Dorotheum
KUNSTABTEILUNG WIEN l., DOROTHEERGASSE 11,
Tel. 52 3129
599. Kunstauktion
20.. 21., 22. und 23. lVlärz 1973
Gemälde alter und moderner Meister. Graphik.
Skulpturen und Holzarbeiten, antikes Mobiliar,
Antiquitäten, Asiatika. Waffen
Besichtigung: 15.,16.,17., 18. und 19. lVlärz 1973
Für den Kunstsammler
Kunst des Jugendstils
als internationale Wertanlage
Zu den interessantesten Phänomenen, die nach dem
zweiten Weltkrieg in der Kunstwelt zu beobachten
sind, gehört die Rehabilitierung des Stils der
Jahrhundertwende. Mit einem Verabredungswort
haben wir uns heute angewöhnt, diese Zeitperiode
Sezession, Jugendstil oder auch Art Nouveau zu
nennen. Vieles Zu- und sicherlich auch manches
Unzutreffende ist seither über den Jugendstil gesagt
und geschrieben worden. So ist es beispielsweise -
historisch gesehen - völlig unrichtig, wenn man aus
rein modisch bedingten Gründen im Jugendstil -
das Wort bietet sich dazu förmlich an - heute den
Stil der damaligen Jugend sehen möchte. Dies
entspricht keineswegs den Tatsachen. Der Jugendstil
war vielmehr ganz bewußt der Stil der Selektion,
er gab sich hoch-esoterisch, ia hoch-exklusiv. Mit
einer sogenannten Massenkunst hatte er ursprünglich
nicht das geringste zu tun. In unübersehbarem
Gegensatz etwa zu der gar nicht immer gleich-
rangigen Kunst des Biedermeiers, welche uns nahezu
komplett überliefert zu sein scheint, ist kaum iemals
eine Periode der bildenden Kunst bewußt so
dezimiert worden, als es gerade beim Jugendstil
der Fall war. Dies macht sich selbstverständlich
heute bei der Neubewertung der Jugendstilkunst
entsprechend bemerkbar. Erstrangige Kunst des
Jugendstils ist heute selten geworden, für
ausgefallene Stücke werden Liebhaberpreise bezahlt,
die häufig die Preisgestaltung für Werke älterer
Kunst bei weitem übertreffen. Warum geriet der
Jugendstil schon sehr bald - und zwar schon
zeitgenössisch - in Verruf, synonym mit „schlechter"
Kunst zu sein? Dieser an sich unbegründete Vorwurf
hängt sicherlich mit dem Umstand zusammen, daß
das damals industriell hergestellte Massenerzeugnis
die vorzügliche Qualität des von Künstlerhand
gestalteten Werkes verdeckte bzw. nur vermindert
zur Geltung brachte. Jenes war wohlfeil und fand -
in schlechter Qualität - unbegrenzt Eingang in das
bürgerliche Heim. Stücke erstrangiger Qualität
waren für den gewöhnlichen Sterblichen in den
meisten Fällen einfach unerschwinglich. Es ist sogar
zu vermuten, daß er hochrangige Werke dieses
Stils vielfach überhaupt nie zu Gesicht bekam.
Einige Beispiele, die auch soziologisch interessant
sind, aus Vergangenheit und Gegenwart mögen
dies auf ihre Art und Weise erläutern.
lm Badischen Landesmuseum in Karlsruhe befindet
sich unter den Werken aus der Sammlung Waeckel
eine Tiffany-Schreibtischlampe (63 H, 41 cm Durch-
messer). Es ist eine sogenannte „Wisteria"-Lampe,
benannt nach dem gleichnamigen Baum. Sie geht
auf einen Entwurf von Mrs. Curtil Freshel zurück.
Wie in der Literatur nachzulesen ist, wurde das ab
1904 hergestellte Modell in verschiedenen Größen
ausgeführt, und zwar von einem Durchmesser van
17,8 bis zu 92 cm. Der höchste Preis für eine
derartige Lampe betrug damals f. 750.-, was einer
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