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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 129)

schaften mit allerlei Getier. Diese vorher meist 
aus Zucker- und Backwerk gestalteten Aufbau- 
ten werden im 16. und 17. Jahrhundert durch ein 
Uhrwerk „belebt". Die Thematik der Figuren, 
der Tafelautomaten, lehnt sich unmittelbar an 
die von der Konditorei gestalteten Figuren und 
Bilder an. Im 18. Jahrhundert werden die me- 
chanischen Tischdekoratianen und Trinkspiele 
von den großen Tafelaufsätzen aus Porzellan, 
das eben erfunden war, abgelöst, das - und 
damit wird die Tradition sichtbar - immer nach 
der Hofkonditorei unterstellt bleibt. 
Die stets bewunderte eiserne Fliege des Regio- 
montan, die seine Gäste umflag, und sein Adler, 
der in die Lüfte stieg und danach wieder zu ihm 
zurückkehrte, gehören mit dem, allerdings mo- 
numentalen „Männleinlaufen" zu den frühesten 
Automaten in Nürnberg. Ob man aus Bewunde- 
rung für Fliege und Adler übertrieb, versucht 
schon 1707 eine Arbeit in Altdorf zu untersuchen, 
die die Quellen zusammenstellt, die von Auto- 
maten berichten und die alle auf die fliegende 
hölzerne Taube des Archytas von Tarent (370 
v. Chr.) Bezug nehmen. Vielleicht war der Adler 
ein Heißluftdrachen, wie er auch beim Durchzug 
Kaiser Karls V. in München hochgestiegen war. 
Kircher berichtet von einem solchen Drachen 
„lra Dei", den Jesuiten in die Luft steigen ließen 
und dadurch die Barbaren, die sie gefangen- 
gesetzt hatten, so erschreckten, daß sie wieder 
freigelassen wurden. 
Die arabischen Schriften über Automaten waren 
nie ins Deutsche übersetzt worden. Jedoch wur- 
den die Wunder dieser Automaten in vielen 
Reisebeschreibungen hoch gerühmt. Heron wurde 
über Kircher und durch ihn über Harsdörffer in 
Deutschland bekannt. Sicher haben außer den 
Traktaten die Automaten selbst zum Nachbau 
und zu Erweiterungen angeregt. So wird in den 
Akten des Mathematisch-Physikalischen Salons in 
Dresden ein Manuskript bewahrt, in dem der 
Nürnberger Goldschmied Johann Christoph 
Herbst, der sich 1647 in Dresden aufhielt, singen- 
de Vögel und andere Heronische Werke be- 
schrieb, die er „mit Eigener handt ab Gerissen 
und abgeschrieben wie esz dar zu sehen ist", das 
heißt die ihm unmittelbar vor Augen gestanden 
haben müssen. Dabei ist interessant zu sehen, 
wer sich mit Automaten beschäftigte, nicht nur 
Uhrmadwer und Mechaniker, sondern auch Gold- 
schmiede. 
Die Automaten waren alsa nicht der zunftmaßi- 
gen Begrenzung eines einzigen Handwerks unter- 
warfen. Vielleicht liegt darin die Begründung, 
daß sie sehr selten signiert sind. Neben den 
Uhrmachern und Goldschmieden bauten eben- 
falls Kunstschlasser Automaten, sie hatten ia 
auch nach nach der Gründung der Uhrmacher- 
zunft das Recht, Uhren herzustellen. So konstru- 
ierte der Schlosser Caspar Werner (gest. 1545 
in Nürnberg) ein Schiff von 3h Ellen Länge, das 
mit Hilfe kleiner Räder auf dem Tisch rollte. 
ln ihm saß ein Mädchen, das mit beiden Händen 
auf ein Zimbal schlug, ein Kind ruderte am Bug 
des Schiffes, und ein Cupido am Heck zielte mit 
gespanntem Bogen und schoß nach einem Tafeln- 
den seinen Pfeil ab. Dieser schiffsförmige Tafel- 
aufsatz hat eine vielfache Tradition. Er ist aus 
sakralem Bereich als „ex voto"- und Weihrauch- 
schiffchen bekannt, als Behälter von Eßbesteck 
in profanen und als Schwimmer von Wasseruh- 
ren in technischen Bereichen. Dieser Tafelaufsatz 
findet sich an den Höfen von Wien und Dresden. 
Unser Sdwiff, das möglicherweise von Hans 
Schlottheim geschaffen ist - von ihm ist bekannt, 
daß er eine Galeere fertigte -, rollt auf dem 
Tisch, die Kurfürsten ziehen am Kaiser vorbei, 
der sein Haupt neigt und die Hand mit dem Zep- 
ter hebt, die Trompeter blasen, und die Kanonen 
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