Hans Frank
Die Photographie
in Osterreich -
zwischen Handwerk
und Kunst
Die heutige Tendenz der Ausweitung der
künstlerischen Bereiche hat auch die Photographie
zur vollwertigen Kunst erhoben. In vielen Ländern
sind Photomuseen entstanden. Alte Photographien
werden in jüngster Zeit, wie eine kürzlich
stattgefundene Auktion bei Christie's, London,
beweist, von internationalen Sammlern hoch
bewertet. Die Zeitschrift wird künftig der
Geschichte der Photographie und ihren gegen-
wärtigen künstlerischen Tendenzen regelmäßig
Raum geben.
Als die Photographie erfunden wurde, war man
begeistert von der naturgetreuen Wiedergabe
aller Details und prophezeite der Malerei eine
große Konkurrenz. Delaroche war da anderer
Meinung; er sagte voraus, daß die Künstler
„durch die Photographie keinen Schaden erlei-
den werden, im Gegenteil sogar Nutzen". Auch
Arago äußerte sich in diesem Sinn: „. . . durch die
Entdeckung des Daguerreotyps sey der Kunst
ein unendlicher Dienst geschehen, die photo-
graphischen Zeichnungen würden selbst den ge-
schicktesten Malern ein willkommener Gegen-
stand der Beobachtung und des Studiums seyn '."
lm Pfennig-Magazin des Jahres 1840 heißt es:
„Schon ietzt findet man überall Daguerresche
Lichtbilder, welche durch die bewundernswürclig-
ste Treue, durch Deutlichkeit und Nettigkeit der
Ausführung iede andere Darstellungsweise weit
hinter sich zurück lassen 7."
Das rein Technische der von den Noturotisten
des 19. Jahrhunderts geschaffenen Bilder wurde
nun mittels der Photographie auf das exakteste
erreicht, und so glaubten nun vielfach auch die
Photographen, für sich die Bezeichnung Künstler
in Anspruch nehmen zu können, um so mehr.
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als ein Großteil der frühesten Photographen
ursprünglich Maler waren.
Bald war iedoch den die Photographie Aus-
übenden der finanzielle Erfolg das wichtigste,
und somit glitt die Photographie immer mehr
zum Handwerk ab. Anfänglich allerdings zu
einem sehr solide und mit viel Kunstverstöndnis
ausgeübten.
Der Niedergang der Photographie sowohl in
ästhetischer als auch in finanzieller Beziehung
führte gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer
Reaktion. Eingeleitet wurde diese von Photo-
graphen, welche sich mit dieser Kunst - die
sie auch als Kunst angesehen wissen wollten -
aus Liebhaberei beschäftigten. ln ihrem Streben
wurden sie von einigen bedeutenden und erfolg-
reichen Photographen unterstützt. Die erste in
dieser Richtung bahnbrechende Ausstellung fand
im Jahr 1891 in Wien statt. Es war die „Aus-
stellung künstlerischer Photographien" im Mu-
seum für Kunst und Industrie. Der damalige
Direktor des Museums, Hofrat R. v. Falke, führte
anlößlich der Eröffnung, welche ein gesell-
schaftliches Ereignis war, an: „... die Photo-
graphie habe sich als eine selbständige Kunst,
als ein Kunstmittel, gleich wie Ulfarben und
Wasserfarben, wie Tusche, Pinsel und Stift be-
währtf." Bemerkenswert ist auch die Zusam-
mensetzung der Jury, sie bestand aus acht
Malern und zwei Bildhauern. Ein Photograph,
der k. u. k. Hofphotograph und Kaiserliche Rat
Fritz Luckhardt, fungierte nur als Beiratf.
Es entwickelte sich nun auch unter den Photo-
graphen der Begriff der „Wiener Schule", deren
bekannteste Vertreter Henneberg, Kühn und
Watzek waren. Sie signierten ihre Photographien
mitunter mit einem Kleeblatt und wurden auch
als „das Kleeblatt" bezeichnets.
Zu dieser Zeit strebten die Photographen da-
nach, es den Malern des Jugendstils gleichzu-
machen. Der die Details unterdrückende Gummi-
druck war das dafür geeignetste Verfahren und
wurde für Ausstellungsbilder bevorzugt. Auch in
den Bildformaten machte man es den zeitgenössi-
schen Malern nach, indem man Motive wählte,
welche sich in schmale hohe oder niedere long-
gestreckte Rahmen einzwöngen ließen. Die Be-
deutung, welche damals der österreichischen
Photographie beigemessen wurde, geht aus dem
Vorwort zum Jahrgang 1903 der in Deutschland