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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 123)

Österreichische Kürassiere und Dragoner haben 
in wildem Assalto von rechts vorne die bayeri- 
schen Dragoner des soeben gekrönten Kaisers 
Karl Vll. niedergeranntt. im Zentrum des Ge- 
schehens wird der bayerische Kesselpauker von 
seinem Pferde geschossen. 
Die Komposition erscheint auf den ersten Blick 
asymmetrisch. Ihre Gewichte werden jedoch durch 
die extremen Helldunkelwerte wieder ausgewo- 
gen. lm Schnittpunkt der Diagonalen steht - dem 
Schwung einer Rocaille ähnlich - die Gestalt 
eines fechtenden Dragoners. Im Vordergrund um- 
fängt ein Sterbender mit ausgebreiteten Armen 
das ganze Vanitas-Geschehen in einem großen 
Gestus des Leidens. 
Das Bild wird durch einen dunklen Graben von 
unten nach oben geteilt. Rechts im verdömmern- 
den Lichte unheimliches Getümmel, weit ausha- 
lende Säbelhiebe, Tote, mit zerschmettertem Ant- 
litz vom Pferde stürzen Links wird das Schau- 
spiel des Grauens in gleißende Pracht und 
Schönheit der Farbe getauch Blau leuchten die 
Uniformen der Toten, weiß glänzen ihre silber- 
nen Tressen, während die Sterbenden gleich 
züngelnden Flammen ihre Hände recken. 
Bedeutungsvolle Zeichen erhöhen das Gesche- 
hen zum Gleichnis. lm Zentrum bäumt sich voll 
Entsetzen das weiße („kalserliche'"") Tambour- 
pferd. Sein starres Auge ist der Mittelpunkt der 
Komposition. Der „falsche" Reiter - der Bayer - 
wird vom kaiserlichen Pferd geschossen (Abb. 
9). Faszinierend das Rot, die Explosion der Be- 
wegung und die Finselführung in der Gestalt 
des schießenden Kürassiers, das leuchtende Blau 
der Kesselpouke mit dem Löwenwappen". Der 
Paukenschlag, das Kriegslied, schwebt noch 
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anfeuernd in der Luft, während das falsche Ideal 
schon zerbricht, der Tod schon erntet. 
Sorgfältig sind alle Bez" e gezielt: der blutige 
Degen und die bayerische Feldtrompete links 
unten, die verdunkelte Standarte mit den Kaiser- 
adlern Karls Vll. oben, Kesselpauke und Kaiser- 
schimmel. Im Sinne der Barockkunst haben sie 
den fatto storico zu erhöhen, hinzuführen zu 
einer höheren Deutung der Historie, zu belehren: 
Die Vergeblichkeit dieses Kaisertums - dessen 
Träger noch beim Krönungsfest sein Land ver- 
lor" - und darüber hinaus die Vergeblichkeit 
ieden kriegerischen Tuns ist dargestellt, Vanitas 
belli. 
Die Farbigkeit des Gemäldes in den bis zur 
Schockwirkung übersteigerten Rat-Blau-Werten 
erinnert merkwürdig an Salvator Rosas geheim- 
nisvoll-makabre Bilder. Die Pinselführung in 
ihrer Virtuosität - mit den auf der Oberfläche 
irrlichternden Weißhöhungen - ist der Bravour 
des Venezianers Gianantonia Guardi vergleich- 
bar, dem das Bild vor Entdeckung der Signatur 
auf dem Pendant versuchsweise zugeschrieben 
war. Der Expressivismus der Darstellung, der die 
gottgewollte Schönheit im Farbenrousch der 
Schöpfung am Rande des Grauens darstellt, war 
dem Maler aus der Kunst des Genuesen Ales- 
sandro Magnasca - dessen Werke auch in Öster- 
reich gut vertreten waren " - geläufig. Die Kom- 
positionsweise schließlich, die scheinbare Arhyth- 
mien in heftigem Wechsel von Licht und Dunkel 
auswiegt- dabei höchste Spannungen im Betrach- 
ter weckend -, ist Mildorfers besondere und erst- 
malige Leistung. Sie kehrt - hier folgen wir 
Biermann - erst viel später im Werke Goyas 
wieder. 
6 Josef lgnaz Mildorfer, Die Bataille von Schär- 
ding, 1742 
7 J. l. Mildorfer, 
linke Seite, Detail 
Die Bataille von Schärding, 
Anmerkungen 9-13 
'lrl diesen Jahren werden erstmals die Regirnentsurli- 
formen Österreichs vereinheitlicht. Die K rasslcre tragen 
noch den eisernen Kuraß, der um l750 verschwindet 
l" Das weiße Pferd des spanischen kderlichen Gestüts 
Lipizza spielt in der Barockmaleiei sterreichs e be- 
sonders bei Maulbertsch e eine wichtige Rolle. Es 
scheint uns ein besonderes Attribut kaiserlichen Glanzes 
zu sein. 
" Der Löwe ist hier als Wappentler Bayerns ebenso wie 
des Königreichs Böhmen das Wappen Karls Vll. 
" Karl Vll. war am I2. Januar gekrant warden und wei e 
noch b den Krdnungsfesteli lfl Frankfurt, als ilm die 
Nachricht vom Verluste seiner Stammlande erreichte. 
(Heigel, a. a. O, S. 250 ff.) Die Verdunkelung der 
Kaiserstandarte mit dem Dappeladler ist elne bewußte 
Anspielung darauf. 
" Das Siih Seitenstetten besim als Legat des Grafen 
Colloredo zwei bedeutende Werke Magnascos, die - 
1726 gemalt - Mildorfer bekannt wurden, da dort sein 
Lehrer Paul Troger gearbeitet hatte. Andere Werke des 
produktiven Genuesen gab es an vielen Orten zu sehen.
	        
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