man gerade am Vergleich mit St. Florian am be-
sten ermessen. Im Gegensatz zu dort gibt es in
Kremsmünster kein so starkes Übergewicht des
Barock und kein Monopol eines einzigen vor-
dringlich vom Kloster beanspruchten Tischlers.
Den Bauherren und Kunstmäzenen vom Rang der
St. Florianer Pröpste Franz Klaudius Kröll (1700-
1716) und besonders Johann Baptist Födermayr
(1716-1732), der in allen Belangen der Künste
ein nahezu hemmungslos verschwenderischer
Auftraggeber war, kann keiner der Kremsmün-
sterer Äbte des 18. Jahrhunderts an die Seite ge-
stellt werden. Die Folge davan ist, daß der ge-
wiß großartigen barocken Einheitlichkeit und
Geschlossenheit St. Florians nun in Kremsmün-
ster eine nicht minder eindrucksvolle Vielfalt
gegenübersteht; hier hat der Barock niemals
mit so radikaler Ausschließlichkeit in die Bau-
substanz des Klosters eingegriffen, daß er die
Zeugnisse früherer Kunstepochen weitgehend
überlagert oder gar total verdrängt hätte. Auf
das Mobiliar angewandt heißt das, daß sich in
Kremsmünster seit der Spätgotik - wenn man
ein geschnitztes Missalepult zu den Möbeln
rechnet -, besonders aber von der Renaissance
an eine kontinuierliche Reihe von, Beispielen
erhalten hat, in der alle Epochen mit zum Teil
einzigartigen Leistungen tischlerischen Könnens
vertreten sind. Gerade der Manierismus und das
frühe 17. Jahrhundert haben infolge des Auf-
schwungs, den das Kloster unter den bedeuten-
den Äbten Alexander a Lacu (1601-1613) und
Anton Walfradt (1613-1639) im Zeitalter der
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Gegenreformation erlebte, auch auf dem Möbel-
sektor ein reiches Erbe hinterlassen. Soweit die
derzeitige Forschungslage ein Urteil zuläßt, ist
nirgendwo sonst die Abfolge der Stile so lücken-
los dokumentiert wie in Kremsmünster. Auf die-
ser Vollständigkeit beruht der exemplarische
Wert der dortigen Möbelbestönde, deren heu-
tige Existenz wir dem Maßhalten und der be-
wahrenden Obhut der Äbte verdanken.
Zur Veranschaulichung folgt nun eine Auswahl
von Möbeln des 17. und 18. Jahrhunderts, die
dazu dienen soll, unsere Kenntnis über die
österreichische Spielart der jeweiligen europäi-
schen Möbelstile zu vertiefen.
Abb. 2, 3: Archivschrank. - Mitte 17. Jahrhundert.
Ursprünglich ein Wandschrank. Der Sockel, die
Lisenen, die oberen Friese und das Abschlußgesims
bildeten einst den Türrahmen um die Mauernische,
die den eigentlichen Ladenkasten enthielt und mit
den beiden Türflügeln zu verschließen warf Als
man sich vor einigen Jahren entschloß, den Wand-
kasten zu einem frei stehenden Möbel urnzubauen,
mußten die Seitenteile (Häupter) völlig neu ange-
fertigt werden. Da die Front, die Türen und der
Ladenkasten als die wesentlichen Elemente original
sind, kann der Schrank sehr gut zur Veranschau-
lichung eines frühbarocken Möbels dienen, wofür
die Flamm- oder Rumpelleisten und das Knorpel-
werkornament charakteristisch sind. Mit der Unter-
teilung der Flächen in gerahmte Felder von ver-
verschiedener Form, wie es besonders die Lisenen
und die vargeblendeten Pilaster vom Sockel bis zu
den Friesen zeigen, wird hier noch eine renaissance-
mäßige Art der Wandgliederung beibehalten. Nuß-
baumholz (auch die Ornamente), massiv oder als
Schwarte verarbeitet. - H. 259, B. 206, T. 73 cm.