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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 135)

dem sie eingefahrene Gewohnheiten im Konsum 
van Kunst störte, universal. Max Ernst schrieb 
in einem Katalogvorwort: „Dadurch, daß sie die 
Beziehungen der ,Realitöten' untereinander um- 
stürzte, konnte sie nur zur Beschleunigung der 
allgemeinen Gewissens- und Bewußtseinskrise 
unserer Tage beisteuern." Einen wichtigen Bei- 
trag dazu leistete der belgische Maler Rene 
Magritte. Seine Reflexionen betreffen die Be- 
ziehungen zwischen Malerei und Wirklichkeit, 
zwischen Zeichen und Bezeichnetem, zwischen 
Sprache und Bildern. Dabei bedient er sich der 
Malerei und des Essays als Ausdruck. 
Magritte ging in seinen „Sprachbildern" theore- 
tisch-lehrhaft zu Werke, wollte also nicht Kunst- 
genuß vermitteln, sondern didaktische Absichten. 
Eines der Bilder heißt „Der Sprachgebrauch". 
Wir sehen darauf eine Pfeife, perfekt gemalt, 
plastisch durch die Glanzlichter, wie zum An- 
fassen. Drunter aber steht, geschrieben von 
Magritte und nicht etwa von einem korrigieren- 
den Akademielehrer: „Ceci n'est pas une pipe." 
Dies ist keine Pfeife. Weiter nichts. Der Betrach- 
ter soll sich seinen Teil denken. Er wird dem 
Maler nach einiger Überlegung recht geben, 
denn tatsächlich ist dies keine Pfeife, sondern 
nur das Bild einer Pfeife. Zwischen der Realität 
und dem Bild, das man von ihr machen kann, 
besteht also ein Unterschied. Magritte zwingt mit 
dem „Sprachgebrauch" dazu, diese Tatsache zu 
reflektieren. Die Wirklichkeit kann sich auf dem 
Bild nur durch stellvertretende Zeichen reprä- 
sentieren lassen. Nicht anders verhält es sich 
mit allen anderen Kommunikationssystemen. Nie 
kann die Wirklichkeit selbst verhandelt werden, 
immer nur Zeichen, die für sie stehen. Ein Lern- 
prozeß vermittelt zwischen dem Zeichen und 
dem Bezeichneten. Im Falle der Pfeife ist dies 
nicht schwer, denn das stellvertretende Zeichen, 
das Bild, sieht einer wirklichen Pfeife ia sehr 
ähnlich, nur daß sie verkleinert ist und zweidi- 
mensional. In der Sprache sind die Beziehungen 
schon komplizierter. Da muß das Zeichen, das 
Wart, erst mit einer bestimmten Bedeutung ver- 
sehen werden, damit bei seiner Nennung der 
Gegenstand assoziiert werden kann, den es ver- 
tritt. Wittgenstein hat darauf hingewiesen, daß 
es kein geheimnisvoller Akt ist, der einem Wart 
die entsprechende Bedeutung verleiht; vielmehr: 
„Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch 
in der Sprache." Die Beziehung eines Wortes zu 
seinem Gegenstand, eines Namens zu seinem 
Träger, ist aber nicht so, daß etwa mit dem Tode 
des Namensträgers auch die Bedeutung des Na- 
mens zugrunde ginge. Bei Magritte finden wir 
ganz ähnliche Bestrebungen wie bei Autoren 
und Theoretikern seiner Zeit und der Gegen- 
wart. Er macht wie verschiedene Schriftsteller 
die Darstellungsproblematik zum Thema der Dar- 
stellung. Zu seiner Vorgangsweise gehört das 
Herstellen von Bilderserien, mit denen er in 
stufenweisem Fortschreiten seine Absichten dar- 
legt. Auf den „Sprachgebrauch" folgen „Die 
zwei Mysterien", ein Bild, das er allerdings erst 
viel später malte: Das Bild mit der Pfeife und 
der negierenden Aussage, das wir vorn „Sprach- 
gebrauch" kennen, befindet sich auf einer Staf- 
felei, die in einem Zimmer steht, und im Vorder- 
grund sieht man, der Perspektive entsprechend 
größer, noch einmal dieselbe Pfeife, im Raum 
schwebend. Die Überlegungen haben ein Stock- 
werk hinzubekommen. Von der Pfeife mit der 
Unterschrift wissen wir, daß sie bloß das Bild 
einer Pfeife ist. Die andere aber tut, als wäre sie 
echt, denn sie ist mit keinem negierenden Zusatz 
versehen wie die Pfeife auf dem Bild im Bild. 
Steht sie aber deshalb der Realität näher? 
In der Bilderserie „Der Schlüssel der Träume", 
die um 1930 entstanden ist, setzt Magritte das 
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