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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 135)

 
 
schnitt versehenes Paket von Karten als ein 
„fröhliches Vademecum" bezeichnet. Das Spiel 
wurde 1780 von Andreas Benedictus Goebel in 
München herausgebracht. In den Trumpfkarten 
wird ein Hochzeitszug dargestellt, insgesamt elf 
Wagen, auf welchen die Gäste unter Blumen 
und Reisiggirlanden lustig schmausen und musi- 
zieren. Es sind Adelige, die sich schierzhalber als 
Bauern kostümiert haben, wie man aus den unter 
die Bilder gesetzten Versen erfahren kann. Das 
I9. Jahrhundert ersetzte vollends die traditionel- 
len Bilder des altehrwürdigen Venezianischen 
oder Marseiller Tarocks durch Illustrationen sei- 
ner eigenen Vorstellungswelt. Vor allem lokale 
Aktualitäten und politische Ereignisse kamen 
zur Darstellung. Im Rahmen der übrigen Karten- 
spiele wurden, dem Geschmack und Interesse der 
Gesellschaft entsprechend, Bildkarten mit Figu- 
rinen aus verschiedenen Theaterstücken, Zahlen- 
karten mit hübschen Blumenbildern, Stadtansich- 
ten oder zeichnerischen Geschicklichkeitsübungen 
hergestellt. Johann Hieronymus Loeschenkohl 
brachte in Wien 1806 ein Paket Karten mit fran- 
zösischen Farben heraus (Abb. 23 und 25), mit 
Figurinen auf den Bildkarten, die das zeitgenös- 
sische Wiener Theaterleben widerspiegeln. Die 
Zahlenkarten bringen eine Fülle verschiedenster, 
sehr hübscher Blumen zur Darstellung. Sie dien- 
ten nicht nur dem Kartenspiel, sondern fanden 
darüber hinaus auch als Visitenkarten oder Lie- 
besbrieflein Verwendung. 
Aus einem zeichnerischen Geschicklichkeitsspiel, 
das vor allem in England zu Ende des I8. Jahr- 
hunderts gerne geübt wurde, dürften die Trans- 
formations- oder Verwandlungskorten entstan- 
den sein. 1805 erschien in Deutschland der erste 
Karten-Almanach, ein kurioses Ding, das aus 
52 Spielkarten, alsa Illustrationen, und einem 
Texthett bestand. 
Die Verwandlungsart der Karten ist dabei der- 
art, daß die Zahl- und Farbzeichen Bestandteil 
der Illustrationen sind. Von da an wurden wüh- 
rend des I9. Jahrhunderts Verwandlungskorten 
überall gezeichnet und gedruckt. Die Karten mit 
den Figurinen aus Schillers Wallenstein, gezeich- 
net von dem späteren Schlachtenmaler und Gene- 
ral Christian Wilhelm Faber du Faur (Abb. 24 
und 26), waren für den dritten Jahrgang der 
Karten-Almanache bestimmt. 
Wahrenddem die Trumpfkarten Figurinen in ie- 
weils passender Pantomime zeigen, treten bei 
den Zahlenkarten scharfe Charakterisierung und 
groteske Überzeichnung der einzelnen Szenen in 
den Vordergrund. Ursprünglich war dem Spiel 
eine Art von Widmung an eine „Holde Julie" 
beigegeben gewesen, in der die Zeichnung der 
Szenen auf den Zahlenkarten als außerordent- 
lich geistreich in den überschwenglichsten Phra- 
sen gepriesen wurden. Zu den Figuren auf den 
Trumpfkarten heißt es hier: „Die Wahl der Zu- 
sammenstellung der einzelnen Figuren aus Schil- 
lers Stück unter gleicher Farbe bedürfen so wenig, 
als ihr passendes Kostüm und die sinnvolle 
Pantomine eines Commentars, und wem Schil- 
lers Wallenstein etwa fremd wäre, dem sollen 
es auch diese Gestalten bleiben." 
Den Ansprüchen der guten Gesellschaft Wiens 
kommt ein Tarock-Kartenspiel mit Ansichten von 
Wien und Baden entgegen, das aus dem Privat- 
besitz der Katharina Schrott stammen soll (Abb. 
30, 31). Die an Atmosphäre reichen, geschmack- 
voll kolorierten Stahlstiche wurden 1820 von 
dem Kartenmaler Matthias Koller gezeichnet und 
1837 von dem Kartenmacher Uffenheimer her- 
ausgebracht. In der Österreichischen National- 
Enzyklopödie von 1838 heißt es, daß „unter allen 
Fabriken der österr. Monarchie, welche Spielkar- 
ten erzeugen, die M. Uffenheimefsche in der 
Leopaldstadt zu Wien die vorzüglichste seyn 
dürfte"".
	        
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