Franz Windisch-Graetz
Barocke Möbel
aus dem Stift
Kremsmünster
Es hat sich gelohnt, im Rahmen der Kunsttopo-
graphie des Stiftes Kremsmünster den Möbeln
mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als das in
den vorangegangenen Bänden dieser monumen-
talen Publikation geschehen ist. Die Sichtung
der Mobilien, die im Laufe der Zeit dem Stifte
zugewachsen sind, hat ein Ergebnis erbracht,
das eine eingehende Bestandsaufnahme vollauf
rechtfertigt Die Skala der Zweckbestimmung und
des entsprechenden materiellen Aufwandes, der
künstlerischen Form und der handwerklichen
Fertigung reicht von Reprösentationsstücken bis
zum ansprechenden und solide gearbeiteten Ge-
brauchsmöbel. Gerade in dieser zahlenmäßig
größten Gruppe gibt es Beispiele, die dem land-
ldufigen Bild, das man sich üblicherweise vom
österreichischen Barockmöbel macht, weitere,
durchaus als neuartig zu bezeichnende Züge
hinzufügen. Neuartig deshalb, weil die allge-
mein herrschende Vorstellung sich nur auf einige
wenige Typen beschränkt und man für deren
Gestaltung bloß ein ziemlich enges Schema
kennt. Die Wirklichkeit war jedoch eine ganz
andere. Sie war so vielfältig und so wenig uni-
farm wie die Menschen und ihre verschiedenen
Lebensumstönde, aus deren Gegebenheiten die
Möbel entstanden, denen sie angepaßt waren
und denen sie dienten. Der Gewinn, den die
Durchsicht der Kremsmünsterer Bestände für die
Möbelgeschichte erbrachte, besteht also in der
beträchtlichen Erweiterung unseres Wissens über
die Möglichkeiten und Arten der Möblierung und
Einrichtung hierzulande, enger genommen im
oberösterreichischen Kulturraum.
Für ein Land, dessen zusammenfassende Dar-
stellung seiner Möbelgeschichte noch aussteht,
bedeutet die topographische Registrierung des
Vorhandenen die unerlüßliche Materialbeschaf-
fung, die wiederum die Voraussetzung und
Grundlage bildet, um die stilistische Eigenart der
in diesem Lande entwickelten Möbelkunst zu
erkennen und im Vergleich mit den anderen
Ländern richtig beurteilen zu können. In diesem
Sinne erweist sich die Durchsicht des Kremsmün-
sterer Inventars als ein so gewinnbringender
Beitrag, wie er kaum iemals von einer Topo-
graphie erbracht wurde.
Man darf aber nicht in den Fehler verfallen, zu
erwarten, hie: werde sich nun endlich und viel-
16
leicht sogar mühelos die Relation zwischen Ob-
iekt und archivalischem Beleg herstellen lassen,
hier werde in den meisten Fällen über die Person
des Herstellers und über die Entstehungszeit
eindeutige Auskunft zu erhalten sein. Eine solche
Einstellung hieße die Möglichkeiten überfor-
dern. Die Realität sieht anders aus. Wenn sich
dann und wann präzisere lnfarmationen ein-
stellen, so bilden sie stets nur vereinzelte Aus-
nahmen, sind die seltenen Sternstunden im Ver-
lauf der Arbeit, die dann dem Eifer des Nach-
farschens neuen Antrieb geben. Diesen benötigt
man zumal in Kremsmünster. Denn anders als
z. B. im Stift St. Florian, wo eine ähnliche Auf-
gabe zu leisten war' und wo wenigstens für
die großen Aufträge, wie die Einrichtung der
beiden Sakristeien, des Winterchors, des Som-
merrefektoriums, der Bibliothek und sogar für
manches besonders hervorstechende und signi-
fikante Möbelstück, die betreffenden „Auszügl",
die Abrechnungsbelege, des Tischlers und Bild-
hauers erhalten geblieben sind, lößt das Krems-
münsterer Archiv selbst in diesen Belangen man-
che Frage offen. Nur über die Anfertigung der
zwanzigtürigen Reihe von Paramentenschrönken
aus den Jahren 1618119 und über die Ausstat-
4
tung der Bibliothek mit Bücherkösten und Ti
- eine Arbeit, die von 1707 bis 1708 erfol
sind wir durch vorhandene Archivalien etwr
nauer, aber bezüglich der Paromentensch
auch nicht zu vollster Zufriedenheit unte
tetl. Hinsichtlich der riesigen Schatzkar
schränke, die neben der Bibliothek das l
vollste Tischlerwerk im Stift darstellen, w
bezüglich des Chorgestühls auf der Org
pore und betreffs der Sakristeieinrichtung g
die Archivalien auf die Frage nach den
stern und der Entstehungszeit keine bef
gende Antwort. Ein kleiner Trost mag dar
finden sein, daß vielleicht dach in dem
oder anderen Einzelfall die Kammereirec
gen einen Hinweis zu enthalten scheinen
sich mit aller gebührenden Vorsicht zu i
bestimmten Möbel in Beziehung bringen
Wir werden im folgenden darauf zu spn
kommen.
Zur Erstellung einer Chronologie des möL
schichtlichen Stilablaufs in Österreich d
neben den archivalischen Angaben auch e
datierte Möbel, die als orientierende Vergl
beispiele und Zeitmarken eine wichtige
tion erfüllen.
a-gr. am... 1-. -_cscl
1x11 -_ -
(3,. ..
x.