1 Lyrik in Rot,
1971, 240 x 160 cm,
Kulturamt der Stadt Wien
2 Aus dem Zyklus „Die Frau"
3 Aus dem Zyklus „Die Frau"
4 Aus dem Zyklus „Kammunikation"
Lore Heuermann
Lore Heuermann
Zu den Bildbatiken der Künstlerin
Batiken werden heute wie vieles andere mehr, das
man hierzulande mit dem nicht gerade präzise
abgrenzenden Vokabel „Kunsthandwerk"
umschreibt, sofort und ausschließlich in ihrer rein
angewandten Funktion als Kopftücher und der-
gleichen eingestuft und beurteilt. Damit ist
fälschlich zumeist auch eine Abwertung in
künstlerischer Hinsicht verbunden, was zwar in
Anbetracht der Durchschnittsproduktion vieler
Kunsthandwerker verständlich sein mag, den Einzel-
fall iedoch nur nach vorausgegangener kritischer
Prüfung einschließen dürfte.
Funktionsabhängigkeit und Art eines
Gegenstandes berühren den künstlerischen Wert
nur nebenbei und die vergleichbaren spezifischen
Qualitäten überhaupt nicht, so daß auch im
Kunsthandwerk immer wieder Leistungen
anzutreffen sind, die hinsichtlich Profil, Aussage
und überzeugender Absicht Beispielen der
sogenannten freien Kunst durchaus konkurrenz-
fähig sind.
Zu den erfreulichen Ausnahmen zählen auch die
farbigen, meist in quadratischen Formaten
gehaltenen Bildbotiken der aus Westfalen
stammenden, seit längerem in Wien lebenden
Künstlerin Lore Heuermann. Sie waren zuletzt in
Ausstellungen der Kleinen Galerie und des
Österreichischen Museums für angewandte Kunst,
begleitet von beträchtlichen Publicity-Ertolgen, zu
sehen. Heuermanns Batiken werden von der
Designerin noch den traditionellen handwerklichen
Verfahren dieser aus Java stammenden Technik
zur farbigen Musterübertragung und „Bemalung"
von Stoffen, iedach ganz und gar zeitgemäß im
Sinne einer sehr persönlichen, von der
geometrischen Abstraktion sich herleitenden
Variante einer durch beherrschenden Pinselduktus
charakterisierten Molart konzipiert und ausgeführt.
Zum Unterschied von den strengen und eher
nüchternen Spielarten der Geometrischen
Abstraktion in der freien Malerei ist der Stil
Lore Heuermanns ausgesprochen intuitiv geprägt.
Heuermanns Bildbatiken zeugen von intensivem
Arbeitseinsatz, dessen Ziel in möglichster formaler
Verknappung der vielfach auch thematisch
fixierten Darstellungen zu sehen ist. Ihre auf
Holzplatten montierten dekorativen Seiden beweisen
das Gefühl, Intellekt und Bildökonomie gleicher-
maßen betreffende Verständnis der Künstlerin
für kampasitionelle Kriterien, formale Spannungs-
gegensätze und die gleichsam nahtlose
Kontrastwirkung von Darstellung und Bildhinter-
grund. Dabei zeigt sich die Sicherheit im Zueinander
harmonischer Farbkombinationen und -wertigkeiten.
Der gesteuerte Reiz kleinkalibriger, den Struktur-
spuren des verwendeten Wachses entsprechender
Zufälligkeiten besitzt in den mit breitem Pinsel
gezeichneten beherrschenden Motiven und Motiv-
umrissen sein als Auffangbecken fungierendes
Gegenstück. Temperamentvoll und von großer
Vielfalt ist die trotz der erwähnten Merkmale sehr
spezifische Farbskala. Sie reicht von erdigem Braun
über kalte Blau-Grün-Töne bis zu den bevorzugten
intensiven Rot- und Rotorange-Werten.
Die bis zu zweieinhalb Meter hohen, in zumeist
drei oder vier Farben gehaltenen Bildbatiken ver-
einen die materielle Eigenart und die detailreiche
Struktur der Seide mit sehr übersichtlich und
ausgewogen gesetzten Symbolen einer breiten,
durch die Aufeinanderfolge der Farbbäder
bedingten schichtenweise übereinandergelagerten
Pinselführung. Die Arbeiten Lore Heuermanns
entstehen zumeist in zyklischer Aufeinanderfolge.
Sie galten zuletzt den primär als Assoziotians-
grenze und nicht als literarische Einengung zu
verstehenden Themen „Kommunikatian", „Die
Hexen" und „Die Frau". Die überzeugendsten
Beispiele aus diesen Zyklen bestätigen zusammen
mit größeren Einzelwerken die Richtigkeit des
eingeschlagenen Weges, die erfreuliche Folge-
richtigkeit einer einsehbaren und logischen
Entwicklung, in die weiterhin Hoffungen gesetzt
werden können. Peter Baum
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