Heribert R. H utter
Lucas Cranach der Altere
in der Gemäldegalerie der
Akademie der
bildenden Künste in Wien
Anläßlich des SOQDGeburIsIages von
Lucas Cranach d. A. zeigt die Gemäldegalerie der
Akademie der bildenden Künste in Wien in
einer Sanderschau Bilder und Graphiken van
Lucas Cranach und seiner Schule.
Gleichzeitig erschien ein Bildheft zu diesem Thema
vom selben Autor.
l Lucas Cranach d. A, Die heilige Sippe, Ternpera
auf Lindenholz, B8 x 70,5 cm; bez. unten Mitte
mit dem Schlangenzeichen
2 lÄuäkgsxfranach d. Ä., Selbstporträt (Ausschnitt aus
Die Bilder des älteren Lucas Cranach bilden
einen Schwerpunkt in der Gemäldegalerie der
Akademie der bildenden Künste in Wien. Ziffern-
mäßig ist der Besitz der Akademie an Bildern
dieses Meisters sicher nicht unter die großen
Cranach-Sammlungen zu zählen, doch gehört
er wegen seiner Bedeutung und zeitlichen Ver-
teilung zu den bedeutendsten. Der Bestand ver-
mag exemplarisch ein umfassendes Bild von der
künstlerischen Entfaltung dieses neben dem nur
ein Jahr älteren Albrecht Dürer wohl wirksam-
sten deutschen Künstlers des 16. Jahrhunderts zu
geben. Wenn auch ein wesentliches Element der
Tätigkeit Cranachs e nämlich die Parträtma-
lerei - in der Akademiegalerie nur indirekt
vertreten ist, so reichen doch die Beispiele seiner
Kunst von dem ersten Höhepunkt seiner Wiener
Zeit bis zum Weiterwirken seiner Werkstatt.
Der 1472 in Kronach in Franken geborene Maler
wird erst als Dreißigiähriger mit einer Gruppe
von Arbeiten für uns als Künstler greifbar. Er
war also ein reifer Mann, der seine erste
künstlerische Ausbildung bei seinem Vater Hans,
dessen Zuname „Maler" wohl eher als Berufs-
bezeichnung aufzufassen ist und von dem wir
keine bestimmte Vorstellung haben, erfahren
hatte und schon geraume Zeit auf der üblichen
Wanderschaft gewesen sein mußte. Daß ihn
diese Wanderschaft in das fränkische Kuns
trum, nach Frankfurt, geführt hat, darf als s
angenommen werden. Ebenso sicher hat e
Arbeiten Dürers gekannt, und deren Einflut
besonders in den Halzschnitten, lange J
deutlich merkbar. Wichtiger aber erschein
die ersten Jahre des 16. Jahrhunderts die K
landschaft zwischen Regensburg und Wier
wesen zu sein, denn mit den frühesten beki
gewordenen Bildern vertritt Cranach, f:
noch als Albrecht Altdarfer oder Wolf l-
und gleichzeitig mit dem Meister von Müh
und Jörg Breu, ganz ausgeprägt den Stil
„Donauschule".
Mit den beiden Altarflügeln „heiliger Vale
und „Stigrnatisation des heiligen Franziskus"
fügt die Galerie über zwei hervorragende
spiele dieser Richtung. Der Charakter der
alpenlandschaft und der Danauauen ist nich
festgehalten in Hügeln und Felsen, den roi
fischen Burgen und fernen Bergen, im wirren
äst der Bäume und Sträucher, sondern teilt
auch den Figuren und ihrem Gewand und C
mit, in dem bewegten Duktus und der expi
ven Realistik der Darstellung, So bedeuten:
Rolle der Landschaft und ihre für den Einr
bestimmende Unmittelbarkeit auch ist, sinc
zwei Tafeln doch in erster Linie Figurenbi
Wahrscheinlich waren beide einstmals
Flügel von Triptychen, möglicherweise eines
zigen, wofür die fast gleichen Maße sprei
doch sind sie wohl kaum die auseinandi
sägten Teile desselben Flügels, denn dann m
er aus ungewöhnlich dicken Brettern bestai
haben.
Die Realistik der Landschaft findet eine
sprechung in der Drastik der Figurenschildei
Die fast bäuerlich derben Gesichtstypen
Heiligen vergegenwärtigen das Geschehen
bringen sie menschlich nahe, ohne die ekstat
Visian des heiligen Franziskus, der die W
male empfängt, während sein Begleiter ei
schlafen ist, zu schmälern oder die erhal
Würde des heiligen Valentin, des Schutzheil
der Epileptiker, worauf der zurückgewor
Mann mit dem im Schrei verkrampften Ge
hinter ihm hinweist, zu entweihen. In eiger
gem Kontrast zu dem Charakterkapf des
ligen mit den Backenwülsten, den vollen Lip
der breiten Nase und den deutlichen Ra
schatten steht das verfeinerte, doch leere
Sicht des Stifters mit dem sorgsam QEKTÖUSt
Haupthaar. Man gewinnt den Eindruck, al'
der Auftraggeber mehr Wert gelegt hätte
eine f trotz mancher Akzente, die auf P01
nähe schließen lassen, wie etwa die scharfe
bogene Nase - idealere Darstellung, als sie
Maler dem Heiligen zubilligen wollte.
Wie aus einer anderen Welt mutet dann
knapp zehn Jahre später entstandene Bild
„Heiligen Sippe" an. Ein durch Mauern ei
grenzter Hof mit steilen Fluchtlinien und stc
Aufsicht, so daß für den freien Himmel
Raum bleibt, bietet wie auf einer Bühne
Blick auf locker verteilte Figurengruppen. N
terne Klarheit und exakte Detailgenauigkeit
mitteln den Eindruck kühler Beobachtung. E
eine erzählende Darstellung einer zeitgenäs
reich gekleideten Großfamilie und dennoch
religiöse Darstellung. Die „Heilige Sip
wie Cranach sie darstellt, ist eine durch
ganze Mittelalter gebräuchliche Konstruktion
die seit dem 2. Jahrhundert behauptete J
fräulichkeit Marias mit den Evangelientexte
vereinbaren. Alle vier Evangelisten spre-
eindeutig von Geschwistern Jesu, erst das Pi
evangelium des Jakobus setzt eine frühere
Josefs voraus und aus ihr entsprossene Sö