. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Dr. Wilhelm Mrazek - 60. Geburtstag
Am 21. Juli 1973 beging der Direktor des Öster-
reichischen Museums für angewandte Kunst, Wirkl.
Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek, seinen 60. Geburts-
tag. In Wien geboren, studierte er an der Wiener
Universität Kunstgeschichte und klassische Archäo-
logie bei den Professoren Grimschitz, Oettinger,
Sedlmayr und Praschniker. Nach der Teilnahme am
zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945 und schwerer
Verwundung promovierte er im Jahre 1947 mit einer
Arbeit über inhaltliche Probleme der barocken
Deckenmalerei. Diese Arbeit, mit der er das Augen-
merk der wissenschaftlichen Welt auf eine verges-
sene Disziplin der Barockzeit lenkte, erschien dann
im Jahre 1953 zum Teil in den Sitzungsberichten der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter
dem Titel „lkonologie der barocken Deckenmalerei".
Sie war Anlaß, ihn im Jahre 1956 an das Zentral-
institut für Kunstgeschichte in München zu berufen,
wo er den „Index zur Dokumentation der barocken
Deckenmalerei" einrichtete. Seit 1947 am Üsterrei-
chischen Museum für angewandte Kunst tätig, wurde
er im Jahre 1968 dessen Direktor. In diesen Jahren
erschienen zahlreiche Beiträge zur Geschichte der
alten und modernen Kunst in den einschlägigen
Fachzeitschriften sowie in der Zeitschrift „alte und
moderne kunst", deren Mitbegründer er im Jahre
1956 gewesen ist und der er seither als wissenschaft-
licher Berater, Redakteur und schließlich Chefredak-
teur angehörte. Mrazek ist Mitglied des Kunstbei-
rates der Stadt Wien sowie zahlreicher Jurien und
war auch mehrmals österreichischer Kommissär für
die Biennalen in Sao Paulo und Venedig sowie für
die Triennale in Mailand. Im Jahre 1968 erhielt er
die Venia legendi für mittlere und neuere Kunst-
geschichte und wurde zum Honorarprofessor an der
Salzburger Universität ernannt. Für sein Wirken im
Rahmen des Wiener Geisteslebens erhielt er im
Jahre 1971 den Preis der Stadt Wien für Geistes-
wissenschaften. Eine Bibliographie seiner wissen-
schaftlichen Arbeiten umfaßt mehr als 200 Beiträge
- Vorworte, Kataloge, Essays und Publikationen in
Buchform zu allgemeinen Themen sowie zu solchen
aus seinen Spezialgebieten Porzellan, Keramik und
Glas, altes und modernes österreichisches Kunst-
gewerbe sowie Symbolik, Allegorik und lkonologie
der Barockzeit.
56
Finnland 1900 - Finnischer Jugendstil
Malerei, Architektur, Kunstgewerbe
Neues Haus, Ausstellungshalle
Wien 1, Weiskirchnerstraße 3
24. Mai bis 22. Juli 1973
lmmer noch Faszination des Jugendstils! Ein
Phänomen, das als letzter Stil, von England aus-
gehend, Europa erfaßt und permanent Made ge-
worden, bis ins Heute spielt. Vielgesichtig in allen
seinen Auswirkungen und Erscheinungen.
Signifikanteste Charakteristika in den Metropolen
Europas, Metrostatianen in Paris, Fassaden,
Gitter. Oft erbitterter Kampf um Erhaltung
besonderer Beispiele, siehe die Bauten und Stadt-
bahnstationen Otto Wagners in Wien, Stadthäuser,
Villen, Geschäftsadaptierungen. Kaum aber war
dem Mitteleuropöer etwas bekannt von einem
„Finnischen Jugendstil". Das sollte eine Ausstellung
ändern, die, nach Nürnberg, nun hier in Wien zu
sehen war. Schon die Eröffnung noch glanzvoller
als die der „Welt der Wikinger". Anwesend
Bundespräsident Franz Jonas, der Ministerpräsi-
dent der Republik Finnland, Kalevi Sorsa, Bundes-
kanzler Dr. Bruno Kreisky, die zuständigen
Ressortminister Finnlands und Österreichs, Frau
Dr. Mariatta Väänänen und Frau Dr. Hertha
Firnberg, und im Gefolge zahlreiche Prominenz des
öffentlichen und kulturellen Lebens. Wohl-
temperierte Fraternisation zweier gleichsinniger
Völker auf kultureller Ebene. Zur Ausstellung selber.
Konträr der dunklen „Welt der Wikinger"
präsentierte sich die finnische Exposition hell und
tagbelichtet. Klare Teilung im Ausstellungshallen-
geviert; Malerei an den Wänden, Architektur in
Dokumentationsfotos an mobilen Scherwänden, das
Kunstgewerbe in Vitrinen und niedrigen Aufsätzen.
Der erste Eindruck läßt vieles Vertraute erkennen.
Vor allem in den Architekturen stärkste Affinitäten
und Bezüge zu heimischen Größen wie Wagner,
Loos. Gleiches Formenvokabular, gleiche Ur-
sprünge und Tendenzen. Man stellt wieder einmal
fest, daß die Architektur deutlichster Träger eines
Stils oder einer Epoche ist. Und die finnische
Architektur um 1900 besticht durch geradlinig-
quadrige, romantische, strengornamentierte
Monumentalität. Ein finnisches Palais Stoclet in
naturbelossener Form in bezug auf eine Synthese
von Architektur, Ausstattung und Kunstgewerbe
dokumentiert Hyittväsk, mehrere Dezennien hindurch
Zentralisationspunkt finnischen Kunstlebens. Stärker
noch dem Aufbruch zur finnischen Nation nach
schwedischer und russischer Okkupierung verhaftet
ist die Malerei Finnlands um die Jahrhundertwende.
Die Maler flüchten fernwehvertröumt in die kareli-
schen Wälder, um uralte Vergangenheiten mit
lyrischem Sentiment neu zu beleben. Stärkster
Symbolismus, Aufkeimen des Symposiongedankens
und damit Verbindung und Zusammenhalt aller
Kunstgattungen dominiert Malerei wie Kunst-
gewerbe. Basis all dessen die Kalevala, eine in
finnischer Sprache abgefaßte Sammlung von Helden-
erzählungen. Um 1860 mußte die finnische Sprache
als Nationalsprache erst wieder bewußt gemacht
werden, und in der Landschaft Kareliens vermeinte
man spezifisch finnische Kulturformen gefunden zu
haben. Künstlern schien es daher modern, daselbst
die Ursprünglichkeit von Natur und Mensch aufzu-
spüren. Hieraus resultiert eben die neuromantische
Bewegung des „Karelianismus". Dieses Zurück-zur-
Natur spiegelt sich naturgegeben besonders in der
Malerei wider, die vom Mythischen wie Melancho-
lisch-Düsteren und Schwermütigen bestimmt und
getragen ist. Klare Formen, technikbeherrscht in
wohlabgestimmtem Kolorit das Kunstgewerbe. Texti-
lien, z. T. ostasiatisch abgeleitet, Keramik, Mobiliar in
dunklen, schweren Formen, unverkennbar im
Charakter der Ursprünge eines Mack lntosh. Eine
reiche Exposition, zwar kaum vergleichbar mit der
„Welt der Wikinger", ist sie, diese zweite große
Schau aus Skandinavien im heurigen Jahr, deshalb
von großer Bedeutung, weil sie die starken
Parallelitäten und Ausformungen des Jugendstils
Mitteleuropas bis hinauf in den hierin bisher
unbekannten finnischen Bereich feststellen läßt.
Daß das Publikum diesmal nicht gleich in Scharen
heranlief, sollten Erfolg und Bedeutung der Schau
des finnischen Jugendstils nicht schmälern
(Abb. 1-3).
Lobmeyr 1823-1973
150 Jahre österreichische Glaskunst
Altes Haus, Galerie und Eitelbergersaal
Wien 1, Stubenring 5
14. 6. bis 22. 7. 1973
(Verlängert bis 31. 8. 1973)
Mit dieser Ausstellung wird keines von den heute
schon so üblichen, zum Teil durch manipulierte
Anlässe bedingten Jubiläen begangen. Hier
dokumentiert ein der Bedeutung und Wertschätzung
nach weltweit bekanntes Haus, das Glas ver-
arbeitet, Zeugnisse eines erregenden Kapitels der
Geschichte des Glases. Die Schau, obzwar ein
bißchen eingezwcingt auf engem Raum, gibt auf
Anhieb ein im wahrsten Sinne glänzendes Spiegel-
bild des Historismus. Das Österreichische Museum
kann mit Recht für sich in Anspruch nhmen, dem
Lobmeyrschen Unternehmen entscheidende Anre-
gungen in wichtigen Phasen seiner Entwicklung
gegeben zu haben. An der Reform wie der nach
1850 beispielsweise, So erklärt sich auch die
allerengste Bindung beider Institutionen von
Anfang an. Und man verfolgt staunend und fast
ergriffen die historischen Aufzeichnungen und
Urkunden der Firmengeschichte. Verweilt vor
Entwürfen großer Namen, wie Hansen, Storck,
Schmidt. Später Hoffmann, Loos, Strnad. Steht vor
den kostbaren Produkten der amorphen Materie
Glas, die unter der Begriffssumme wie dem
Schleifen und Meißeln, Bemalen, Ätzen und
Gravieren, Sandbestrahlen und Diamantstippen
seine Bearbeitung verstanden wissen sein will. Man
registriert demonstrative Marksteine in den Annalen
des Hauses Lobmeyr, wie: 1835 das Burgservice
(Entwurf Lobmeyr Senior) - 1862 Teilnahme auf der
zweiten Londoner Weltausstellung - 1873 auf der
Wiener Weltausstellung - 1876 die Geburt des
legendären Stefan Rath und gleichzeitig Teilnahme
der Weltausstellung in Philadelphia (Special
Aword)-1878 Teilnahme auf der Pariser Welt-
ausstellung und weiterhin Beteiligung an allen
bedeutenden Ausstellungen Europas und in Über-
see, vor allem aber die Leistungsschauen im
Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. Es
war daher dem Direktor des Hauses, Hofrat Prof.
Dr. Wilhelm Mrazek, ein echtes Anliegen, wie auch
ienes der heutigen Herren des Hauses Lobmeyr,
Harold, Peter und Stephan Rath, in einer
entscheidenden Phase eines Neubeginns nach 150
Jahren Firmengeschichte wieder zusammenzufinden,
um die gute alte Verbindung mit neuem Blut
aufzufrischen. Was hier als Glanz eines Zeitalters
besticht, ist in Wahrheit nicht nur die Demonstration
einer stolzen Vergangenheit, sondern eher ein
Sichtbarmachen einer vielfältigen Tätigkeit, deren
Geschichte mit Herzblut geschrieben wurde. Inten-
sivstes Engagement eines Unternehmens, seiner
Chefs und unzählbarer Mitarbeiter, die mit un-
geheurem Eifer und Produktionsfleiß zur Ehre
Österreichs in aller Welt entscheidend beitrugen.
Und wenn heute in der New Yorker Metropolitan
Opera oder in Moskau oder sonslwo in einer
großen Stadt dieser Welt das Haus Lobmeyr mit
Musterbeispielen heutiger Glosmadierkunst
Österreichs Ansehen neuerdings hebt, so kann man
dem Unternehmen unter der neuen Trias der Herren
Roth für morgen nur Gutes voraussagen. Häuser wie
das Haus Lobmeyr sind „glänzendste Aushänge-
schilder Österreichs" (Abb. 4-61.
Diplome 73
Ausstellung der Hochschule für
angewandte Kunst
Altes Haus, Säulenhof
Wien 1, Stubenring 5
15. 6. bis 1. 7. 1973
Diesmal zeigte im Säulenhof - im Gegensatz zum
Voriahr in der Ausstellungshalle des Neuen
Hauses - die Hochschule für angewandte Kunst
die Abschlußarbeiten der heurigen Diplomanden.
Seine Mognifizenz Professor Carl Unger unter-
strich einmal mehr vor erstaunlich geringer Presse