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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 127)

I Aktuelles Kunstgeschehen, Wien 
 
Galerie Schottenring 
K. F. Dahmen 
Seit gut zwei Jahrzehnten zählt K. F. Dahmen zu 
den führenden Malern der Bundesrepublik. Die mit 
24 Montage- und Obiektbildern sowie einer Serie 
von Farbradierungen relativ umfassende Ausstellung 
der Galerie Sdiottenring stellte den 1917 in Stalberg 
bei Aachen geborenen Künstler erstmals 
repräsentativ in Österreich vor. Die einzelgängeri- 
sche Leistung Dahmens, die vor allem im Werk 
der letzten fünf Jahre zu fixieren wäre, verlangt 
freilich vom Betrachter ein gehöries Maß an 
Einfühlungsvermögen und Unvoreingenommenheit 
gegenüber den Ansprüchen und Folgerungen einer 
spröden und dialektischen Ästhetik. Dahmens 
Entwicklung vom lnformel über diverse Möglich- 
keiten der Collage und des Materialbildes geschah 
bis herauf zu den sehr konzentriert und überlegt 
wirkenden Montage- und Obiektbildern unter 
ständiger Erweiterung spezifisch eingesetzter bild- 
nerischer Mittel. Den Großteil der verwendeten 
Materialien stellen heute Fund- und Abfallgegen- 
stände dar, die der an der Münchener Kunst- 
akademie eine Klasse für Malerei leitende 
Künstler seiner unmittelbaren Umgebung entnimmt. 
Waren dies um 1960 die Haldenlandschaften und 
Schrotthaufen des Rhein-Ruhr-Gebietes, so sind es 
heute der bayrische Chiemgau und seine Relikte 
bäuerlichen Brauchtums, die auf Dahmen stimulie- 
rend wirken. Der Landschaft als geistiger Bezugs- 
ebene kommt dabei besondere Bedeutung zu. 
Dahmens „Obiektschreine" und „Polsterbilder" 
verbinden in ihrer assoziationsgeladenen, wenn 
auch zurückhaltenden, verschlüsselten Sprache 
Sensibilität und Manumentalität im Sinne einer 
neuen „landschaftlichen lkonographie" (R. G. 
Dienst) (6. 2-24. 3. 1973) - (Abb. 1). 
Galerie nächst St. Stephan 
Johannes Molzohn 
Eine verdienstvolle Retrospektive im Sinne 
historischen Nachholbedarfes, durch die der 1892 
geborene, schon um 1912 mit Schlemmer, ltten und 
Willi Baumeister in Kontakt gestandene Deutsche an 
Hand von 40 Exponaten (sie stammten aus den 
Jahren 1916 bis 1953) ausreichend informativ 
präsentiert wurde. Molzohn, der die Kriegs- und 
unmittelbare Nachkriegszeit in den USA verbrachte, 
stellte 1917 in Berlin bei Herwarth Walden aus, war 
an der Gründung des Bauhauses in Weimar aktiv 
beteiligt, publizierte wiederholt im „Sturm" und 
wurde 1928 als Professor an die Akademie in 
Breslau berufen. Sein Werk spiegelt bis zu einem 
gewissen Grad alle wichtien Stile und Tendenzen 
der klassischen Moderne: um 1917 den von Molzohn 
so benannten „Geometrisierenden Jugendstil", 
Futurismus und Kubismus, Fortführungen des 
Expressionismus und neuartige Möglichkeiten einer 
lyrisch-konstruktiv bestimmten Raumsymbolik, die 
nicht zuletzt auch in Korrespondenz zum technischen 
Fortschritt zu sehen und zu deuten wäre. Trotz 
dieser hier keineswegs erschöpfend genannten 
Einflußsphären gelangen Molzohn immer wieder 
höchst eigenständige Formulierungen, die gerade im 
Vergleich zu anderen als Synthese bestimmter 
Tendenzen innerhalb der europäischen Kunst 
Seltenheitswert besitzen. Molzohn starb 1965 in 
Berlin. Ein Jahr zuvor veranstaltete das Wilhelm- 
Lehmbruck-Museum Duisburg die bisher größte 
Retrospektive (16. 1.-17. 2. 1973) - (Abb. 2). 
Galerie in der Blutgasse 
Elfriede Trautner 
Die Linzerin Elfriede Trautner zählt zu den Stillen im 
Lande. Konstant kannte man während der letzten 
Jahre beobachten, wie zielführend sie die Möglich- 
keiten der Kaltnadelradierung im Sinne persönlicher 
Profilierung weiterentwickelte. Die künstlerische und 
technische Spannweite ihrer in kleinsten Auflagen 
gehaltenen Blätter ist groß, Trautners Engagement 
am Menschen echt und von sensiblem Maß, das 
ohne Effekthascherei und alles Laute auskommt. In 
ihrer zitathaft benutzten Bildersprache überzeugen 
emotionsgeladene Unmittelbarkeit und Poesie. El- 
friede Trautner bemüht nicht die üblichen Klischees 
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einer Schwarzweißmalerei, an der viele der 
sogenannten „Engagierten" scheitern, sondern 
formuliert in allgemeiner gehaltenen, verbindlicheren 
Gleichnissen. Ihre Aussage gewinnt dadurch an 
Substanz, die über den thematischen und 
inhaltlidwen Anloß hinaus auch innerhalb der subtil 
geniitzten Technik zu fixieren ist. Eine Ausstellung, 
mit der Trautner der Durchbruch zur Spitze öster- 
reichisdter Druckgraphik gelungen ist (19. 2.-10. 3. 
1973) - (Abb. 3). 
Galerie Klewan 
C. L. Attersee 
Die schräg gegenüber der Kunstabteilung des 
Dorotheums befindliche Galerie zählt zu den 
iüngslen Wiens. Dies zumindest im Hinblick auf das 
neue Ausstellungsprogramm, das einerseits auf 
Jugendstil und Konstruktivismus, zum anderen 
iedoch mit deutlichem Schwerpunkt auf die un- 
mittelbare österreichische Moderne ausgerichtet ist. 
„Reiseskizzen", Zeichnungen und Gouachen aus 
1972, zeigte C. L. Attersee zur Jahreswende. Eine 
einfallsreiche Kollektion, davon vieles im Strich 
rasanter und spannungsgeladener als früher. Seine 
persiflierende Umwelt- und Konsumkritik entbehrt 
nicht erotischer Anzüglichkeiten, bezieht den Kitsch 
als Ausdrucksmittel ein und bedient sich folge- 
richtig auch seiner Elemente und Attribute. (Dies im 
Sinne eines modernen Kubin und nicht in den 
vergröbernden Klisdwees der amerikanischen Pop- 
Art.) Dabei geht der Selfmademan mit Esprit vor 
und bevorzugt eindeutig graphisch-zeichnerische 
gegenüber malerischen Möglichkeiten. Ein 
Kabarettist und Kleinkünstler, dem Zeichnung und 
Gouache als Exerzierfelder für Pointen dienen, 
deren Selbstironie und Offenheit wohl nicht nur 
iene verunsichert, die es in und außerhalb sport- 
und modebewußter Snobiety eigentlich angeht 
(5. 12. 1972-27. 1. 1973) - (Abb. 4). 
Galerie in der Dommayergasse 
Realismus 
Start einer neuen Galerie innerhalb einer Agentur 
für Photomodelle mit einer thematischen Zusam- 
menfassung, die als Fortsetzung und anregender 
Vergleich zur voriährigen Ausstellung „Realismus 
heute" der Galerie Schottenring beurteilt werden 
kann. Die Künstler - durchweg Österreicher und 
Bundesdeutsche - gehören bis auf eine Ausnahme 
der Nachkriegsgeneration an. Ihre Namen: Man- 
fred Deix, Ulrich Gansert, Fritz Hechelmann, 
Gottfried Helnwein und Robert Schöller. lhr 
handwerkliches Können gibt durch die Bank eine 
solide Grundlage ab. Inwieweit es freilich allen 
gelingen dürfte, innerhalb der gewählten 
Terrains und über die Realismus-Made hinaus 
entwicklungstähige, persönlich geprägte 
künstlerische Verbindlichkeit zu erreichen, bleibt 
vorläufig noch Gegenstand von Spekulationen. 
Eine interessante Schau eines begrüßenswerten 
Hietzinger Unternehmens, das weder Nobel- noch 
Underground-Galerie sein will (14.12. 1972-31. 1. 
1973) - (Abb. 5). 
Künstlerhaus-Galerie 
H. Mayr, Narbutt-Lieven, Skubic, Spurey, 
Stiegler 
Die Gründung einer neuen Sektion mit einer 
Gruppenschau der Genannten und der Zielsetzung, 
angewandte Kunst, experimentelle Photographie 
und Camputergraphik als gleichberechtigte 
Konkurrenten zur sogenannten freien Malerei, 
Graphik und Plastik dem Künstlerhaus und seinen 
Bestrebungen hinsichtlich einer zeitgemäßen 
Strukturerweiterung zu integrieren (14. 2.-11. 3. 
1973) - (Abb. 6). 
Galerie am Graben 
„angewandte kunst der gegenwart" 
Optimolere Ausstellungsmöglichkeiten in der 
Wiener City lassen sich kaum realisieren: am 
Graben 7 hat Frau lnge Asenboum knapp vor 
Weihnachten eine neue Galerie eröffnet, die in 
zwei Etagen geschickt genützter Ausstellungsfläche 
einen qualitätvollen Querschnitt dessen vermittelte, 
was Österreichs Kunsthandwerk in seiner progressi- 
ven Spitze zu bieten hat. Von Franz Josef Altenburg 
bis Waltraud Viehböck reichte die Skala von 
insgesamt achtzehn, durchweg prominenten und 
vielfach auch international durchgesetzten 
Designer-Namen. Eine repräsentative Neugründung, 
die in ihrer überlegten Schwerpunktbildung (Art 
Nouveau und moderne angewandte Kunst) eine 
deutliche Abgrenzung zu anderen Wiener Kunst- 
handelsbestrebungen darstellt (Dezember 1972 bis 
Jänner 1973) - (Abb. 7). 
Galerie auf der Stubenbastei 
Peter Kubovsky 
Das künstlerische Resultat seiner Streifzüge durch 
die Seinemetropole stellte der Linzer Peter 
Kubovsky in vierzig ausgewählten Federzeichnungen 
vor. Das ergab eine geschlossen wirkende 
Kollektive, mit der Kubovsky nachdrücklich seine 
Fähigkeiten als einer unserer besten und sensibel- 
sten Landschafts- und Vedutenzeichner unterstrich. 
Reizvoll und immer wieder neu: die vorgenomme- 
nen graphischen Akzente, Strichbiindel, Andeutun- 
gen, Zusammenballungen und Auflösungen, die 
unter Einbezug versdiiedenster Perspektiven und 
Stimmungen als Kampfansage gegen die bei 
derartigen Suiets drohende Routine zu werten sind 
(6. 2-3. 3. 1973) - (Abb. 8). 
Galerie in der Passage 
Ernst Zdrahal 
Eine neue Serie erfolgreich weiterentwickelter 
Farbcallagen, die in Fortsetzung und Abwandlung 
der amerikanisch-englischen Pop-Art stilistisch 
anzugliedern ist. Der 1944 geborene Wiener be- 
dient sich einer verschlüsselten, wenn auch 
plakativen Form der Gesellschaftskritik, die über 
die Klischees von Mode und Konsum Situation und 
Verhalten des heutigen Menschen beleuchtet 
(27. 2-25. 3. 1973) - (Abb. 9). 
Galerie Gras 
Helmut Zobl 
H. Zobl, 1941 in Salzburg geborener Medoilleur, 
dessen im Voriahr als Multiple herausgebrachter 
„Welttaler" einiges Aufsehen erregte, konfrontierte 
mit neuen Prägungen zum Thema „Mensch und 
Weltbild". Ebenso wie in den zumeist in Silber 
oder Bronze im Handprägeverfahren hergestellten 
„Landschaftlichen Reflexionen" gelang Zobl auch 
hier eine abwechslungsreiche, künstlerisch 
weitestgehend überzeugende Weiterführung einer 
von Vokabular und Technik her bemerkenswerten, 
impulsgebenden Umsetzung (12. 1.-17. 2. 1973) - 
(Abb. 10). 
Pressehaus-Galerie 
Josef Bromer 
Ölbilder und Zeichnungen (1970-1972) des 1948 
geborenen Hausner-Schülers, ausgew"hlt von 
Karlheinz Roschitz, dem für diese initiative Galerie 
im Wiener Pressezentrum verantwortlichen 
künstlerischen Leiter. Bromer ist ein exzellenter 
Könner, mit Gefühl für Bildstimmungen und eine 
leicht verfremdende Poesie, der nicht nur in 
technischer Hinsicht manchen prominenteren 
Kollegen übertrifft (November-Dezember 1972) - 
(Abb. n). 
Galerie sur terrain 
Franz Anton Coufal 
Porträts und Landschaften, zahlreiche mit Verve und 
graphischem Esprit spontan zu Papier gebrachte 
qualitätvolle Zeichnungen und Skizzen, mit denen 
der bekannte niederösterreichische Bildhauer seine 
Vielseitigkeit auf einem Gebiet unterstrich, dem er 
sich in Zukunft stärker widmen sollte (Jänner bis 
Februar 1973) - (Abb. 12). 
Peter Baum
	        
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