Dorotheum
KUNSTABTEILUNG, WIEN, II]DOROTHEERGASSE11I
Tel. 52 3129
604. Kunstauktion
27., 28., 29. und 30. Mai 1974
Gemälde alter und moderner Meister, Jugendstil.
Graphik, Skulpturen und Holzarbeiten, antikes Mobiliar,
Antiquitäten, Asiatika. Waffen
Wohl eines der be eu endsten Obiekte, die bei
Glückselig ie zur Versteigerun kamen, ist der
sogenannte Strozzi-Schemel. Der Prunksessel, aus
Nußholz mit lntarsia, wurde von Benedetta da
Maiana in Florenz um 1490 entworfen.
Auf drei schrägen, sich nach oben veriüngenden
kantigen Beinen ruht die achteckige Sitzplatte. Die
Rückenlehne, schmal und hoch, ist nach oben aus-
ladend. Alle Teile sind mit Streiten geometrischer
lntarsia geschmückt. Oben trägt die Lehne ein
kreisrundes, von einer Palmette bekröntes
Medaillon, umrahmt van gereihten, durchbrochen
geschnitzten Mandsicheln des Strazzi-Wappens.
Zu beiden Seiten des Medaillons das Wappen der
Strozzi in Reliefschnitzerei, und zwar vorn die
italienische Tartsdie mit einem von drei Halbmonden
belegten Querbalken, Helm mit Decken, darauf ein
Adler mit erhobenen Flügeln; rückwärts in Relief
das Schild allein, mit dem von drei Halbmanden
belegten Querbalken.
Der Stuhl zählt zu den in der Kunstgeschichte am
meisten publizierten Obiekten. So sagt u. a.
H. Stegmann in seinem „Kunst und Kunsthandwerk",
X. Jahrg. 1907, S. 576: „Der sogenannte Strozzi-
Schemel, eine Perle der Sammlung, ein weltbekann-
tes Unikum, ein Meisterwerk von bezauberndem
Reiz, eines der schönsten florentinischen Möbel
überhaupt. Unter der Hand eines Künstlers - wer
möchte nicht gern an einen Benedetto da Maiana
denken? - wird durch seine Fratilierung, ge-
schmackvolle lntarsierung, die herrliche in
,Schiacciata' ausgeführte Schnitzerei des die Lehne
bekrönenden Medaillons, die durch zarte Vergoldung
nach gehoben wird, ein wirkliches Kunstwerk.
Dasselbe ist denn auch im fürstlidien Palazzo
Strozzi durch Jahrhunderte als Familienschatz
betrachtet und behütet worden." Oder F. Schott-
müller macht nachstehende Bemerkung in seinem
Werk „Wahnkultur und Möbel der italienischen
Renaissance", 1921, S. 180: „Die Vorderseite ist eine
vergrößerte Wiederholung vom Revers der
Medaille Niccola Fiarentinos auf Filippa di Mattea
Strozzi (1428-1492), der seit 1489 durch Giuliano da
Maiana den berühmten Familienpalast erbauen
ließ. Der Stuhl könnte aus der Werkstatt desselben
Meisters stammen. Von Dr. Figdor aus dem Palazzo
Strozzi erwarben."
Um den exorbitanten Betrag von 250.000.- Friedens-
schilling wechselte der Sessel (siehe Abb.) den
Besitzer. Der heutige Standort ist leider nicht
bekannt.
W. A. Siedler
Besichtigung: 16.,17.,18., 19., 20., 21., 22., 23.,
24., 25. und 26. Mai 1974
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