. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Das Glas des Ju enstils
Sammlung des sterreichischen Museums
für angewandte Kunst Wien
Buch und Katalog Neue Folge Nr. 2B
herausge eben vom Prestel-Verlag München
und dem sterreichischen Museum
für angewandte Kunst.
Altes Haus, Säulenhof
Wien l, Stubenring 5
30. 11. 1973-20. I. 1974
2B. 5. - 14. 7. 1974
Eine bedeutende Sammlung von Jugendstilgläsern
aus der Zeit von 1895 bis 1914 innerhalb der
Glassammlung des Hauses, sonst dem Auge des
Museumsbesuchers aus sattsam bekanntem Raum-
mangel entzogen, kam zur Ausstellung, leider
nur befristet, ans Tageslicht. Hand in Hand mit den
Druckvorbereitungen zu einem Buch und Katalog
wurde in miihevollem Prozeß von Dr. Waltraud
Neuwirth und Fachoberinspektar Keusch Glas für
Glas zur Repräsentation bereitgemacht. Eine Arbeit,
die bei Glas sicher noch um einen wesentlichen
Grad sorgfältiger durchgeführt werden muß.
Dank also dem in Ehren ergrauten, stets
wachsamen FOI Konrad Keusch, Allrounder des
Ausstellungswesens und auasi mit dem Prädikat
„unersetzlich" zu qualifizieren. Ja, und dann stand
die Ausstellung, und auch Buch und Katalog lagen
auf. Großzügig von der Thyssen-Stiftung und ihrem
unermüdlichen Dr. Coenen mitermöglicht. Eine reidl
ausgestattete teure Publikation, die bei der Presse-
konferenz für Aufregung sorgte, da sie nicht so
ohne weiteres unter die zahlreich erschienenen
Presseleute gestreut werden konnte. Doch deren
Empörung besänftigte sich alsbald vor den pracht-
vollen Obiekten. Noch immer und immer wieder
an vogue: Jugenstil in allen seinen differenten
Facetten. Das Ausstellungsstyling gleicht dem der
homogenen „Wiener PorzelIan"-Ausstellung. Man
ist fürs erste erdrückt von der Fülle qualitativ
hervorragender Glaserzeugnisse, die, so scheint es
fast, erst ietzt, 70 Jahre später, ihre eigentlichen
Werte sowohl im Einzelobiekt wie auch als
kollektive Demonstration die Geschlossenheit eines -
des letzten großen - Stiles auszuspielen imstande
sind. Das Auge verfängt sich schier in der gleicher-
maßen ausstrahlenden Kraft des künstlerischen Ein-
falls wie in der perfekten Fertigung. Innerhalb
der Sammlungen des Museums hat die Glas-
sammlung stets eine besondere Stellung eingenom-
men. Dazu führte Direktor Hofrat Prof. Dr. Wilhelm
Mrazek aus: „Van allem Anfang spielte die
Materialgruppe Glas eine besondere Rolle. Sie war
ein Schwerpunkt der Sammel- und Reformtätigkeit,
war doch die österreichische Glasproduktion ein
Hauptzweig der österreichischen Kunstindustrie, der
aus einer alten Tradition erwachsen war und der
in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den
Kranländern Böhmen, Möhren und Schlesien einen
neuen Aufschwung genommen hatte. Für das
Österreichische Museum ergab sich daraus ein
einmaliges und einzigartiges Betätigungsfeld, dem es
auch mit allen verfügbaren Mitteln zu entsprechen
versuchte. Für die Glassammlung bedeutete dies,
daß sie schnell an Umfang zunahm und daß nur
solche Glasobiekte aus der Vergangenheit und
unmittelbaren Gegenwart erwarben wurden, die
nicht nur von historischem Interesse waren, sondern
vor allem als mustergültige Beispiele, als Vorbilder
für die gegenwärtige heimische Produktion dienen
konnten." Zum besseren Verständnis setzt Autorin
Dr. Waltraud Neuwirth eine grundsätzliche
Präambel: „Die Österreichische Glasproduktion des
Jugendstils entwickelte sich in mancher Hinsicht
aus den Voraussetzungen des 19. Jahrhunderts.
Vieles ist sogar in der Frühzeit dieses Jahrhunderts
verwurzelt. Es gab keinen harten Bruch mit der
Vergangenheit, um Neues zu schaffen, sondern ein
mehr oder weniger kontinuierliches Wachstum durch
Jahrzehnte. Da man dem Historismus lange Zeit
zu Unrecht sklavische Imitation und dem Jugendstil
ebenso grundlos ausschließlich Neuschöpfungen
zuschrieb, ist es wohl an der Zeit, die Standpunkte
zu revidieren. Gerade am Beispiel des österreichi-
schen Jugendstilglases, das der Tradition ebenso
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verpflichtet ist wie der Moderne, läßt sich auf
Grund der vorliegenden Quellen vieles ins rechte
Licht rücken."
Als das Bleibende nach der Ausstellung sind Buch
und Katalog deren adäquateste Interpretation.
Ausführlichst in ihrer Beschreibung wie dem Haupt-
kapitel über die Glassammlung des Museums im
Spiegel der Direktoren Eitelberger, Skala und
Leisching von 1864 bis 1914, dem weiteren Haupt-
kapitel über das österreichische Jugendstilglos,
darin alles über dessen Formen, Farbigkeit, Dekor,
den Kapiteln Zeitgenössische Quellen und Tect1-
nologie, den Künstlerbiographien und im reich
angelegten Katalog selber 237 abgebildete und
beschriebene Obiekte, anhängend die Marken,
Zeichen, Signaturen, ein Musterbuch (Zeichnungen)
der Fa. E. Bakalowits, Wien, eine Bibliographie und
das Register. Dem Zwang gehorchend, die Glas-
schau wegen der alles okkupierenden China-
ausstellung wegzuräumen, nahm man unmittelbar
nach dieser die Gelegenheit wahr, zu den Wiener
Festwochen nach einmal damit vor das interessierte
Publikum zu treten. Und das war es wohl wert,
denn in der zeitweise überhandnehmenden
Trivialität nostalgischen Überschwanges, ia Über-
schwemmung war die Ausstellung als Demonstration
prädestiniert, mittels ihrer edlen Produkte, wie
denen des faszinierenden Jugendstilglases, eine
echte Vorstellung dieser künstlerisch reich gesättigten
Epoche zu geben und deutlich Ursprung und
Abstand zu Pseudoprodukten und Bestrebungen zu
markieren, die unter einer stets geblöhten Flagge
„Jugendstil" Unsicherheit und Verwirrung her-
vorrufen (Abb. 1-61.
Modernes Porzellan aus Wien
Kurt+Gerda Spurey
Katalo Neue Folge Nr. 30
Altes aus, Eitelbergersaal
Wien l, Stubenring 5
31. 5.-30. 6. 1974
Ausstellung ist immer Wagnis und Herausforderung.
Den Spureys mag es da und dort und hie und da
eine besondere solche sein, denn was sie schaffen,
muß wohl von Heutigen vorerst vom Innersten her
erspürt und gedeutet, um als Form verstanden zu
sein. - Pressebesichtigung. Erstes Einpendeln in den
Museumsalltag nach dem allesbeherrschenden
China-Spektakel mit dem iungen Wiener
„Porzellanmacherpaar" Spurey, in einschlägigen
Kreisen ein längst geschätztes „Markenzeichen".
Nach dem heißbesessenen, früh dahingegangenen
Prototyp Ohnsorg nun die neue Leaderschaft der
Spureys auf anderer „kühlerer" Ebene. Dir. Dr.
Mrazek unterstreicht die Aufgaben des Museums,
basierend auf der Tradition der Keramiksammlung,
stets dem zeitgenössischen Schaffen Rechnung
zu tragen und es zu präsentieren: „Die Ausstellung
,modernes porzellan aus wien - kurt+gerda spurey'
liegt also auf der Linie, die das Museum seit
seiner Gründung verfolgte. Es ist uns in einer Zeit,
in der bei der Porzellanfabrikation noch immer
konservative und imitative Tendenzen vorhanden
sind, ein besonderes Anliegen, Bestrebungen zu
unterstützen, die bei der Porzellangestaltung sich
auf das Wagnis einlassen, die ausgetretenen Wege
zu verlassen und auch dem Experiment Raum zu
geben. In dem Künstlerpaar Spurey hat das Wiener
Porzellan zwei Gestalter gefunden, die mit Hingabe
und Aufopferung sowie einem vom Material her
bestimmten Gestaltungswillen dem Wiener
Porzellan wieder zeitgemäß künstlerische Formen
verleihen." Beim ersten Uberblicken der Ausstellung
fällt auf: Das Formenvokabular der Spureys weist
in höchstem Maße ausgeprägt futuristische Züge auf.
Unschwer, sich diese Obiekte in künftigen Super-
wohnwelten aus glattem Beton und Glas vorzu-
stellen. Frappierend die sportanische Härte
auferlegter Selbstzucht bezüglich Material und
reduzierter, bisweilen asketischer Forrnsuchung.
Ein einheitlich blaßgelbliches Formenspiel durch alle
Vitrinen besticht. Doch dem einen ist's zu „klinisch",
dem anderen zu kalt, zu glatt. Also Obiekte doch
schon für künftige Welten? Haben wir Bahnbrecher
vor uns? Oder eine künstlerische Flucht aus dem
uniformen Keramikschaffen unserer Zeit? Wohl
kaum, denn wer die Spureys kennt, um ihren
unbändigen Willen zu höchster künstlerischer
Findung weiß, ist mit ihnen auf gleicher Vorausspur.
Willig folgt man Zwischeninterpretationen des
männlichen Teiles der Spureys, der anhand von
Reliefs augenscheinlich die alleräußerste schon im
Grenzbereich des Möglichen liegende Kompliziert-
heit des Schaffensprozesses erläutert. Ein Prozeß,
bei dem wie in einem Fall durch Windentfachung
ein bald tausendgliedriges Halmläppchenmeer
in einem bestimmten Moment erstarrt, im Endeffekt
dann nodi in voller Bewegung erscheint. Eine neue
porzellanene Natur tut sich auf, Inkarnation eines
geradezu unglaublichen technischen Nonplusultra.
Titel wie: Aufbruch, Evolution, Durchdringung,
Durchbruch zeugen vom Aufbruchsgeist der Spureys.
ln Bränden zwischen 1300 und 950" C aus einer
Welt des flüssigen Gipssctllicker, Oxyden von Eisen,
Kobalt und Kupfer entstehen und bauen die
künstlerischen Alchemisten Kurt+Gerda Spurey
Obiekte auch schon für morgen (Abb. 7-12).
Leopold Netopil
1 Schale, um 199a. Joh. Loetz' Witwe, Klostermühle. uh-
signiert (Kot-Nr. 11a). H 11,7 cm.
OMK, l-Nr. G! 2009
2 Schale aus Garnitur, um 19111. J. s. L. Lobmeyr, wleh.
Entwurf u. Janke Und L. H. Jungnickel (Kot-Nr. 10:11.
H 9,3 cm.
UMK, l-Nr. wl 1m
3 Bowle mit Deckel, um 191a. 1. a. L. Lobmeyr. Entwurf
Josef Hatmahh (KaL-Nr. 109). 1-1 34 cm.
UMK, l-Nr. wl 163i
4 Tulpenvase, um 1899. Joh. Laetz' Witwe, Klostermühle.
PfeilsignaturlLoetz (Kuh-Nr. 1321. H 44,9 cm.
OMK. Ly-lr. GI 2017
s Dedxelpokal, um 1910. J. s L. Lobmeyr, wiah. Entwurf
F. Alber (KaL-Nr. u). H 24 cm.
UMK, l-Nr. wl 901
6 Vase, um 1713. Gräfl. Harradfsche Glasfabrlk, Neuwelt.
Entwurf J. Jelinek (Kot.-Nr. 77). H 30,5 cm,
UMK, I-Nr. wl 124a
1 Kurt + Gerdd Spurey, Aufbruch 1, n 12 cm
a Kurt + Gerdü s urey, Kopf, außah unglasiert, 11 2a cm
9lläulrts+Gerda purey, ÄlJfbfUEIl 11, außen unglaslert,
cm
10 Kurt + Gerda Spurey, Durchbruch 1, Relief, 40x40 cm
11 Kurt +Gerda Spurey, Bewegung, Relief, 40 x 40 cm
12 Kurt + Gerda Spurey