und 17. Jahrhunderts ist die Verbindung persi-
scher mit indischen Traditionen. Diese beiden
Elemente sind aber sowohl ihrer Entstehung
wie ihrer religiösen Einstellung und damit ihrem
künstlerischen Ausdruck nach einander sehr ent-
gegengesetzt. Das Verbinden- und Vermischen-
Wollen ist kein zufälliges Ergebnis der histori-
schen Situation einer Zwischenstellung der Mo-
gule gewesen, sondern es bestand zweifellos der
Versuch, aus der Verbindung der Gegensätze zu
einer eigenständigen Kunstform zu gelangen.
Ein sichtbares Zeichen für iene Bestrebungen, die
über die Kunst hinaus für alle Bereiche geltend
wurden, ist das Taleranzedikt Akbars aus dem
Jahre 1579 für alle Religionen und sein, wie
Glück es nennt, „tragischer Versuch" einer Misch-
religion, des „Din i llahi". So finden wir in den
Werken der Mogulkunst persische Elemente
gleichsam als Grundlage, wie auch das Persische
die Hofsprache immer blieb, aber verbunden mit
der Absicht, das Indische aufzunehmen und da-
durch eigentlich eine indische Kunst und Kultur in
neuer Form entstehen zu lassen. Diese neue Kunst-
form fand zunächst und vornehmlich in der Male-
rei - und hier wieder in der Buchmalerei - über-
zeugend Gestalt. Die persische Malerei der vor-
ausgehenden Zeit ist typisierend, theoretisierend,
dekorativ und flächig. Die indische dagegen na-
turalistisch, räumlich, individualisierend und vital.
Es war schwierig, diese miteinander zu verbinden,
doch ihr Resultat ist ein Stil von hoherOriginalität.
lm ausgehenden 16. Jahrhundert entstanden am
Hofe der Kaiser Humayun und Akbar eine Reihe
von höchst bedeutenden Handschriften. Schon
Babur, der Begründer der Dynastie, hatte Herat
zu einer Zeit besucht, da diese Stadt als Welt-
zentrum islamischer Kunst und Literatur aner-
kannt war, sein Sohn Humayun nahm in Persien
Kontakt mit großen und bedeutenden Hofmalern
auf, und Akbar schließlich ließ seinen Hof zum
Zentrum einer hohen Kunst werden. Von den bei
ihnen beschäftigten Malern sind uns allein l50
namentlich bekannt. Es waren diese Künstler var-
nehmlich zur Herstellung einer riesigen Bibliothek
beschäftigt; Akbar ließ sich von seinen Kalligra-
phen und Malern sämtliche bedeutende persische
und indische Handschriften aller Zeiten kopieren,
es wurde eine immense Parträtsammlung in Alben
angelegt sowie riesige illustrierte Chroniken von
Akbars Regierung hergestellt.
Der Stil der Bilder des Hamza-Romans, im gan-
zen gesehen, hat einen persischen Ausgangs-
punkt, ist aber doch keinesfalls als rein persisch
zu bezeichnen. Die Handschrift stammt nach
Glück aus einer Zeit des „Sammelns der Kräfte".
Sie ist das Werk einer Hofkunst, die aber eben
die Absicht hatte, Kräfte zu sammeln und durch
die Mischung verschiedener Elemente etwas
Neues hervorzubringen. Dazu kommt, wie bei
iedem Werk einer Hofkunst, daß die Persönlich-
keit des Auftraggebers, sei dieser nun Humayun
oder Akbar gewesen, entscheidenden Einfluß auf
die Bildung des Werkes hatte.
Wie erwähnt, war Humayun mit persischen Ma-
lern in enger persönlicher Verbindung gestan-
den, Akbar hatte selbst in seiner Jugend Mal-
unterricht genommen und pflegte die Arbeit sei-
ner Künstler wöchentlich zu überprüfen. Die Ma-
ler waren lediglich ausführende Organe derWün-
sche ihrer Herren,deren wesentlichste Intention es
war, eine ideale Form einer Verbindung des Per-
sischen mit dem lndischen herzustellen.
So läßt sich an den Bildern des Homza-Romanes
auch im einzelnen diese Mischung feststellen: So
dramatisch das dargestellte Geschehen auch in
seiner Erzählung ist, so sehr sind typisierte Vor-
lagen für die einzelnen Szenen maßgebend.
Einzelne Teile dieser Szenen aber werden trotz
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aller Typisierung individualisiert und dramati-
siert. Nach dem zeigt die Gesamtkomposition
der einzelnen Bilder eine gewisse Flächenhaftig-
keit in der Umbildung des Räumlichen durch
einen Blick von oben. In diese flächenhafte
Räumlichkeit aber sind die Figuren normal von
der Seite gesehen hineingezeichnet. Das gibt für
iedes Bild verschiedene Standpunkte und den
Mangel einer Fluchtpunktkomposition; zeigt doch
aber das Bestreben, die einzelnen Szenen in
Unmittelbarkeit wiederzugeben. im ganzen er-
gibt sich bei den meisten Bildern eine stark
dekorative Wirkung, die aber durch Einzeldra-
matisierungen, durch das Bestreben nach Indivi-
dualisierung einzelner Figuren sowie durch
genrehafte Details aufgelöst wird. Manche land-
schaftliche Elemente, wie Bäume und Blumen,
zeigen das Durchdringen des indischen Natur-
gefühls, dagegen sind andere Elemente, wie
Felsen und Berge, typisiert. Bei aller Freude an
dem Schildern von Einzelheiten handelt es sich
aber in keinem Bild um die unmittelbare natur-
getreue Wiedergabe einer Situation, sondern
immer wieder um die Übernahme eines vorge-
gebenen Typus.
Die Figuren und ihre Kleidungen zeigen iene
Tracht, die am Hofe Akbars gebräuchlich war.
Auch darin ist die Mischung zwischen lndischem
und Persischem bereits gegeben.
Dazu noch weitere Einzelheiten: Die Darstellung
der Pferde entstammt den persischen Miniaturen
und sicherlich nicht der Naturbeobachtung. Die
Elefanten aber, die indischen Tiere der unmittel-
baren Umgebung, wie auch die Kamele, sind
weit mehr einer Naturbeobachtung angeglichen.
Der einmal vorkommende Drache dagegen ent-
stammt einem ostasiatischen Vorbild. Andere
Tiere können in der Miniaturtradition sogar bis
zu sassanidischen Silberschüsseln zurückverfolgt
werden. Dagegen entstammen die Bilder van
Affen der unmittelbaren Beobachtung der Natur.
ln manchen Einzelheiten, wie zum Beispiel bei
der Darstellung besonderer Kunstflüge von Vö-
geln, wird genrehafte Naturbeobachtung mit-
hineingezogen.
Die Details der Innenräume,dieTeppiche,die Ge-
fäße und Geräte, Waffen und Schmuck sind alle
so abgebildet,wie sie am Hofe Akbars in Verwen-
dung standen, und doch zeigt kein einziges Bild
einer Architektur ein tatsächlich vorhandenes Ge-
bäude. Bühnenhaft schematisiert mit Versatzstük-
ken, teilweise auch nach vorne aufgeklappt, ge-
ben sie den räumlichen Rahmen der Szenen.
Durch die große Zahl der Bilder, die ia nicht
als Einzelwerke, sondern im Zusammenhang der
großen Menge wie ein dichter Fries gedacht
sind, ist aber auch die Auflockerung der Vorlage-
typen in einer möglichst großen Variation not-
wendig gewesen und dadurch die Neuerfindung
von Typen, die die alten Typen durchbrechen.
In allem gesehen, geht es um den „Übergang
aus einer typisierten Vorstellungswelt zur sinnli-
chen Beobachtung äußerer Erscheinungen"
(Glück), und darin liegt die große Bedeutung des
Werkes. Künstlerisch gesehen von hervorragen-
der Qualität, lebendig und illustrativ, zeigt es
die kulturelle Voraussetzung, die im Persischen
gelegen war, aber auch die fruchtbare Aufnahme
der indischen Überlieferungen. Das Werk stellt
einen Höhepunkt der Kunst der Mogulkaiser dar,
aber auch den Ausgangspunkt für die weitere
Entwicklung im 17. Jahrhundert, in der das
Persische immer mehr abnimmt und der indische
Naturalismus im Steigen ist. Allerdings zeigen
die späteren Werke weniger Lebendigkeit im
lllustrativen, beschränken sich mehr auf Einzel-
figuren und noturalistische Landschaftsbilder und
öffnen sich über den indischen Naturalismus hin-
aus immer mehr dem Einfluß von Europa.