Werkstatt Breitenbrunn. Hauszeichen
Wil Frenken, „gerate m"
Elfe Frenken, Holzreliefs
Wil Frenken, Ein Stuhl Zum Solan-
tisch des Hauses Schlager aus Dra-
senhofen. Aktionsdruck, Reihe Um-
gebungsdrucke, 22. Mai. 1970
Wil Frenken, „Hängende Steine".
Einfahrt des Hauses Frenken und
Ausstellung „Österreichische Kunst
70", Graz
Elfe + Wil Frenken
Ein Sand-, Buch und Baumspieler
Eine vorrangige Stellung im burgenlöndischen
Kulturleben nimmt die bildende Kunst ein, gewachsen
aus einem tradierten Kunsthandwerk und
historischen Produktionsstätten. Das vorerst
fehlende potentielle Publikum für das Kunstschaffen
ließ in dieser Kulturlandschaft ein eigenwilliges,
weil eigenständiges Spannungsfeld zwischen Graz
und Wien entstehen, das sich in vielen Einzel-
initiativen manifestiert. Eines der Beispiele ist die
Werkstatt Breitenbrunn von Elfe und Wil Frenken.
Elfe und Wil Frenken gründeten vor rund drei
Jahren die Galerie und Werkstatt Breitenbrunn,
bestimmt für „mixed media, ausstellungen, bücher,
aulorenstayings, meetings". Ein Besuch in dieser
Werkstatt wird vorgefaßte Vorstellungen umwerfen,
egal wie sie geartet sind. ln einem uralten Bauern-
hof, man findet darin immerhin drei „Rauchkuchln",
bemühen sich die beiden Künstler, das Haus vor
dem Verfall zu retten und in der Folge es auch
bewohnbar und benutzbar zu machen. Und wenn
sich Wil Frenken als „drucker, sandspieler, bücher-
macher, holzarbeiter, baumspieler und steinarbeiter"
bezeichnet, ist dies keine vollzählige Sammlung von
Berufsbezeichnungen. ln diesem Steinkasten mit
verwirrend vielen Räumen, Gängen und verborgenen
Eingängen trifft man die Frenkens immer bei der
Arbeit, und nicht nur bei künstlerischer, sondern an
der Mischmaschine, bei Verputzen oder bei
Zimrnermannsarbeiten. Doß in diesem Aufbau einer
Wohnstätte gleichzeitig und mit derselben
Einstellung auch schöpferische Produktionen laufen,
liegt im Lebensrhythmus dieser Leute.
Und seltsam erscheint, daß die beiden mit ihren
drei Kindern innerhalb der Dorfgemeinschaft keinen
Fremdkörper bilden; man kennt und anerkennt sie.
Verblüffend vor allem ist, daß sich hier aus einem
Nichts langsam ein Zentrum künstlerischer Produk-
tivität entwickelt, das dank des Fehlens völkischer
Tradition im Burgenland keinem Konkurrenzneid
ausgesetzt ist.
Der Werdegang Wil Frenkens ist bezeichnend für
die Aktivitäten der Werkstatt Breitenbrunn. 1935
in Kleve in Deutschland geboren, begann er 1960 mit
Phasendruckreihen, die er ietzt, in verschiedenen
Editionen veröffentlicht, fortsetzt; so etwa eine
Mappe mit Baumdrucken, die eine Querschnitts-
entwicklung eines Baumstammes darstellen, reiz-
voll in der sich natürlich entwickelnden Struktur
der Stammscheiben und in der künstlichen Form-
gebung. Daneben steht gleichberechtigt die Stein-
arbeit, die Edition van Texten, Umgebungsdrucke,
das Sandspiel. Bei der Frankfurter Buchmesse
1970 hatte die Edition der Werkstatt Breitenbrunn
einen eigenen Stand, auf dem sie ihre „lch-Bücher"
und „Baumdrucke" vorstellte. Die Verbundenheit
mit den künstlerischen und literarischen Traditionen,
dokumentiert auch in einer romantischen Einstellung
zu den Existenzgrundlagen, zeigt sich im
verbreitetsten Büchlein der Edition Breitenbrunn, das
von einem Stuttgarter Kleinslverlag im Offset-
verfahren gedruckt wurde. „3 Ridl 3 Radl - Model
8 Spruch aus dem Burgenland" enthält das
Formenrepertoire der einheimischen Lebzelter und
Wachszieher, verbunden mit Kinderreimen und
Bauernsprüchen, deren „Poesie, Witz und hinter-
gründiger Ernst" über die nur volkskundliche
Relevanz dieses Büchleins hinausführen.
Die Möglichkeiten der Werkstatt Breitenbrunn
ließen sich vorerst nur andeutungsweise skizzieren,
am Beispiel der Veranstaltungen, die von einigen
tausend Besuchern im Jahr miterlebt werden. Was
im steirischen Kulturgefüge nicht mehr möglich
scheint, das gelang den Frenkens in Breitenbrunn:
Die Weiterführung der in lokalen Traditionen
gewachsenen Produktionen in eine neue Begriffs-
welt des Schöpferischen als Ausgleich für die
verschiedenartigsten Zwänge, die aus der
Gesellschaft erwachsen. Aus diesem günstigen
Zusammenspiel der Kräfte wächst iedenfalls ein
vielversprechendes Zentrum einer neuen Begegnung
zwischen dem unbelasteten Volkstümlichen und dem
Aufbrechen zeitgenössischen Kunstschaffens.
Manfred Mixner