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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 124 und 125)

enhändige 
ionnendarstellungen 
Jakob Kaschauer 
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lonnendarstellungen 
Jakob Kaschauer 
g zur Erforschung der deutschen 
'r, der „Dunklen Epoche" 
Lungen 1-4 
lm Finder: „Die deutsche Plastik vom ausgehenden 
alter bis zum Ende der Renaissance", Handbuch ll, 
rn, 1929. 
m aus keinem Dokument eindeutig hervor, daß 
iuer tatsächlich auch Bildhauer gewesen ist. Wir 
aber, daB die Bezeichnung „pictor" im Mittelalter 
I für den Maler als auch für den Schnitzer (und Faß- 
gebräuchlich war. Dieser Umstand führte daher 
halt zu Polemiken, ob der Künstler nicht etwa 
Altartafeln gemalt hat und als Inhaber einer 
lenden Werkstätte auch als Autor für einen mit- 
enden Schnitzer verantwortlidi gemacht wird. Wie 
es sich auch verhält, der Verfasser bezieht die 
udiungen ausschließlich auf den Schöpfer der 
uren des Freisinger Hochaltares. 
ducsay (in: Am Historiae Artium, Budapest, m1): 
ochaltar von Kaschau. 
ierstenberg: Hans Multscher, Leipzig, 192B. 
Walter (in: Jahrbuch des Vereins für christliche 
München, 1911, Band 1): Jakob Kasdiauer, der 
ir des 1443 errichteten Hochaltares zu Freising. 
cashauer pictor civis vienensis" beschäftigt seit 
zwei Generationen die einschlägige Forschung, 
ist aber bis heute in irgendeiner Form immer 
wieder am Paradebeispiel des Bayrischen Na- 
tionalmuseums, dem Skulpturenbestand des ur- 
kundlich bezeugten ehemaligen Freisinger Hoch- 
altares, hängengeblieben. Es ist nicht nur un- 
denkbar, daß sich die erhaltene Arbeit eines so 
bedeutenden Künstlers nur in einem einzigen 
Werk wiederfindet, sondern es mag sogar ver- 
wundern, wie diese von wissenschaftlicher Seite 
her als Solitär behütet wird, als wäre es für 
den Meister eine Schande, vorher und nachher 
etwas Ebenbürtiges geschaffen zu haben. 
Der Gesamtkomplex „Kaschauer" ist zu weit- 
läufig, um in diesem Rahmen voll ausgeleuchtet 
zu werden; es soll daher nur von den Marien- 
darstellungen die Rede sein, welche sich bei 
genauerer Untersuchung eines Großteiles des in 
Frage kommenden Materials als sichere eigen- 
händige Arbeiten herausstellten. 
Jakob Kaschauer ist der große süddeutsche Bild- 
hauer an der Schwelle vom idealisierenden 
„Weichen" zum naturalistischen Stil der Spät- 
gotik. Dieser Übergangsstil fällt in die Zeit der 
Dunklen Epochen, in die uns so rätselhafte Zeit 
des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts, aus der 
nur ganz wenige datierte Werke erhalten sind. 
Die Abstammung des Meisters von Kaschau 
(Tschechoslowakei, früher Ungarn) ist absolut 
glaubhaft, namentlich auf Grund verschiedener 
urkundlicher Bezeichnungen„der Kaschauer" oder 
„von Kaschau", bewiesen ist sie nicht. Sein Name 
ist jedenfalls 1429 erstmalig in Wien urkundlich 
erwähnt. Es ist anzunehmen, daß der Meister vor 
der Gründung seiner eigenen Werkstätte Mit- 
glied der Dombauhütte zu St. Stephan war, und 
wir können weiter vermuten, daß er sich schon 
in sehr iungen Jahren selbständig machtef. 
Kaschauer war ein angesehener und geachteter 
Bürger der Stadt Wien, führte sein eigenes Wap- 
pensiegel, besaß 1441 ein Haus am „Alten 
Kohlenmarkt" und wird bis zu seinem Tode im 
Jahre 1463 verschiedentlich in Urkunden ge- 
nannt. Sein Geburtsiahr kann um 1400, jedenfalls 
im ersten Dezennium des 15. Jahrhunderts, ange- 
nommen werden. Konkrete Anhaltspunkte zu 
seiner künstlerischen Tätigkeit finden sich nur 
zweimal, und zwar auf der Innenseite des Ein- 
banddeckels des Prädialbuches des Hochstiftes 
Freising von 1316 (Archivsignatur B 250) in der 
Bibliothek des Erzbischöflichen Metropolitanka- 
pitels zu München, wo mit 28. Juni 1443 das 
Weihedatum für den von Nikodemus della 
Scala gestifteten Hochaltar des Domes zu Frei- 
sing bezeugt ist, und eine urkundliche Notiz, 
nach der der Meister im Jahre 1449 einen jetzt 
zur Gänze verschollenen Altar für die Michaeler- 
kirche in Wien lieferte. 
Wir stehen nun vor der Aufgabe, das auf uns 
gekommene, nur spärlich erhaltene Skulpturen- 
material der in Frage kommenden Zeit zu sichten 
und dahingehend zu prüfen, was Jakob Kasch- 
auer wirklich eigenhändig geschaffen hat. Mit 
diesem Problem haben sich selbstverständlich 
schon viele verdiente Kunsthistoriker auseinan- 
dergesetzt. Der Zufall wollte es aber, daß erst in 
jüngerer Zeit zwei sichere Schnitzwerke neu ent- 
deckt wurden, welche der Forschung früher nicht 
zugänglich waren. Auf Grund vergleichenden 
Fotomaterials wurde so manche Vermutung 
ausgesprochen, einen wirklichen Sicherheitsfak- 
tor zu setzen vereitelte in der Regel die Un- 
möglichkeit, in Frage kommende Werke bis 
zum Kern auf die Handschrift des Meisters zu 
untersuchen. Das Hauptproblem liegt also darin, 
das Wesen unseres Künstlers, die charakteri- 
stischen Merkmale seines Stils und, daraus fol- 
Werken zu erkennen. 
Jakob Kaschauer steht als Künstlerpersönlich- 
keit eigenartig isoliert da. Er hat seinen eige- 
nen Stil geprägt und mit diesem die wichtige 
Brücke geschlagen, welche nach der übersteiger- 
ten ldealisierung und Schematisierung des Wei- 
chen Stils notwendig geworden war, um dem 
Naturalismus der Spätgotik zum Durchbruch zu 
verhelfen. Dieser „Naturalismus" hat sich in di- 
rekter Folge selbständig gemacht, weiterent- 
wickelt, verzweigt, verfeinert; aber Kaschauer 
hat keinen Typus geschaffen, der einer Bild- 
hauergeneration als Grundlage gegolten hätte. 
Er machte nicht Schule im wortläufigen Sinne, 
sondern bereitet im süddeutschen Bereich viel- 
mehr den Nährboden für die Vielfalt der nach- 
folgenden realistischen Stilprägungen. Für un. 
sere Untersuchungen ist die wiederholt von 
Theoretikern aufgeworfene Frage nach der Her- 
kunft des Meisters nicht so wesentlich. Ob der 
Künstler aus Kaschau zugewandert ist oder 
einem Wiener Geschlecht entstammt, ist eine 
Streitfrage, die der Zufall eines Tages sicher 
noch klären wird. Auch kommen die Diskussio- 
nen, welchen künstlerischen Einflüssen unser Mei- 
ster unterlegen war, nicht zum Verstummen, und 
ich würde selbst diese Frage vorsichtig beant- 
worten und diesen großen Individualisten nicht 
einfach in den im 15. Jahrhundert so starken 
Einflußbereich der franco-flandrischen Schulen 
stellen. Daß Kaschauer diese Kunst gekannt hat, 
ist offensichtlich, aber sein charakteristischer 
Stil wurzelt nicht nur in diesem Einflußbe- 
reich. Gewisse stilistische unleugbare Parallelen 
zu Multscher" und andere zur burgundischen 
Kunst wurden aufgezeigt, ebensolche mit Nürn- 
berg und Ulmi Alle diese Überlegungen sind 
zweifellos richtig, aber man darf die Tendenz 
des allgemeinen Zeitgeistes nicht unterschätzen. 
Wir wissen, daß unabhängig und an den ver- 
schiedensten Punkten Europas gleichzeitig neu- 
artige stilistische Veränderungen stattgefunden 
haben. 
Wie präsentiert sich nun die Eigenart der 
Kaschauerischen Handschrift, was ist das We- 
sentliche daran, welche zwingende Gesetzmä- 
ßigkeit und welche persönlichen Eigenheiten er- 
geben so eindeutige individuelle Merkmale, daß 
die Autorschaft unseres Meisters unzweifelhaft 
wird? Bei ieder Bestimmung der Werke einer 
Künstlerpersönlichkeit kann nur von den im 
Original überlieferten Hauptwerken ausgegan- 
gen werden. Dabei ist es vollkommen unwe- 
sentlich, ob der Name des Künstlers bekannt ist, 
welche kunsthistorische Streitfragen sich bezüg- 
lich Herkunft, Schule usw. um den Meister ran- 
ken, sondern es ist allein das Auge, welches die 
Formensprache und die persönlichen Eigenheiten 
des Schöpfers aufnimmt, um gegebenenfalls das 
Ausgangsobiekt in einem anderen Werk zu 
assoziieren. Es liegt daher auf der Hand, unseren 
Meister von dem einzigen bis ietzt bekannten 
urkundlich bezeugten Werk, der Madonna mit 
Kind, Mittelfigur des Freisinger Altars von 1443, 
abzuleiten. Ob neu aufgefundene Originale 
vor oder nach diesem Kunstwerk entstanden, 
wird eine Frage der wissenschaftlich bereits fest- 
liegenden stilistischen Veränderungen innerhalb 
des gesamten Entwicklungskomplexes der deut- 
schen spätgotischen Bildhauerkunst sein. 
Der persönliche Stil Kaschauers muß vor allern 
als Ganzes ins Auge gefaßt werden. Das Auf- 
fallendste, das ihn prägt, ist seine ausgespro- 
chene Monumentalität. Durch alle Werke spüren 
wir diesen Drang zur Großfigurigkeit, der einen 
irgendwie an die Antike erinnern mag. Wer ein- 
mal seine Hand in ein Faltental unseres Meisters 
gelegt hat und die Kraft seiner Linienführung 
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g zur Erforschung der deutschen 
'(, der „Dunklen Epoche"
	        
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