hard saß und auch urkundete", nie Fuß fassen
können - gegen Eberhard und dessen Anhänger
mit Androhung von Kirchenstrafen verging, ließ
Eberhard durch den Generalvikar und Offizial
Johannes von Reisberg" beim päpstlichen Stuhle
appellieren": 1. habe sich Berthold seine Ver-
setzung (von Freising nach Salzburg) beim Papst
erschlichen; 2. sei Salzburg eine Regularkirche,
Berthold aber Weltgeistlicher, daher könne er
de iure nicht dahin versetzt werden, und 3. hät-
ten sich Kapitel, Prälaten, Klerus, Vasallen, Bür-
ger und die anderen Untertanen bereits gegen
Berthold und für Eberhard ausgesprochen. Am
13. Jänner 1406 endlich widerrief Papst Inno-
zenz Vll." die Verfügung seines Vorgängers
Bonifaz IX., versetzte Berthold nach Freising zu-
rück und verlieh an Eberhard von Neuhaus, der
schon seinerzeit trotz des päpstlichen Vorbehal-
tes vom Domkapitel zum Erzbischof gewählt
worden war, unter Kassation dieser Wahl das
Erzstift.
Nicht unwichtig scheint in diesem Zusammenhang
die Tatsache zu sein", daß Papst Innozenz Vll.
(Cosma de' Migliorati) selbst durch einen vom
König von Neapel, Ladislaus von Aniou, geför-
derten Aufstand der Römer 1405 gezwungen
worden war, nach Viterbo zu fliehen, und erst
im darauffolgenden Jahr nadn Rom zurückkeh-
ren konnte. Auch hatte er sich während seiner
Regierungszeit gegen den Gegenpapst Bene-
dikt (Pedro de Luna) zu behaupten, der erst
1409 durch das Konzil von Pisa und nochmals
1417 durch das Konzil von Konstanz als „Häre-
tiker und Schismatiker" abgesetzt wurde.
An der Skulpturengruppe des Salzburger Dom-
museums ist nicht zu übersehen, daß die Schul-
tern des Bischofs durch einen Teil des zu ihm
herüberreichenden Mantels des Papstes bedeckt
werden. Diese „rubea cappa" des Papstes" be-
ziehungsweise die Bekleidung damit ist beson-
ders dafür wichtig, den rechtmäßigen Antritt
des Amtes gewiß zu machen. Auch in der
abendländischen Kaiserkrönung war die Umhül-
lung mit dern Mantel wesentlicher Bestandteil
des Rechtsaktes des Krönungszeremoniells. Da-
bei nahm der Papst den „Electus" unter seinen
Mantel als Zeichen der Berufung zum Amt und
auch der Annahme des Amtes durch den Ge-
wählten. Würde man also etwa die Salzburger
Skulpturengruppe als eine „Ehrenstatue", als
ein „Erinnerungsdenkmal" für die rechtmäßige
Investitur von Erzbischof Eberhard durch Papst
Innozenz Vll. betrachten, wäre daraus auch die
sonst ungewöhnliche Tatsache erklärt, daß hier
ein Bischof als Rongniedriger rechts vom Rang-
höheren thront.
Zu der an der Skulpturengruppe des Salzburger
Dommuseums weiter auffälligen Tatsache, daß
durch den Gestus der Hände das auf den Knien
liegende Buch so betont wird - daß nicht etwa
die Übergabe des Palliums oder eine Segens-
gestik dargestellt wurde -, schafft ein Streit um
die Besetzung der Stadtpfarre zu Salzburg Klar-
heit. Am 13. Juni 1364" investierte der Salzbur-
ger Erzbischof Ortolf van Weißeneck den Dom-
herrn Reichgar von Rottau" mit der Stadtpfarre
zu Salzburg, während aber durch Papst Inno-
zenz Vl. bereits Bernhard von Losenstein" pro-
vidiert gewesen war. In dem daraus resultie-
renden Streit stellte Reichgar von Rottau aus-
drücklich festi", daß die Investitur eindeutig und
richtig erfolgt sei, und zwar „per librum, ut mo-
ris est".
Auf Grund aller dieser Überlegungen scheint es
mir doch möglich, für die ikonographische Be-
schreibung dieser Skulpturengruppe des Salz-
burger Dommuseums folgende Annahme zur
Diskussion zu stellen: Der rechtmäßig regieren-
de Papst Innozenz Vll. investiert rechtmäßig den
22
gewählten Eberhard von Neuhaus zum Erzbi-
schaf von Salzburg. Das Thronen der beiden ist
Ausdruck der rechtmäßigen Machtvollkommen-
heit beider, die Umhüllung mit dem Mantel ist
das Zeichen der Berufung zum Amt und der
Annahme dieses Amtes durch den Gewählten;
auch erfolgte die Investitur durch den Papst
oder dessen Beauftragten mit der Übergabe des
liturgischen Buches, so „wie es Sitte ist". Wahr-
scheinlich waren auch am Sockel - wie es bei
den päpstlichen Ehrenstatuen üblich war - die
(geschnitzten) Wappen der beiden Dargestellten
angebradwt gewesen.
Auch sind gewandhaltende kleine Engel auf mit-
telalterlichen oder neuzeitlichen Ehrenstatuen
die legitimen Nachfolger antiker Eraten. So
kann angenommen werden, daß man im Akt der
rechtmäßigen Verleihung des Salzburger Erz-
stiftes an Eberhard von Neuhaus, der dann bis
1427 regierte, durch Papst Innozenz Vll., dem
so viele Kämpfe vorausgegangen waren, ein
ganz bedeutendes staatspolitisches Ereignis sah
und daß zur Erinnerung an dieses Ereignis
diese „Ehrenstatue" geschaffen worden ist.
Nun würde aber diese Thematik einer „Kathe-
dralplastik" doch einen Aufstellungsort an einer
monumentalen Stelle einer Bischofskirche und
nicht in einer Vikariatskirche - Wagrain wurde
erst 1857 zur Pfarre erhoben - eines kleinen
Gebirgsdorfes bedingen. Zum einen war die
Skulpturengruppe vor 1892 wie einige andere
ältere Skulpturen auch in der heutigen Wagrai-
ner Pfarrkirche vorhanden, da sie zu diesem
Zeitpunkt „in zweiter Verwendung" der rneogo-
tischen Einrichtung zugesellt wurden. Zum ande-
ren ist zu bedenken, daß Wagrain als Patron
der Kirche den heiligen Rupert hat, der auch
Bistumsgründer und Patron der Salzburger Diö-
zese ist. In Verbindung mit dem heiligen Virgil,
einem von Ruperts Nachfolgern und dem Er-
bauer des ersten Domes, war Rupert auch in
den Außenskulpturen des Hochaltares von 1764
(mit der Madonna in der Mitte) dargestellt,
was auf eine ältere Bildtradition schließen lößt.
Zum dritten schließlich waren es gerade Mit-
glieder des Salzburger Kapuzinerklosters, die
immer wieder im ersten Viertel des 17. Jahr-
hunderts, besonders in den Jahren 1613114",
in dem fast ganz protestantischen Wagrain eifrig
Miss'onen hielten. Das durch Wolf Dietrich von
Raitenau gegründete Salzburger Kapuzinerkla-
ster am lmberg war nicht zuletzt auf Grund der
Ordensregel dankbarer Abnehmer für „altvate-
rische" und daher billige oder gar geschenkte
Einrichtungsgegenstände aus dem 1602103 durch
diesen Erzbischof abgebrochenen mittelalterli-
chen Dambau; als Beispiel möge nur der erst
vor einem Jahrzehnt entdeckte hochgotische Kru-
zifix (nun auch im Dommuseum) oder die pracht-
vollen spätgotischen Portaltüren an der Kloster-
kirche dienen. So würde also an die Möglichkeit
zu denken sein, daß über das Salzburger Kapu-
zinerkloster unsere Skulpturengruppe als „Petrus
und Rupert" und als gegenrefarmatorisches Zei-
chen nach Wagrain gelangte, letztlich aber doch
aus dem Salzburger Dorn stammte.
Und hier im mittelalterlichen Salzburger Dom-
bau war eine Anbringung der „Ehrenstatue"
durchaus am Platze, und zwar wohl einzig und
allein in der sogenannten Annakapelle", dem
nördlichen Querhaus. Hier, vor dem Annenaltar,
befand sich das Hochgrab des Eberhard von
Neuhaus, hier stiftete er für den Annenaltar
am 4. April 1411 eine tägliche Messe und am
5. Jänner 1417 einen ewigen Jahrtag, hier ließ
Eberhard auch das neue „Sacramentshäußl" er-
richten, wie aus der Urkunde vom 2. Dezem-
ber 1411" hervorgeht. Vielleicht bringen im Gang
befindliche Arbeiten zur archivalisdlen Erschlie-
ßung der Inneneinrichtung des mittelalterlichen
Salzburger Domes" noch weitere Aufschlüsse.
Zusammenfassend darf aber gesagt werden, daß
für die Annahme einer „Ehrenstatue" für Papst
Innozenz Vll. und Erzbischof Eberhard von Salz-
burg und ihre ehemalige Aufstellung in der
Annenkopelle des Domes zu Salzburg viele Tat-
sachen sprechen würden.
Anmerkungen 11-37 (Anm. 11-23 s. Text S. 211
" Abbildun in; Hans Weigert, Gotische Plastik in Europa,
Frankfurt Main, 1962, S. 179.
"Jahn Pape-Hennessy, ltalian Gathic Sculpture, London,
1955, Tafel 63.
" Jahn Pope-Hennessy, a. a. O., S. 204.
"Werner Hager, Die Ehrenstatuen der Päpste, Diss. Univ.
Basel 1927 : Band 7 der Römischen Forschungen, hrsg.
van der Bibliotheca Hertziana, Leipzig, 1929, S. .
" H. Möbius, Über Form und Bedeutun der sitzenden
Gestalt in der Kunst des Orients und er Griechen, in:
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Institutes
Athen, 41, 1916 (Berlin, 1927), Heft 3.
"Percy Ernst Schramm, Das Herrscherbild in der Kunst
des frühen Mittelalters, in: Vorträge der Bibliothek
Warburg, 192203, Leipzi , 1924.
"Hans Wagner und Her ert Klein, Salzburgs Damherrn
van 1300 bis 1514 (im folgenden zitiert „Domherrn"),
in: MGSLK, 92, 1952, S. 1-81, hier Nr. 116 auf S. 63.
"Dazu und auch zum folgenden: Hans Widmann, Ge-
schichte Salzbur s, ll, 1909, S. 205-208.
1' Damherr, a. a. ., S. 42-43, Nr. 66.
"Alfred Wretschko, Zur Frage der Besetzung des erz-
bischätlichen Stuhles in Salzburg im Mittelalter, in:
MGSLK, 47, 1907, S. 189-303.
1' Widmann, a. a. O., S. 205-208.
n Hubert Strzewitzek, Die Sippenbeziehun en der Freisin-
gerzßäsctiöfe im Mittelalter, München, 1 38, hier S. 239
is 4 .
13 Regesl bei Wretschka, a. a. O.
1' Wir wissen aus den zwisdlen 1403 und uns ausgestell-
ten Urkunden, daß der „erwählte" Eberhard von Neu-
haus während dieser ganzen Zeit in Salzburg regierte
und auch, wie aus der in Anm. 27 genannten Bulle von
Inndozenz Vll. hervorgeht, „sein Redlt mit Waffen ver-
tei i te".
ßDom errn, a. a. O., S. 57-58, Nr. 103; war 1429-1441
Erzbischof.
" Orig.-Urk. im HHStA Wien.
1' Orig.-Urk. im HHStA Wien.
"Lexikon für Theologie und Kirche, 1. Auflage, 5, 1933,
Sp. 414 beziehungsweise 2. Auflage, 5, 1960, Sp. 691.
"Eduard Eichmann, Weihe und Krönung des Papstes im
Mittelalter : Münchener Theolo ische Studien, lll. (Ka-
nanistisdte Abteilung, 1. Band, gtünchen, 1951, S. 33-35.
Ferner: E uard Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abend-
land, 2 Bde, Würzburg, 1942, hier I. S 194
"' Orig-Urk. im HHStA Wien.
" Damherrn, a. a. O., S. 60, Nr. 108.
" Damherrn, a. a. O., S. 37-38, Nr. 55.
1' „Regesta diplamatum ecclesiae Salisburgensis" : Hand-
schrift Böhm Nr. 358 des HHStA Wien; die zitierte Stelle
auf fol. 681.
"Dazu Joseph Dürlinger, Historisch-statistisches Handbuch
von Pongau, Salzburg, 1867, S. 71.
15 Franz Pagitz, Quellenkundlidtes zu den mittelalterlichen
Damen und zum Domkloster in Salzburg, in: MGSLK,
105, 1968, S. 21-156.
1' Alle drei zugehörigen Originalurkunden im HHSIA Wien.
" Franz Wagner, Zu Ausstattung und Einrichtung von
Querhaus, Charus maiar und Chorus minar im spät-
mittelalterlichen Salzburger Dorn; die Arbeit.
F] Unser Autor:
Franz Wagner
Postfach 11
5163 Mattsee