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Die Entfaltung der Renaissancekunst in Öster-
reich vollzog sich in mehreren Etappen. Die erste
Welle, die sogenannte Friihrenaissance, setzte
mit dem Humanismus am Hofe Kaiser Maximi-
lians l. um 1500 ein und währte bis 1520-1530.
Während in den wissenschaftlichen und literari-
schen Disziplinen in diesen Jahren der Um-
schwung vom Mittelalter zur Neuzeit radikal
vollzogen wurde, mußten sich Kunst und Kunst-
handwerk noch mit den beharrenden Tendenzen
der Spätgotik auseinandersetzen. Die ästheti-
schen Elemente der Renaissancekunst waren vor-
wiegend aus den graphischen Vorlagen der
Architektur- und Musterbücher sowie der Orna-
mentstiche übernommen worden. Sie gewannen
erst im sogenannten reinen Stil der Jahre bis
T560 ihre ausschließliche Gültigkeit. In dieser
Etappe waren aber weniger die einheimischen
Künstler und Kunsthandwerker von Bedeutung
als vielmehr die italienischen, die vom Süden
zuwanderten oder vom Landesfürsten und den
adeligen Herren ins Land berufen wurden.
Dominierten in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts die Malerei und die Skulptur, so ging
die Führung in der Spötrenaissance, die sich ab
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1560 bis T620 ausbreitete und in der die Stil-
elemente des Manierismus, einer bereits über
ganz Europa verbreiteten Abart der Renaissance,
wirksam wurden, an die Baukunst und das
Kunsthandwerk. Die von Deutschland auch in die
österreichischen Erblande eingedrungene Refor-
mation setzte mit ihrer Bildfeindlichkeit der
malerischen Entwicklung frühzeitig ein Ende. Die
sogenannte „Danauschule" fand keine Nach-
folge. Diese große Malerschule, die in den
Städten des Donautales von Regensburg bis
Wien beheimatet war, hatte mit der Entdeckung
der Landschaft und des Zaubers der Natur den
entscheidenden Schritt von der Spötgotik zur
Neuzeit vollzogen. In den Porträts sowie den
religiösen und profanen Historienbildern nah-
men die Schilderungen der heimatlichen Land-
schaft, die Wiedergabe von Bergen und Wöl-
dern, der Töler und Seen einen breiten Raum
ein. Das Leben der Heiligen, die frommen Le-
genden, wurden aktualisiert und ganz gegen-
wärtig wiedergegeben und überzeugten durch
ihre im Volks- und Brauchtum verwurzelte Ur-
sprünglichkeit und Frömmigkeit.
Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts standen alle