I Aktuelles Kunstgeschehen I Österreich
Wien
Secession
Alcoa Collection
Die Aluminum Company of America (Alcoa) ist der
größte Aluminiumhersteller der Welt. Als Mäzen
kultureller Anliegen machte sich der Konzern
gleichfalls einen Namen. 1966 erfolgte der Ankauf
des Nachlasses des bekannten Sammlers G. David
Thompson, der nun als „AIcoa Collection" im
Rahmen einer großen Europa-Tournee auch Station
in Wien machte. Die Ausstellung umfaßte 35
durchwegs großformatige Gemälde von Künstlern
aus 14 Ländern. Die Auswahl unterlief keiner
bestimmten Tendenz oder Stilrichtun, lSI (edoch
schwerpunktartig auf die abstrakte Malerei fixiert.
So trifft man auf zahlreiche Prominente der Ecole
de Paris und ihr vergleichbare Maler, unter ihnen
Soulages, Tapies, Corneille, Lebenstein, Santomaso
und Burri, der mit zwei großen Strukturbildern
aus 1958 vertreten ist. Qualitativ hervorstechend
sind die Bilder von Kumi Sugai, Richard Anuszkiewicz,
Getuilo Alviani und ein früher Vasarely, die in
ihrer Summe den gleichfalls stark berücksichtigten
Sektor der Geometrischen Abstraktion, des
Konstruktivismus und der Op-Art repräsentieren.
Alles in allem ein international abwechslungsreich
gemixter Cocktail, den man sich gerne munden ließ.
(12. 9.-6. 10. 1974) - (Abb. l, 2)
Gallerie Schottenring
14 Big Prints
Unter dem genannten Motto präsentierte die
Wiener Galerie eine Auswahl englischer und
amerikanischer Avantgardekünstler. Die vierzehn
gezeigten Siebdrucke und Offsetlithographien
zählen zu den größten druckgraphischen Blättern,
die bisher von Künstlern geschaffen wurden. Sie
entstanden 1971172 und wurden von Bernard
Jacobson, London, ediert. Das etwa zwei Jahre
dauernde Werkstattexperiment erwies sich vor
allem nach zwei Seiten hin als sinnvoll: für die
Künstler war es die Aufforderung, ihre Kenntnisse
- unterstützt durch die teuren technischen Möglich-
keiten - zu erweitern; für den Verleger erbrachte
das in einer Auflage von 100 Exemplaren gedruckte
Mappenwerk internationale Anerkennung. Die
künstlerische Spannweite der Auswahl reicht von
der Neuen Abstraktion über Möglichkeiten einer
weiterentwickelten Pop-Art bis zu Werken, die in
ihrer relativierenden gedanklichen Herausforderung
dem Neuen Realismus zuzuordnen sind.
(11. 6.-6. 7. 1974) - (Abb. 3)
Galerie Gras
Manfred Nisslmüller
Die in die Grünangergasse b in sehr schöne
Räumlichkeiten übersiedelte Galerie stellte in dem
1940 geborenen Wiener einen Künstler vor, der
in seinen feinnervigen, klaren Zeichnungen einem
analytischen Realismus (mitunter den „Käpfen" von
Oswald Oberhuber vergleichbar) huldigt.
Beherrschte Blätter, die zum Nachdenken anregen
und ohne falschen lllusionismus auskommen. Ein
Zeichner, der innerhalb der iungen Phalanx
österreichischen Gegenwartskunst Chancen hat,
sinnvoll weiterzukommen.
(September 1974) - (Abb. 4)
Galerie auf der Stubenbastei
Zechyr
Der aus Linz stammende Vollblutzeichner hat
während der letzten Jahre schon manchen
Rückschlag einstecken müssen. Er unterliegt
gewissen Schwankungen, die vielleicht stärker, aber
auch echter sind als bei anderen. Seine auf
Arbeiten der letzten beiden Jahre konzentrierte
Auswahl unterstrich vor allem in den reinen
Zeichnungen die Eigenart und das Können des in
Wien lebenden Oberösterreichers. Seine Visionen
eines technischeulopischen Zeitalters sind voll
Spannung und Vehemenz. Sie faszinieren in den
großen Tafeln darüber hinaus durch das geschickte
Anordnen einzelner zueinander in Beziehung
stehender Bildpartien.
(20. 8.-14. 9. 1974) - (Abb. 5, 6)
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Peter Baum
Künstlerzentrum im Schloß
Zehn Jahre nach seiner Gründung und dieses Jahr
bereits im Frühsammer zieht das oberösterreichische
Künstlerzentrum Schlaß Parz mit seinen „Parzer
Kontakten 197 " wiederum Bilanz.
Das einst vom Verfall bedrohte Wassersdilößchen
unweit von Grieskirchen hat durch den Maler Hans
Hoffmann-Ybbs, und seine Künstlerkollegen
sinnvolle Revitalisierung gefunden. Langiährige,
noch immer währende Instandsetzungsarbeiten, bei
denen vor allem die Künstler selbst mit Hand
anlegten, präsentieren heute eine weitläufige Flucht
von Ausstellungsräuman über zwei Etagen, Ateliers
und Werkstätten. Ein bewundernswertes Modell
privater - mit finanziellen Mitteln nicht gerade
reich ausgestatteter - Initiative, der bei diesem Maß
an Idealismus auch die öffentliche Hand nicht
länger spürbare Förderung versagen wird wollen.
Parz versucht, den Pluralismus der Tendenzen
zeitgenössischer Kunst in einer „geballten, aber
nicht extremen Ladung", wie es Peter Baum,
nunmehriger Direktor der Neuen Galerie der Stadt
Linz und Redakteur dieser Zeitschrift für Wien
(s. d. S.), anläßlich der Eröffnung formulierte, zu
dokumentieren. Entsprechend groß ist das
lnformationsangebot: 35 Künstler mit rund 200
Exponaten sind-vertreten. Das Gras der Aussteller
kommt aus dem oberösterreichischen Raum. Bei
dieser Fülle an Gebotenem übertrifft oft e ohne
allzu strenge Zensur seitens der Veranstalter - die
Quantität die Qualität, Mittelmäßiges steht neben
Herausragendem. Aber nicht nur iunge Künstler
unterliegen oft der Versuchung, eine sich bietende
Präsentationsmöglichkeit um ieden Preis zu nutzen.
Neben gut vertretenen Bekannten wie Peter Bischof,
Herbert Breiter und Drago Prelog treten
überzeugend Unbekannte, wie etwa die Wienerin
Birgit Jürgenssen sowie der Innviertler Keramiker
Sepp Hinterleitner. Verständlicherweise dominiert
der Bereich Malerei bis hin zur kammermusikalischen
Graphik. Ganz im Sinne der angestrebten
informativen Funktion der Schau bietet sich das
gesamte multiforme Spektrum zeitgenössischer
Stilrichtungen von Beispielen der Abstraktion, so
etwa zwei herausragenden Blättern des lyrischen
Informel des Kärntners Hans Staudacher sowie vier
- allerdings nicht optimal präsentierten - intensiven
Farbradierungen von Heinrich Heuer, bis hin zu
qualitätsvollen Beispielen der Neuen Figuration.
Exponate aus dem Bereiche der angewandten
Kunst, so Bildteppiche, eine Auswahl hochwertiger
Keramik von Franz Josef Altenburg und Anton
Raidl, der auch interessante zeichnerische Einblicke
gewährt, sowie Rotationsobiekte von Cornelius
Kolig und die zum Spiel verleitenden Klangplastiken
Eduard Hänggis runden das Bild ab.
So hoch der Respekt vor dem enormen Organi-
sationsaufwand für diese umfangreiche Schau auch
zu stellen ist, eine sensiblere Placierung hätte die
Wirkung mancher Beiträge steigern können. Ein
ausführlicher, reich bebilderter Katalog zeigt
iedenfalls, daß Parz sich anschickt, die Phase oft
mühevoller Improvisation hinter sich zu lassen und
durch seinen eigenwilligen Reiz als Ort der
Begegnung mit zeitgenössischer Kunst in der Lage
ist, auch völlig neue Publikumsbereiche in seinen
Bann zu ziehen. Die überaus zahlreich erschienenen
Vernissagegäste nahmen iedenfalls dankbar die
Möglichkeit, mit den erschienenen Künstlern
persönlich in Kontakt zu treten, wahr.
Maria Mauroner
Salzburg
Atelier-Galerie Paintner
Im ersten Stock eines Alt-Salzburger Hauses in der
Nonntaler Hauptstraße 20 hat der Architekt
Alfred Paintner eine Atelier-Galerie eingerichtet,
die abseits des üblichen Kunstgaleriebetriebes
Anregungen und Grund zu Überlegungen geben soll.
Franco Fonatti
Die erste Ausstellung galt Skizzen und Zeichnungen
des 32iährigen Architekten Franco Fonatti. Für ihn
ist Zeichnen stetige geistige Arbeit. Die ausgestellten
Blätter sind nicht nur Stenogramme seiner
Auseinandersetzung mit den schematisierten
Denkgewohnheiten seiner möglichen Klienten und
der nicht selten unmöglichen Baupraxis mancher
seiner Kollegen. Für ihn, für den Bauen heute eben
nicht Bauen mit dem Gedankengut von gestern ist,
sind organische Wachstumsvorgänge, wie manche
Vorgänge im Knochenbau, Ausgangspunkt
grundsätzlicher Überlegungen für technische
Bauvorgänge.
(s-za. 7. 1974)
Museumspavillon beim Zwerglgarten
Rudolf Dimai
Seit sich der Oberstudienrat in Pension ganz der
Malerei widmen kann, sind die Farben in seinen
Bildern kräftiger, leuchtender geworden (sie sind
deswegen nie grell oder scharf). Dimais Vorliebe
gilt ganz der Malweise des impressionistischen
Pleinair; doch sind seine Landschaften trotz
der ungestümen Pinselführung sorgfältig gebaute
Kompositionen, deren gedankliche Überlegenheit
sich öfters des „Hilfsmittels" der vorbereitenden
Zeichnung bedient.
(Mai 1974)
Galerie Acodemia
Enrico Bai
Das bewegte Leben des 50iährigen Mailänder:
verbindet ihn freundschaftlich mit den Vertretern
der europäischen Avantgarde; Bai gründete
Zeitschriften, arbeitete für den „Carriere della
sera", veröffentlichte eigene Lyrik. Der Weg seines
bildnerischen Schaffens von seiner „Erfindung"
der „nuklearen Malerei" bis zu den iüngsten,
einem internationalen Surrealismus angenäherten
Collagen wurde in dieser Ausstellung gut sichtbar
gemacht. Für das prächtige Multiple „Urania des
Amulettes" mag das Wort seines 1966 verstorbenen
Freundes Andre Breton seinen Sinn haben: „Wenn
der Surrealismus behauptet, durch die ihm eigenen
Methoden das Denken einer immer härteren Fron
entreißen zu können, es seiner ursprünglichen
Reinheit wiedergeben zu können, so ist das genug."
(Mai 1974)
Rudolf Schwoiger
Eine interessante Auswahl aus dem Werk des
bedeutenden Bildhauers, über das Alois Vogel in
Heft 127 dieser Zeitschrift ausführlich berichtete
(Juni 1974)
Salzburger Kunstverein
Primo Minervino
Der Mailänder Maler versteht unter dem von ihm
geprägten Ausdruck „vibrazioni oniriche"
(„Traumschwingungen") gewisse unbewußte
„Strahlungen", die in einem unbestimmbaren,
zwischen Schlaf und Wachtraum schwebenden
Zustand entstehen; erreichen solche durch die
Energien des Gehirns entstandene schwingende
Impulse die Hand, so würden sie zu malerischen
Tönen werden. (Abb. 13)
Felix Harta (1886-1967)
Absicht des Kunstvereins ist es, mit einzelnen
umfassenden retrospektiven Ausstellungen „iener
Meister zu gedenken, die auf seinem Boden
gewachsen sind". Felix Harta, den Weggetährten
Anton Faistauers, hatten die Erschütterungen der
Soldatenzeit des ersten Weltkrieges zum
Expressionismus geführt; doch Harta hatte sich
dann, wie Faistauer auch, anderen Zielen
verschrieben. Ziele, für deren Erreichung weniger
geistige Vertiefung als der geschmackvolle
Zusammenklang der Farben wichtig war - „ein
durch die Erhöhung der Farben erzieltes Lebens-
gefühl".
(zu. 6.721. 7. 1974) - (Abb. 14)
Franz Wagner
Tirol
Innsbruck - Galerie im Taxispolais
Konstantin Mielnikow
Der russische Architekt, 1890 geboren, gehört mit
zu ienen fortschrittlichen Künstlern, die, noch vor