gehen, um zu sehen „was dahinter" ist.
Einen ähnlichen Weg hat Hans Hollein auf der
Triennale 1968 in Mailand beschritten. Vor einer
Reihe von Türen mit parallelen Korridoren mußte
sich der Besucher entscheiden. Eine Tür mit vielen
Klinken, von denen nur eine öffnete, ließ den,
der eintreten wollte, überlegen, probieren. In
einem schmalen Gang, mit leicht gewellten ln-
nenwänden, analog der Bevölkerungszunahme
bis zum Jahr 2000,wurden einem das Durchgehen
und die Enge bewußt gemacht. Immer wieder
mußte sich der Besucher entscheiden, mußte
aktiv sein, sich betätigen und bekam einen Denk-
anstoß. Eine fast alle Triennalebesucher erfassen-
de Aktion war die Österreichbrille. Alle 15 Se-
kunden wurde van einer Maschine eine Brille
gegossen und diese wurde den Vorbeigehenden
geschenkt. In allen Abteilungen und auch in der
Stadt liefen die Menschen mit dieser rot-weiß-
roten Brille herum, so eine Botschaft weiter-
tragend. Vielleicht war es auch eine Art Maskie-
rung, wie die Sonnenbrillenmode oft Maskierung
ist. Die Gelegenheit einer internationalen Schau
wurde hier iedenfalls ergriffen, um die Passiven
zu aktivieren.
Hollein hat aber auch an anderen Orten die
Möglichkeit des Mit-Tuns geschaffen, so etwa in
einer Ausstellung im Städtischen Museum
Mönchengladbach. Er baute dort ein „Archäolo-
gisches Grabungsfeld", in dem die Besucher
schaufeln konnten und dabei Funde machten.
Zum Tun will uns auch Cornelius Kolig mit vie-
len seiner Obiekte anregen. Schon vor Jahren
bot er einen Koffer mit Bestandteilen an, die der
Besitzer nach seinen Kombinationen zu einer
Plastik zusammensetzen, wieder auseinander-
nehmen und wieder anders konstruieren kann.
In der letzten Ausstellung im Museum des 20.
Jahrhunderts zeigt Kolig Behälter voll kleiner
Kügelchen, in denen man wühlen kann, zum
Abstellen neben Sitzmöbel, Ständer mit Holz-
knäufen, die sich bewegen und mit denen die
Finger spielen können.
Wo bieten sich aber hauptsächlich alle diese Ge-
legenheiten? „Die Galerie ist der Aufmerksam-
keitsrahmen, der dem Künstler mit seinen räum-
lichen Bedingungen die Veröffentlichung seiner
Ideen ermöglichtw, schreibt P. Weiermair in
einem diese Fragen behandelnden Artikel. Wer
geht aber in die Galerien? Wieder nur die
„Eingeweihten"l P. Henisch schrieb einmal einen
Text, in dem der Satz vorkommt: „literatur für
literaten die literaturzeitschriften lesen". ln der
bildenden Kunst liegen die Dinge nicht viel an-
ders. Haben die Aktionen O. Mühls iemanden
aktiviert? Wer baut sich seine Obiekte immer
wieder um?
Da und dort gab es in Österreich den zaghaften
Versuch eines Happenings, die Aufforderung
eines Aktionsmalers zur Publikumsbeteiligung.
Sehr früh war auf letzterem Gebiet H. Staud-
acher tätig. In Höfen, bei Hausabbruchstellen
oder anläßlich einer Autorenlesung in einem
Vortragssaal zelebrierte er seine spontanen
Malereien. Meist war der Schauplatz freilich ein
Ausstellungsraum, die Beteiligten Freunde des
Künstlers. Ähnliches gilt von den Aktionen der
Gruppe Hausrucker und Co., über die von G.
Mayer in dieser Zeitschrift berichtet wurde".
Eine größere Breite, weil die einfachen Leute in
Biergärten, bei Badeteichen und auf Ausflug-
plätzen erreichend, mit weniger Anspruch auf
u IVlUIUKIIUII Haus uluuuuulcl ... 1.45! LIIILVI
Galerie
9 Schüttelsieb-Anmalaktion des Malers Frai
lan Wirth, 1973
10 Putzmühlen-Anmalaktion des Malers Frai
lan Wirth, 1973
Anmerkungen 6-9
'P. Weiermair, Anmerkungen zur
Emanzipatir
Kunst, in An..- und moderne Kunst, m. 121, s. so.
r P. Henisch, literatur, in Konfigurationen 70, s. 76.
' G. Mayer, Aufforderung 1..... Träumen, in A
moderne Kunst, Nr. 132, s. 32.
' K. Sotriffer, a. a. 0., s. 71.