Unter den ersten Bauten, mit denen Josef Hoff-
mann in den Jahren 1902-1903 in Wien Auf-
sehen erregte, befanden sich auch die Villen
seiner Künstlerfreunde Kolo Moser und Carl
Moll. Im Jahre 1906 bezog dann Carl Moll ein
neues Haus in der Wollergasse in Döbling, das
in der Literatur als Haus Moll ll bekannt ist.
Nach Carl Molls Tod im Jahre 1945 erlitt dieser
Bau zahlreiche Veränderungen, so daß seine
ursprüngliche Gestalt kaum mehr zu erkennen
war. Erst der neue Besitzer, ein begeisterter
Sammler des Wiener Jugendstils um die Jahr-
hundertwende, betraute dann Architekt Prof.
Erich Boltenstern mit der Aufgabe, den ur-
sprünglichen Zustand wiederherzustellen und
lieferte damit ein äußerst schätzenswertes Bei-
spiel einer zeitgenössischen Anerkennung der
architektonischen Konzeption Josef Hoffmanns.
Im folgenden berichtet Prof. Boltenstern über
die Maßnahmen, die notwendig waren, um
dieses eher bescheidene Haus in seinen einstigen
Zustand zurückzuversetzen. Mit diesem Auftrag
eines engagierten Besitzers und der Realisie-
rung durch einen hervorragenden Architekten
im Geiste Josef Hoffmanns wurde für Wien ein
Bauwerk aus einer Glanzzeit der österreichi-
schen Architektur gerettet. I
Am 23. März 1971 erteilte mir der Bauherr des
Hauses Wollergasse 10, das Josef Hoffmann für
den Maler Carl Moll um die Jahrhundertwende
errichtet hatte, den schriftlichen Auftrag zur
Renovierung desselben. Dieser Brief enthält
folgenden Satz: „Soweit wie überhaupt nur
möglich, jedoch ohne den Zubau abzufragen,
sollte der Charakter des ursprünglichen Hoff-
mann-Hauses wiederhergestellt bzw. erhalten
werden. Dies bezieht sich nicht nur auf die
Fassade, sondern auch auf Türen und Fenster."
Es ist dies die Einstellung eines Bauherrn, wie
sie heute selten zu finden ist und die es er-
möglichte, ein denkmalwürdiges Haus, das der
Bauherr in einem sehr verwahrlosten und ver-
bauten Zustand übernommen hatte, wieder zu
neuem Leben zu erwecken.
Das Haus war ursprünglich als Einfamilienhaus
erbaut worden. Im Erdgeschoß befand sich ein
Iönglicher Wohnraum, der von der Straßenseite
bis zum Garten reichte und eine Veranda vor-
gelagert hatte. Der Wohnraum lag auf der lin-
ken Seite eines Vorraumes, der in der Mitte
zum Stiegenaufgang führte und auf dessen
rechter Seite die Küche lag.
Die Stiege war um vier Pfeiler angelegt, die vom
Parterre bis zum Dachgeschoß reichten und in
der Mitte einen durchgehenden Freiraum hatte.
Im ersten Stock waren Schlafräume und Bade-
zimmer untergebracht. lm Dachgeschoß befand
sich ein großes Atelier mit einem Nordfenster.
Durch Einbeziehung der Dachschrögen war eine
sehr lebendige Raumform entstanden, die mit
ihren verschiedenen Höhen und Verschneidun-
gen sehr abwechslungsreich wirkte.
Nach dem Tode von Carl Moll im Jahre 1945
wurde das Haus geteilt und von zwei Parteien
bewohnt, die eine Reihe von Einbauten vornoh-
men, die die ursprünglichen Ideen Hoffmanns
weitgehend zerstörten. Im Erdgeschoß wurde
der große Wohnraum mehrfach unterteilt, und
vor oIIem wurden in den schönen Stiegenraum-
Besenkammern und Abstellräume eingefügt, die
den Raumeindruck völlig auslöschten.
Im Äußeren war an der Gassenseite die ur-
sprüngliche Form noch erkennbar, in dem turm-
artigen Eckbau war im I. Stock ein Fenster aus-
gebrochen worden, das ohne [ede Beziehung zu
den übrigen Fenstern der Fassade stand.
An der Gartenseite waren dem ursprünglich
sehr einfachen Baukörper noch unter Moll Zu-
bauten angefügt worden, nach 1945 waren ein-
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