, der das bizarre Baummotiv in
der Art der Darstellung der Federnpracht in die
Mitte des Vordergrundes zieht und so das volle
Einbinden der Figuren in eine reiche, sehr ro-
mantische Landschaft gewährleistet.
Wenn nun selbst der klassische Stoff Cranach
aus seiner traditionellen Gebundenheit der Do-
nauschule nicht zu lösen vermochte, so müssen
die den Künstler vor allem beschäftigenden re-
ligiösen Stoffe erst recht seine Erzählfreude,
seine Liebe zur Landschaft erweisen. So zeigen
denn auch der Holzschnitt mit der Buße des
heiligen Hieronymus (Abb. 10) und der Kupfer-
stich mit der Buße des heiligen Chrysostomus
(Abb. 9) voll seinen Hang zum Reichen in den
Naturbildungen, zum Krausen, Bizarren und
Phantastischen. Den Menschen, der ganz in eine
romantische Landschaft eingebunden ist, dessen
Aktionen aus der Landschaft zu kommen schei-
nen. Fast scheint es, als erfasse Cranach die
Figuren als etwas Pflanzliches und entwickle ihr
Handeln aus der sie umgebenden Natur. Ge-
rade darin aber liegt das Persönliche seines
Stiles. Er war der erste, der der deutschen Kunst
die eine Figur umschließende Landschaft ge-
schenkt hat, damit ist er über den für ihn sonst
so bindenden Dürer hinausgewachsen. So darf
es auch nicht verwundern, daß der Künstler, der
ansonsten durch die zahlreichen Aufträge des
von kulturellem Ehrgeiz erfüllten Friedrich des
Aufgaben gesreiit war, in aer immer VOtKSlUrn-
lich gebliebenen druckgraphischen Technik seine
persönliche Leistung zu wahren suchte.
Cranachs Leidenschaftlichkeit und Erregtheit in
der Schilderung, seine Freude an einer Erzcih-
lung mit aller Wildheit und Derbheit, alles
Eigenheiten, die nicht nur wiederum dem Donau-
stil entsprechen, sondern das notwendige Ge-
gengewicht des Ausdrucks in der Figur zu den
bizarr-romantischen Landschaften geben, be-
stimmen auch die um 1512 entstandenen Apostel-
martyrien (s. u. 11). Damit aber wird die Span-
nung zwischen dem derb volkstümlichen Holz-
schneider Cranach und dem höfisch elegant
arbeitenden Maler Cranach immer stärker
wirksam. Und darin liegt wohl auch der Grund,
weshalb Cranach zum entscheidenden Künstler
der Wittenberger Reformation werden konnte.
Denn Luther bedurfte nicht eines höfischen
Manieristen zur Illustration seiner Texte, son-
dern eines Mannes, der im Bild ebenso derb
und kräftig zu polemisieren vermochte, wie er
selbst im Wort.
Martin Luther erkannte den pädagogischen Wert
des Bildes im Dienste seiner Ideen, zu deren
Veranschaulichung ihm vor allern Holzschnitte
und Buchillustrationen geeignet erschienen, und
fand in Cranach einen kritiklosen lllustrator,
einen Künstler, der durch seine traditionelle er-
zöhlfreudige Druckgraphik die Seele des deut-
schen Volkes anzusprechen wußte.
Der betont illustrative Charakter von Cranachs
Holzschnitten kam polemischpropagandistischen
Blättern ebenso zugute wie den dem vorgege-
benen Text untergeordneten Kompositionen zur
Darlegung der neuen, gereinigten Lehre. Wie sehr
sich Cranach in den Dienst der Reformation
stellte und bereit war, mit seinen Bildern heftig
gegen Rom zu polemisieren, zeigt das Blatt der
Vermessung des Tempels (Abb. 13) aus der Folge
der Apokalypseillustrationen, ein verkleinerter
Nachschnitt aus Cranachs Werkstatt von iener
gleichen Szene, die er selbst für das 1522 bei
Melchior Lotther erschienene „September"- und
„Dezembertestament" zeichnete. Kompositorisch
lehnt sich dabei Cranach wiederum an das
große Vorbild Albrecht Dürer an, in diesem Fall
an dessen Apokalypse, die ihrerseits wiederum
iener Zeit entstammt, die für Cranach die ent-
scheidende ist, nömlich der Zeit vor 1500. Wäh-
rend iener aber tatsächlich den Offenbarungs-
13
um 1512. 16,3 x 12,6 cm. Österreichische
seum für angewandte Kunst (lnv.-Nr. K. l
[421393411]. (Abb. mußte aus techn. Gründe
fallen.
Verwendet in: „Das Symbolum der Heiligen A;
darin der Grund unseres Christlichen Glaubens gelei
Ausgelegt durch Dr. Martin Luther, 154a. (Erste x
dung: Wittenberg, Georg Rhau, 1539.)
Lit.: Bartsch, Vll, 37-48; Dod son, Catalo ue ll, S.
91-102 und 91a-102a, sowie 335, 13; ollstein, (
Engravings. . ., Vol. Vl, S. 36 f., Nr. 53-64; Dorri
H., Albrecht Dürer und die Graphik der Reformatii
Schriften der Bibliothek des Österreichischen M
für angewandte Kunst, 2, Wien 1969, S. 44 ff., l
12 Lucas Cranach d. Ä., Monstranz mit C
am Kreuz. Holzschnitt. 13 u; 7 cm. A:
Rückseite des Blattes der heilige Bernhai
dem Schmerzensmann mit_Monogramm
gelte Schlan e auf der Steinbank] B. 57.
reichisches useum für angewandte Kunst
Nr. K. I. 1751 Ä128l6].
Lit.: Bartsch, Vll, B -, Dodgson, Catalogue ll, S. 2
Hollstein, German Engravings . . ., Val. Vl, S. 53, l
Dornik-Eger H., Albrecht Dürer und die Graphik (
tormationszeit, Sdiriften der Bibliothek des Uste
schert Museums für angewandte Kunst, 2, Wien 1969
Nr. 61.
13 Lucas Cranach d. A., Vermessung des Te
Cranach-Werkstatt. Holzschnitt aus der
der Apokalypseillustrationen. Verwendi
Biblia, das ist die gantze heilige
deutsch... Nürnber , Johann von Berg
Ulrich Neuber, 1560. sterreichisches Muse
angewandte Kunst (lnv.-Nr. B. I. 8315 [B
Verkleinerter Nadisctinitt der gleichen Szene au
1522 bei Lotther erschienenen „Dezembertestament".
Lit.: Dodgson, Catalogue ll, S. 330, 23; Hollstein, t
Engravings . . ., Vol. Vl, s. 2a i., Nr. sog-i. Dornik-E
Dürer und die Graphik der Retormationszeit, Schrif
Bibliothek des Österreichischen Museums für ange
Kunst, 2, Wien 1969, S. 4B ff., Nr. 62. Dort auch die
Literatur zu Cranachs Bibelillustrationen.
14 Titelblatt zu „Die l Propheten alle De
Doct. Mart. Luth. Wittenberg, Hans Lufft
L. Cranach d. J. Holzschnitt. 30,1 x 20
Erstmals verwendet in der zweiten Witt
er Gesamtausgabe der Lutherbibel von
ästerreichisches Museum für angewandte
[lnv.-Nr. K. l. 1754 65l25]).
Lit.: Passavant, Vl, S. 2 , 42 t; Dadgson, Catalo
S. 339, 2, sowie 341, B; Sdiramm, S. 3B, Taf. 227
Thulin O., Cranach-Altäre der Reformation, S.
Abb. 178; Dornik-Eger H., Albrecht Dürer und die (
der Refarmatianszeit, Schriften der Bibliothek des
reichlichen Museums für angewandte Kunst, 2, Wie
S. 51 ff., Nr. 64