Für den Kunstsammler
Franz Windisch-Graetz
Drei Spieltische
lm Jahre 1977 feiert die berühmte Benediktinerabtei
Kremsmünster das i200iährige Jubiläum ihrer Grün-
dung durch Herzog Tassilo von Bayern (748-788).
Zu diesem festlichen Anlaß soll der betreffende
Band der Österreichischen Kunsttapographie
erscheinen, und schon seit geraumer Zeit ist eine
nicht geringe Anzahl von Fachleuten damit be-
schöftigt, die Kunstgeschichte des Klosters zu
schreiben. Dazu gehören nicht nur die Baugeschichte
und die Bearbeitung der verschiedenen Kunstsamm-
lungen, sondern auch die Erfassung der im Kloster
befindlichen umfangreichen Bestände an kunst-
handwerklichen Erzeugnissen aller Art, unter denen
die Möbel einen hervorragenden Platz einnehmen.
Hier bestätigt sich wieder, was bereits in anderem
Zusammenhang festgestellt wurde: daß man näm-
lich, um der Geschichte des Möbels in Österreich
auf die Spur zu kommen, neben den Palästen und
Schlössern auch die Klöster aufsuchen, ia diese
sogar in erster Linie in Betracht ziehen muß, weil
die lnventare der Adelshäuser allzusehr durch
Kriege und Krisen dezimiert wurden. Freilich, wir
kennen die verheerenden Folgen der Säkularisation,
die den Kunstbesitz der betrotfenen Klöster in alle
Winde zerstreute und Unschätzbares vernichtete;
und noch in unserem Jahrhundert haben die
Klosteraufhebungen des nationalsozialistischen Re-
gimes nicht wiedergutzumachenden Schaden ange-
richtet. Aber zum Glück hat die Jasephinische Auf-
hebungswelle Kremsmiinster nicht erreicht, und Über
die von den Nationalsozialisten verfügte Beschlag-
nahme und Enteignung ist das Stift verhältnis-
mäßig glimpflich davongekommen.
Was sich in der ehrwürdigen Abtei an Möbeln
über die Jahrhunderte erhalten hat, ist zahlen- und
qualitätsmäßig so bedeutsam, daß vieles davon für
die Möbelgeschichte hohen exemplarischen Wert
besitzt. Nun ist aber natürlich nicht im entferntesten
daran zu denken, daß alle interessanten Stücke
in der Kunsttopographie abgebildet werden kön-
nen. Um hier Abhilfe zu schaffen und einerseits
dem Freund und Liebhaber schöner Möbel geeig-
netes Studienmaterial an die Hand zu geben,
andererseits die in der europäischen Möbel-
geschichte bisher nur wenig berücksichtigte öster-
reichische Komponente besser ins Bild zu bringen,
sollen in dieser ZeitschriP einige Gruppen von
Beispielen aus Kremsmünster veröffentlicht werden.
Den Anfang machen drei Spieltische, die einen
Typus vertreten, der sich im profanen Bereidi nur
mehr selten vorfindet; sie sind ausschließlich für
Brettspiele bestimmt. Die Bauweise und Einrichtung
ist bei allen im wesentlichen die gleiche: nach Ent-
fernen des Tischblattes, das wie ein Deckel abheb-
bar ist, werden die Spielfelder sichtbar, die den
Boden eines in die Zarge eingefügten Faches bilden.
Der erste Tisch (Abb. 1-3), der für das Trick-Track-
Spiel bestimmt ist, entstand in der Spätphase des
Manierismus, aus dessen Formenschatz die Motive
für die lntarsien entnommen sind: Rallwerk, „Mai-
krüge" und Tierhatzen. Die spiraligen Ornamente,
auf denen die Vögel sitzen, zeigen aber bereits
Ansätze zu einer dem Schweifwerk nahekammenden
Bildung, weshalb das Möbel dem Anfang des
17. Jahrhunderts zuzuschreiben wäre. Es kann kein
Zweifel darüber bestehen, daß auch das Gestell
mit samt den Kapitellen und Basen der Beine, den
Stegen und den Kugelfüßen zur Gänze Original ist.
Für die Furniere verwendete man hauptsächlich
Ahorn- und Eschenholz, für die lntarsien gefärbte
Hölzer und für die Einfassungen das schöne rötliche
Eibenholz. - H 79, L 128, B 7l cm.
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