dem sie eingefahrene Gewohnheiten im Konsum
van Kunst störte, universal. Max Ernst schrieb
in einem Katalogvorwort: „Dadurch, daß sie die
Beziehungen der ,Realitöten' untereinander um-
stürzte, konnte sie nur zur Beschleunigung der
allgemeinen Gewissens- und Bewußtseinskrise
unserer Tage beisteuern." Einen wichtigen Bei-
trag dazu leistete der belgische Maler Rene
Magritte. Seine Reflexionen betreffen die Be-
ziehungen zwischen Malerei und Wirklichkeit,
zwischen Zeichen und Bezeichnetem, zwischen
Sprache und Bildern. Dabei bedient er sich der
Malerei und des Essays als Ausdruck.
Magritte ging in seinen „Sprachbildern" theore-
tisch-lehrhaft zu Werke, wollte also nicht Kunst-
genuß vermitteln, sondern didaktische Absichten.
Eines der Bilder heißt „Der Sprachgebrauch".
Wir sehen darauf eine Pfeife, perfekt gemalt,
plastisch durch die Glanzlichter, wie zum An-
fassen. Drunter aber steht, geschrieben von
Magritte und nicht etwa von einem korrigieren-
den Akademielehrer: „Ceci n'est pas une pipe."
Dies ist keine Pfeife. Weiter nichts. Der Betrach-
ter soll sich seinen Teil denken. Er wird dem
Maler nach einiger Überlegung recht geben,
denn tatsächlich ist dies keine Pfeife, sondern
nur das Bild einer Pfeife. Zwischen der Realität
und dem Bild, das man von ihr machen kann,
besteht also ein Unterschied. Magritte zwingt mit
dem „Sprachgebrauch" dazu, diese Tatsache zu
reflektieren. Die Wirklichkeit kann sich auf dem
Bild nur durch stellvertretende Zeichen reprä-
sentieren lassen. Nicht anders verhält es sich
mit allen anderen Kommunikationssystemen. Nie
kann die Wirklichkeit selbst verhandelt werden,
immer nur Zeichen, die für sie stehen. Ein Lern-
prozeß vermittelt zwischen dem Zeichen und
dem Bezeichneten. Im Falle der Pfeife ist dies
nicht schwer, denn das stellvertretende Zeichen,
das Bild, sieht einer wirklichen Pfeife ia sehr
ähnlich, nur daß sie verkleinert ist und zweidi-
mensional. In der Sprache sind die Beziehungen
schon komplizierter. Da muß das Zeichen, das
Wart, erst mit einer bestimmten Bedeutung ver-
sehen werden, damit bei seiner Nennung der
Gegenstand assoziiert werden kann, den es ver-
tritt. Wittgenstein hat darauf hingewiesen, daß
es kein geheimnisvoller Akt ist, der einem Wart
die entsprechende Bedeutung verleiht; vielmehr:
„Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch
in der Sprache." Die Beziehung eines Wortes zu
seinem Gegenstand, eines Namens zu seinem
Träger, ist aber nicht so, daß etwa mit dem Tode
des Namensträgers auch die Bedeutung des Na-
mens zugrunde ginge. Bei Magritte finden wir
ganz ähnliche Bestrebungen wie bei Autoren
und Theoretikern seiner Zeit und der Gegen-
wart. Er macht wie verschiedene Schriftsteller
die Darstellungsproblematik zum Thema der Dar-
stellung. Zu seiner Vorgangsweise gehört das
Herstellen von Bilderserien, mit denen er in
stufenweisem Fortschreiten seine Absichten dar-
legt. Auf den „Sprachgebrauch" folgen „Die
zwei Mysterien", ein Bild, das er allerdings erst
viel später malte: Das Bild mit der Pfeife und
der negierenden Aussage, das wir vorn „Sprach-
gebrauch" kennen, befindet sich auf einer Staf-
felei, die in einem Zimmer steht, und im Vorder-
grund sieht man, der Perspektive entsprechend
größer, noch einmal dieselbe Pfeife, im Raum
schwebend. Die Überlegungen haben ein Stock-
werk hinzubekommen. Von der Pfeife mit der
Unterschrift wissen wir, daß sie bloß das Bild
einer Pfeife ist. Die andere aber tut, als wäre sie
echt, denn sie ist mit keinem negierenden Zusatz
versehen wie die Pfeife auf dem Bild im Bild.
Steht sie aber deshalb der Realität näher?
In der Bilderserie „Der Schlüssel der Träume",
die um 1930 entstanden ist, setzt Magritte das
wwlll