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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 127)

Bruno Thomas 
Die Galerie Franz Ferdinand 
der kaiserlichen Waffen- 
sammlung in der Neuen 
Burg: Hofjagdkammer der 
Kaiser Ferdinand ll. und lll. 
(1619-1657) 
Die alten, wie man so sagt: „organisch" gewach- 
senen Armerien, Rüstkammern, Cabinets d'Armes 
der Dynasten Europas, unter denen die der 
österreichischen Habsburger nicht nur die größte 
und umfassendste, sondern auch die bestdoku- 
mentierte darstellt, sind aus ursprünglich ge- 
l 
üblichen ritterlichen Sportarten (Urformen und 
Vorbilder der entsprechenden Leibesiibiingen 
unserer demokratischen Ära) ausgestattet und 
ausgerüstet war. 
Was war im "I6. Jahrhundert das vornehmste 
Geschenk unter Fürsten? Der Harnisch, in dem 
sich Kaiser und Könige porträtieren ließen, den 
Helm vor sich auf den Tisch gestellt, den Degen, 
Symbol der Freiheit und zugleich Schutzverpflich- 
tung, an der Seite. Seine Kostbarkeit, sein Her- 
stellungswert waren außerordentlich hoch, so 
wie heute sein Preis auf dem Kunstmarkt astro- 
namische Höhen erreicht - besser: erreichen 
würde, wäre auch nur ein Angebot zu verzeich- 
nen. 
Was trat im 17. und "I8. Jahrhundert an die 
Stelle des Harnisches, als die Pulverwaffe ihn 
chronologisch durchgeordnet (darin ist sie 
einzige ihrer Art in der Welt), führt sie 
frühen zwölf Söle im Ringstraßentrakt 
Neuen Burg als „Leibrüstkammer: etwa 
bis T620", ihre drei Abteilungen in der Säu 
galerie in der Bel Etage des zentralen H 
kreisbaues der Neuen Burg als „Hofiagdk 
mer: etwa 1620 bis 1920". Diese Prachth 
wird durch zwei zu ihr hinaufführende Stieg 
häuser in drei große Räume unterteilt, die 
weils das historisch geordnete Waffengut n 
rerer habsburgischer, später habsburg-lotf 
gischer Herrscher und Prinzen in zeitlicher l 
einanderfolge bis zum Ende der österre 
schen Monarchie i. J. 1918 enthalten. 
Das erste Drittel der Säulengalerie, die „ 
lerie Franz Ferdinand", benannt nach dem 
Waa- 
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eng  
lttyl- 
trennt in verschiedenen „Kammern" aufbe- 
wahrten Beständen zusammengefaßt, die seit 
alters her auch unter verschiedener getrennter 
Verwaltung standen. 
Dies ist ganz natürlich und durchaus verständ- 
lich. Der Wappen- und Rüstmeister (ursprünglich 
Waffenschmied, schöpferischer Meister seines 
Handwerks, Kenner, schließlich Verwalter sei- 
ner Gegenstandskategorie, nicht selten durch 
Adelung ausgezeichnet), der Stclllmeister (der 
nicht nur für die Roßausrüstung verantwortlich 
war, sondern mit dem Raßharnisch auch für den 
Mannsharnisch seines fürstlichen Herrn, der 
außerhalb des Hauses nur beritten in Erschei- 
nung trat und treten konnte), der Jägermeister, 
der Falkenmeister - sie alle verwalteten Teile 
dessen, womit ihr oberster Gebieter in Krieg und 
Frieden, zu Feierlichkeiten und zu ieder der 
10 
verdrängte, ihm den Garaus machte, als er 
unnütz wurde? Das Gewehr und die Pistole, 
bevorzugtes diplomatisches Geschenk unter fürst- 
lichen Männern, die Scheibenbüchse, die Jagd- 
waffe, die dem Landesherrn in Ausübung des 
nur ihm zustehenden Jagdregals diente, und die 
in hochwertigster Ausführung, technisch perfekt 
ebenso wie künstlerisch erlesen, mitsamt ihrem 
Zubehör Eindruck auf die gesamte Zuseherschaft 
machen sollte. 
Es gibt im 16. Jahrhundert gewiß auch bereits 
eine effektvolle, edle Jagdteuerwatfe. Und es 
gibt im 17. Jahrhundert noch gelegentlich Har- 
nische, die von Stilbewußtsein zeugen. Aber der 
Schwerpunkt hat sich eben entsprechend ver- 
lagert. 
Die Wiener Waftensammlung trägt dieser welt- 
geschichtlichen Wandlung Rechnung. Streng 
Kaiser Franz Joseph l. i. J.-1906 mit der l 
führung der Neuen Burg betrauten, 1914 err 
deten Erzherzog-Thronfolger, vereint die 
terlassenschoft der beiden Kaiser Ferdinani 
(15781161911637) und Ferdinand lll. (160811 
1657) und der in ihrer Regierungszeit (1619-1 
gleichzeitig lebenden und wirkenden Verwa 
schaft. Es handelt sich, stilgeschichtlich und ki 
historisch gesehen, um die Periode des fri. 
Barock, in Frankreich etwa entsprechend 
style Louis Xlll., in den Niederlanden der a 
luten Hochblüte ihrer barocken Malerei. 
Diese Zeitspanne von rund 1620 bis 1660 ist 
füllt und gekennzeichnet von den Schrecken 
Dreißigiährigen Krieges (1618-1648), von di 
Nachwirkungen sich unser Kulturraum nur ll 
sam erholt, und von der ständig droher 
Türkengefahr andererseits. Der Ernst des da
	        
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