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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 135)

Spiel mit der Spannung zwischen Bildern und 
Namen fort. Wie auf einer Schautafel für die 
Schule sehen wir zwei in mehrere Felder unter- 
teilte Bilder mit verschiedenen Gegenständen. 
Auf dem einen ein Pferd, eine Kanne, eine Uhr 
und einen Koffer, auf dem anderen eine Tasche, 
ein Blatt, ein Messer und einen Schwamm. Unter 
den Gegenständen aber steht in der Reihenfolge: 
Türe, Vogel, Wind und Handkoffer sowie Him- 
mel, Tisch, Vogel und Schwamm. Magritte lehrt 
uns mit dieser Irritation, daß wir Zeichen vor uns 
haben und stört uns in unserem Reflex des Zu- 
ordnens. Sowohl die geschriebenen Wörter als 
auch die gemalten Gegenstände stehen nur stell- 
vertretend für die Wirklichkeit, sie haben ihre 
eigene Realität. 
Magritte hat auch später den Abbildungsvor- 
gang zu seinem Thema gemadit. Auf dem Bild 
„Die schöne Gefangene" steht eine Staffelei in 
der Landschaft; erkennbar ist nur ihr Umriß, 
denn die Landschaft setzt sich auf der Leinwand 
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fort, ohne Stilbruch. Gezeigt wird zunächst, daß 
das Bild im Bild ein mehr oder weniger willkür- 
licher Wirklid-ikeitsausschnitt ist, und als zweites 
wird uns klargemacht, daß beides Abbildung ist. 
ln beiden Fällen ist Realität in Fiktion umge- 
wandelt worden. Magritte hat didaktische Grün- 
de, wenn er diese Diskrepanz verführt. Für ver- 
schiedene Maler und Schriftsteller der Gegen- 
wart ist sie zum zentralen Problem geworden. 
Die Fiktion ist insbesondere im Zuge der Stu- 
dentenbewegung von T968 in Verruf gekommen 
und oft kurzerhand mit Lüge und Verführung in 
Zusammenhang gebracht worden. Dies hatte zur 
Folge, daß mehrere Schriftsteller ins Stocken 
gerieten, aufhörten zu erfinden und bei doku- 
mentarischen Methoden Zuflucht suchten. Was 
zählte, waren die Reportage und das Protokoll. 
Die Form der Publikation mußte beibehalten 
werden. Ähnlich gingen einige Maler vor. Sie 
gaben das sorgsam ausgewählte Motiv auf und 
verzichteten auf die mehr oder weniger eigen- 
willige Wiedergabe der vorgefundenen V 
lichkeit, etwa auf die Abstraktion, und Qt 
sich dem Unverfälschten hin: der Fotoreali 
war geboren und damit größte Annäherung 
eine bloße Verdoppelung der Realität erre 
Es gibt Anzeichen dafür, daß alle die genan 
Ansätze, sich Grundbedingungen künstleri: 
Darbietungsfarmen zu vergewissern, nicht ir 
manchmal erhobene Forderung nach der 
schaffung der Kunst münden, daß künftig 
mehr „Bedenken" in die Kunst mit eingt 
muß, daß also die Position des naiven (im S 
Schillers) „Schöpfertums" in Frage gestellt l 
6 Rene Ma ritte, Die schöne Gefangene, 1947 
Lwd., 55x26 cm. New York, Privatbesitz 
Ü Unser Autor: 
Dr. Werner Thuswaldner 
Kulturredakteur-der 
„Salzburger Nachrichten" 
Bergstraße 12 
5020 Salzburg
	        
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