Spiel mit der Spannung zwischen Bildern und
Namen fort. Wie auf einer Schautafel für die
Schule sehen wir zwei in mehrere Felder unter-
teilte Bilder mit verschiedenen Gegenständen.
Auf dem einen ein Pferd, eine Kanne, eine Uhr
und einen Koffer, auf dem anderen eine Tasche,
ein Blatt, ein Messer und einen Schwamm. Unter
den Gegenständen aber steht in der Reihenfolge:
Türe, Vogel, Wind und Handkoffer sowie Him-
mel, Tisch, Vogel und Schwamm. Magritte lehrt
uns mit dieser Irritation, daß wir Zeichen vor uns
haben und stört uns in unserem Reflex des Zu-
ordnens. Sowohl die geschriebenen Wörter als
auch die gemalten Gegenstände stehen nur stell-
vertretend für die Wirklichkeit, sie haben ihre
eigene Realität.
Magritte hat auch später den Abbildungsvor-
gang zu seinem Thema gemadit. Auf dem Bild
„Die schöne Gefangene" steht eine Staffelei in
der Landschaft; erkennbar ist nur ihr Umriß,
denn die Landschaft setzt sich auf der Leinwand
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fort, ohne Stilbruch. Gezeigt wird zunächst, daß
das Bild im Bild ein mehr oder weniger willkür-
licher Wirklid-ikeitsausschnitt ist, und als zweites
wird uns klargemacht, daß beides Abbildung ist.
ln beiden Fällen ist Realität in Fiktion umge-
wandelt worden. Magritte hat didaktische Grün-
de, wenn er diese Diskrepanz verführt. Für ver-
schiedene Maler und Schriftsteller der Gegen-
wart ist sie zum zentralen Problem geworden.
Die Fiktion ist insbesondere im Zuge der Stu-
dentenbewegung von T968 in Verruf gekommen
und oft kurzerhand mit Lüge und Verführung in
Zusammenhang gebracht worden. Dies hatte zur
Folge, daß mehrere Schriftsteller ins Stocken
gerieten, aufhörten zu erfinden und bei doku-
mentarischen Methoden Zuflucht suchten. Was
zählte, waren die Reportage und das Protokoll.
Die Form der Publikation mußte beibehalten
werden. Ähnlich gingen einige Maler vor. Sie
gaben das sorgsam ausgewählte Motiv auf und
verzichteten auf die mehr oder weniger eigen-
willige Wiedergabe der vorgefundenen V
lichkeit, etwa auf die Abstraktion, und Qt
sich dem Unverfälschten hin: der Fotoreali
war geboren und damit größte Annäherung
eine bloße Verdoppelung der Realität erre
Es gibt Anzeichen dafür, daß alle die genan
Ansätze, sich Grundbedingungen künstleri:
Darbietungsfarmen zu vergewissern, nicht ir
manchmal erhobene Forderung nach der
schaffung der Kunst münden, daß künftig
mehr „Bedenken" in die Kunst mit eingt
muß, daß also die Position des naiven (im S
Schillers) „Schöpfertums" in Frage gestellt l
6 Rene Ma ritte, Die schöne Gefangene, 1947
Lwd., 55x26 cm. New York, Privatbesitz
Ü Unser Autor:
Dr. Werner Thuswaldner
Kulturredakteur-der
„Salzburger Nachrichten"
Bergstraße 12
5020 Salzburg