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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 127)

Kurt Rossacher 
Die Kunst, 
mit der Kunst zu leben 
Nicht vom Kunstsammeln, vom sorgfältigen Auf- 
bau einer Spezialkallektion, soll hier die Rede 
sein; auch nicht von ienen „Kunstfreunden", die 
ohne eigene Beziehung Kunstwerke nur erwer- 
ben, um ihrem Ambiente für den Besucher 
repräsentative Wirkung zu verleihen, um Kultur 
vorzutöuschen; am allerwenigsten aber von je- 
nen Ansammlern, die lediglich ihr Geld in 
werterhaltenden Valoren anlegen wollen. Wir 
wollen van jenem eigenständig künstlerischen 
Streben sprechen, sich mit Kunstwerken zu um- 
geben, die man erlebnishaft geistig vollkommen 
erworben hat; von ienem „Gesamtkunstwerk" 
soll die Rede sein, das im Milieu des Kunstfreun- 
des entstehen kann und aus welchem die Per- 
sönlichkeit des Besitzers, die kulturhistorische 
Eigenart seiner Epoche, ihre ldeale und soziolo- 
gischen Bezüge sichtbar werden (wobei durchaus 
auch gesundes Werkdenken mitspielen darf). 
War im Barock das Sammeln und der Umgang 
mit Kunst noch vorwiegend dem Adel und dem 
hohen Klerus vorbehalten, so tritt der Dritte 
Stand, das Bürgertum, am Ende des 1B. Jahr- 
hunderts in der Zeit des Merkantilismus, der 
Aufklärung und des Klassizismus stärker als 
Kunstkonsument in Erscheinung. Die Beziehung 
zur Kunst war zur Zeit der Klassik und Romantik 
allerdings weniger sinnlich als bildungsbezogen. 
Die Kultur wurzelte im Literarischen. Im Mittel- 
punkt des Interesses standen die Zeugnisse und 
Stätten der Antike und deren Reproduktionen, 
erstmalig aber auch die Kunst des Mittelalters, 
der Gotik. 
Das Kunstinteresse des fortschreitenden 19. Jahr- 
hunderts war von den Bedürfnissen des kapitali- 
stischen Großbürgertums geprägt. Die Kunst des 
Van Dyck und Rubens entsprach vor allem dem 
1 Der Wohlstand der franzisko-iosephischen Epo- 
che ließ innerhalb des Großbürgertums zahlreiche 
Sammlungen entstehen. Die umfassendste war 
die des Dr. Albert Figdor (1843-1927), der in sei- 
ner Wiener Wohnung, Löwelstraße 8, tausende 
von Obiekten aus allen Sparten und aus allen 
Zeiten, vorwiegend Kunstgewerbe, hortete. 
Um seine Person bildete sich ein Kreis von 
ebenso leidenschaftlichen Sammlern wie er 
selbst, die sogenannte „Figdar-Runde", die bei 
regelmäßigen Zusammenküntten ihre Erwerbun- 
gen und Erfahrungen austauschten. Schon mit 
26 Jahren streifte Figdor bei kleinen Trödlern 
umher, „um sich mit dem gekauften ,Kram' eine 
Zimmerecke altertümlich einzurichten". So die 
Briefklage der Mutter A. Figdors. 
Philantrop, hochherziger Förderer der Wissen- 
schaften liebte Figdor vor allem Obiekte aus 
Holz, Metall u. ä., also die „warmen" Dinge, 
die gleicherweise durch den sich damit ausstat- 
tenden Menschen sowie durch die natürliche 
Lichteinwirkung, Farbe und Flair erhielten. 
2 Aus der Nachlaßauktian Dr, A. Figdors, die Ver- 
steigerung eines Bildteppichs „Gerichtsszene", 
Tournai, 2. Hälfte 15. Jahrhundert, der nach dem 
Ausruf von S 200.000.- binnen zwei Minuten auf 
S 700.000.- schnellte und dem Direktor des Ko- 
penhagener Museums zugeschlagen wurde. 
3 1739 gelangte die Burg Kreuzenstein an das 
rötliche Haus Wilczek. Aus der Reihe dieses 
eschlechtes kam der bedeutendste Sammler in- 
nerhalb der österreichischen Aristokratie im 19. 
Jahrhundert, Hans Graf Wilczek (1837-1922). 
Den Zeittendenzen des Historismus folgend, ließ 
er die Ruine Kreuzenstein zu einem mittelalter- 
lichen Schloßbau, z. T. mit originalen Bauteilen, 
die aus der ganzen Monarchie stammten, aus- 
bauen und trug hier alles zusammen, was ihn 
seine Sammelleidenschaft erreichen ließ. Schloß 
und die Kunstschätze seiner Sammlung waren 
eineeinmalige Sehenswürdigkeit, die man aus- 
ländischen Staatsbesuchern zeigte, so auch dem 
26. Präsidenten der Vereinigten Staaten Th. 
Roosevelt (1858-1919). 
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