A Künstlerprofile
60
Trachtengruppe, 1967, Bronze,
H 35 cm
Vermählung, 1968. Marmor, H 200 cm
Opterstein, 1969. Konglomerat, H
200 cm. Symposien Lindabrunn
Opfersäule, 1970. Granit, H 540 Cm.
Symposien Mauthausen
Opterstein, 1971. Marmor, H 100 cm
Stephan Kamenyeczky
1921 in Kunagata in Ungarn geboren, lernte
Kamenyeczky an der Akademie der bildenden Künste
in Budapest Bildhauerei. 1956 kam er nach dem
ungarischen Aufstand nach Wien, wo er bis 1961
wieder die Akademie besuchte.
Seine Arbeiten der frühen sechziger Jahre zeigen
stark das Herkommen vam Volkskundlichen.
Charakteristisch dafür ist die Bronze „Kapelle", aus
dem Jahre 1964, bei der er Figuren zylinderartig
nebeneinanderreiht, so daß sie an Tatempfühle,
an ge- und beschnilzte Balken, die die Hausgiebel
tragen, an Torbalken und ähnlich gestaltete
Architekturteile erinnern, wie wir sie im Südosten
Europas, besonders auch in Rumänien, finden.
Schon hier fällt ein additives Element auf. Dasselbe
zeigt eine „Trachtengruppe", 1967, nur daß sich
hier iene ovalen Ein- und Ausbuchtungen, die sich
in der „Kapelle" auf die Gesichtspartien und die
Hände beschränken, selbständig machen und in
einer rhythmischen Ordnung den ganzen Körper wie
ein lockeres Muster bedecken. Der Künstler
vergleicht diese Formungen mit den Maschen eines
Hökelmusters, mit den größeren und kleineren
Löchern, die, auch in einem gewissen Rhythmus, iene
Deckerln zeigen, die die ungarischen Mädchen mit
farbigen Fäden umsüumen.
Mit den beiden geschilderten Grundmotiven, der
Stele und dem rhythmisch gegliederten Aus und Ein,
hat Kamenyeczky seinen Formenkanon gefunden,
dem er auch in deniverschiedensten Abwandlungen
und Variationen treu bleibt, wobei wir noch eine
Phase, die sich Ende der sechziger Jahre bemerkbar
macht, berücksichtigen müssen, in der der Künstler,
offenbar durch indische Skulpturen beeinflußt, zu
einer außerordentlich üppigen Ausdrucksweise
kommt. Wülste und polsterartige Gebilde wölben
sich, oft wie von der Last, die auf sie drückt,
zusammengepreßt, aus den Steinen. Schon mit dem
„Pörchen", 1968, deutet sich aber wieder eine
Vereinfachung der Formen an. Der 1969 beim
Symposien Lindabrunn geschaffene „Opferstein"
leitet eine ganze Reihe von Opfersteinen und
Optersüulen ein, die in ihrer Konzeption auf die
stelenartigen Figuren der Gruppe „Kapelle"
zurückführt. Haben schon iene pfahlartig aneinander-
gereihten Gestalten etwas Bollwerkartiges, an eine
Palisade Erinnerndes, so wird eine Arbeit wie die in
Lindabrunn entstandene Skulptur, mit ihren
schießschartenähnlichen Einformungen den Festungs-
charakter noch mehr betonend, zu einem Symbol
der Abwehr und ist - ganz gleich, ab dem Künstler
bewußt oder unbewußt - aus dem Jahrhunderte
währenden Verteidigungskampf der Ungarn gegen
die Türken zu verstehen. Formal immer strenger
werdend, bleibt schließlich ein Turm mit axial
angeordneten Basteien. Die Skulptur wird zum
zweckfreien architektonischen Mal, das zum
Meditations- und Besinnungsobiekt wird.
Daneben scheint aber gerade auch iene Fülle an
Ballungen, die in der indischen Kunst ihren Ursprung
hat, in Kamenyeczkys Werk untergründig weiter-
zugehen, denn die „Vereinigung der Götter",
„Ugor" und zwei neue, wieder mehr dem Figuralen
der menschlichen Gestalt, auch dem Kopfe, der
Büste, sich nühernden Figuratianen zeigen einen
starken Zug in diese Richtung, wenn auch
gewissermaßen mit den architektonischen Werken
korrespondierend, eine starke Komponente zum
Symmetrischen vermerkt werden kann.
So sehen wir in Kamenyeczky, der längst
österreichischer Staatsbürger geworden ist und
dessen Skulpturen vom Unterrichtsministerium, der
Stadt Wien und der niederösterreichischen Landes-
regierung angekauft wurden, einen Künstler, der
sowohl im Kreativen als auch im Essentiellen vom
Osten eine starke Prägung erfuhr und diese in den
mitteleuropäischen Raum weiterträgt.
Alois Vogel