Österreichische Kürassiere und Dragoner haben
in wildem Assalto von rechts vorne die bayeri-
schen Dragoner des soeben gekrönten Kaisers
Karl Vll. niedergeranntt. im Zentrum des Ge-
schehens wird der bayerische Kesselpauker von
seinem Pferde geschossen.
Die Komposition erscheint auf den ersten Blick
asymmetrisch. Ihre Gewichte werden jedoch durch
die extremen Helldunkelwerte wieder ausgewo-
gen. lm Schnittpunkt der Diagonalen steht - dem
Schwung einer Rocaille ähnlich - die Gestalt
eines fechtenden Dragoners. Im Vordergrund um-
fängt ein Sterbender mit ausgebreiteten Armen
das ganze Vanitas-Geschehen in einem großen
Gestus des Leidens.
Das Bild wird durch einen dunklen Graben von
unten nach oben geteilt. Rechts im verdömmern-
den Lichte unheimliches Getümmel, weit ausha-
lende Säbelhiebe, Tote, mit zerschmettertem Ant-
litz vom Pferde stürzen Links wird das Schau-
spiel des Grauens in gleißende Pracht und
Schönheit der Farbe getauch Blau leuchten die
Uniformen der Toten, weiß glänzen ihre silber-
nen Tressen, während die Sterbenden gleich
züngelnden Flammen ihre Hände recken.
Bedeutungsvolle Zeichen erhöhen das Gesche-
hen zum Gleichnis. lm Zentrum bäumt sich voll
Entsetzen das weiße („kalserliche'"") Tambour-
pferd. Sein starres Auge ist der Mittelpunkt der
Komposition. Der „falsche" Reiter - der Bayer -
wird vom kaiserlichen Pferd geschossen (Abb.
9). Faszinierend das Rot, die Explosion der Be-
wegung und die Finselführung in der Gestalt
des schießenden Kürassiers, das leuchtende Blau
der Kesselpouke mit dem Löwenwappen". Der
Paukenschlag, das Kriegslied, schwebt noch
18
anfeuernd in der Luft, während das falsche Ideal
schon zerbricht, der Tod schon erntet.
Sorgfältig sind alle Bez" e gezielt: der blutige
Degen und die bayerische Feldtrompete links
unten, die verdunkelte Standarte mit den Kaiser-
adlern Karls Vll. oben, Kesselpauke und Kaiser-
schimmel. Im Sinne der Barockkunst haben sie
den fatto storico zu erhöhen, hinzuführen zu
einer höheren Deutung der Historie, zu belehren:
Die Vergeblichkeit dieses Kaisertums - dessen
Träger noch beim Krönungsfest sein Land ver-
lor" - und darüber hinaus die Vergeblichkeit
ieden kriegerischen Tuns ist dargestellt, Vanitas
belli.
Die Farbigkeit des Gemäldes in den bis zur
Schockwirkung übersteigerten Rat-Blau-Werten
erinnert merkwürdig an Salvator Rosas geheim-
nisvoll-makabre Bilder. Die Pinselführung in
ihrer Virtuosität - mit den auf der Oberfläche
irrlichternden Weißhöhungen - ist der Bravour
des Venezianers Gianantonia Guardi vergleich-
bar, dem das Bild vor Entdeckung der Signatur
auf dem Pendant versuchsweise zugeschrieben
war. Der Expressivismus der Darstellung, der die
gottgewollte Schönheit im Farbenrousch der
Schöpfung am Rande des Grauens darstellt, war
dem Maler aus der Kunst des Genuesen Ales-
sandro Magnasca - dessen Werke auch in Öster-
reich gut vertreten waren " - geläufig. Die Kom-
positionsweise schließlich, die scheinbare Arhyth-
mien in heftigem Wechsel von Licht und Dunkel
auswiegt- dabei höchste Spannungen im Betrach-
ter weckend -, ist Mildorfers besondere und erst-
malige Leistung. Sie kehrt - hier folgen wir
Biermann - erst viel später im Werke Goyas
wieder.
6 Josef lgnaz Mildorfer, Die Bataille von Schär-
ding, 1742
7 J. l. Mildorfer,
linke Seite, Detail
Die Bataille von Schärding,
Anmerkungen 9-13
'lrl diesen Jahren werden erstmals die Regirnentsurli-
formen Österreichs vereinheitlicht. Die K rasslcre tragen
noch den eisernen Kuraß, der um l750 verschwindet
l" Das weiße Pferd des spanischen kderlichen Gestüts
Lipizza spielt in der Barockmaleiei sterreichs e be-
sonders bei Maulbertsch e eine wichtige Rolle. Es
scheint uns ein besonderes Attribut kaiserlichen Glanzes
zu sein.
" Der Löwe ist hier als Wappentler Bayerns ebenso wie
des Königreichs Böhmen das Wappen Karls Vll.
" Karl Vll. war am I2. Januar gekrant warden und wei e
noch b den Krdnungsfesteli lfl Frankfurt, als ilm die
Nachricht vom Verluste seiner Stammlande erreichte.
(Heigel, a. a. O, S. 250 ff.) Die Verdunkelung der
Kaiserstandarte mit dem Dappeladler ist elne bewußte
Anspielung darauf.
" Das Siih Seitenstetten besim als Legat des Grafen
Colloredo zwei bedeutende Werke Magnascos, die -
1726 gemalt - Mildorfer bekannt wurden, da dort sein
Lehrer Paul Troger gearbeitet hatte. Andere Werke des
produktiven Genuesen gab es an vielen Orten zu sehen.