Blattgold und Blattsilber sind mit einem Anlege-
mittel, das aller Wahrscheinlichkeit aus Anlege-
öl und pflanzlich-tierischem Leim besteht, ange-
schossen. Dieses Gemisch verursachte starke Riß-
bildung bei Blattgold und Blattsilber sowie in
Papier und Gewebe eine starke Bräunung, die
im Extremfall bis zur völligen Perforation führte
(Abb. 15, 20). Der Versuch, dieses sehr hydrophile
Anlegemittel mit Wasser herauszulösen, brachte
ein relativ gutes Ergebnis.
Durch brutales Abreißen des auf Holz festgeno-
gelten Entwurfs wurde eine Unzahl häßlidwer
Löcher in Papier und Gewebe verursacht (Abb.
21). An mehreren Stellen durchstießen harte,
spitze oder kantige Gegenstände den Entwurf
(Abb. 22). Kleinere Löcher, die durch Wurm-
fraß (Abb. 19), mechanische Beschädigung und
Nägel (Abb. 21) entstanden waren, füllte ich
mit in der Farbe des Papiers getäntem Pa-
pierkitt. Größere Fehlstellen ergänzte ich durdt
Ansetzen passender Papierstücke. Feuchtigkeit
begünstigte die Oxydation der Eisennägel und
führte zu starken Rostflecken in Papier und Ge-
webe. Diese Flecken ließen sich mit stark ver-
dünnter Salzsäure (etwa 10 bis 15 Prozent) aus
dem Papier herauslösen, doch mußte im An-
schluß sofort gewässert werden.
Für die Trägerplatte hatte man ursprünglich zum
Großteil Föhrenbretter zusammengenagelt, de-
ren Harzfluß Gewebe und Papier durchtränkte
und als brauner Fleck an der Oberfläche des
Entwurfs zu sehen war. Dieses Harz stellte eine
feste Verbindung von Holz, Gewebe und Papier
her. Um den Entwurf von der Platte abnehmen
zu können, mußte ich zuerst diese Harzverbin-
dung mit einem Gemisch von Terpentin und
Alkohol (1:1) lösen.
Die Einwirkung von starkem Licht und der hohe
Anteil an Holzschliff im Packpapier führten im
Lauf der Zeit zu einer starken Bräunung, die
noch von der Rückseite her durch das rohe Holz
der Trägerplatte verstärkt wurde.
Heute ist eine ganze Reihe guter und wirksamer
Bleichverfahren bekannt und erprobt. Doch ver-
zichtete ich auf eine Bleichung des Papiers, weil
sich eine solche bei der Größe der einzelnen
Teile (200x120 cm) und im Hinblick auf den
schlechten Zustand der Farbe sehr schwierig, ia
fast unmöglich gestalten würde. Von der Ergän-
zung der Farben und des Blattmetalls nahm ich
bewußt Abstand, da der Originalentwurf Klimts
trotz aller Alterungssdiäden mit allen Notizen
und Ausführungshinweisen so gut wie möglich
erhalten werden sollte.
Beim Ablösen der einzelnen Teile des Entwurfs
kam an den umgeschlagenen Rändern eine ganze
Reihe bisher völlig unbekannter Notizen, die
sich auf die Ausführung einzelner Details be-
ziehen, zum Vorschein. Überdies wurde durch
die alte Montierung manchmal auch ein Rand-
streifen des Entwurfs verdeckt, wodurdw das ur-
sprüngliche Format verkleinert und der nahtlose
Zusammenstoß der einzelnen Entwurfsteile ver-
hindert wurde. Für die neue Montierung waren
die von Klimt selbst eingezeichneten Abgren-
zungslinien maßgeblich, die von ihm auch mehr-
mals als „richtigeswMaß, falsches Maß" oder
kurz „richtig - falsch" näher definiert wurden.
Die Teile des Entwurfs faltete ich in der Verti-
kalen genau an der Maßlinie. Um eine Ein-
heitlichkeit in der Höhe zu gewährleisten, war
es aber notwendig, manchmal über die horizon-
talen Maßlinien hinauszugehen, da die Höhen
der einzelnen Teile durch die Unterschiedlichkeit
des Papiers variierten.
Ich mußte aus diesen und anderen Gründen
eine besondere Halterungstechnik entwickeln, die
es jederzeit erlaubt, die Notizen auf den um-
geschlagenen Rändern zu sehen, ohne vorher
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Nägel, Klammern und dergleichen herauszu-
ziehen oder Klebstreifen abzulösen. Welches
Material sollte nun für die neue Halterung ge-
nammen werden? Holz schied aufgrund seiner
schädlichen Einflüsse auf Papier und Farbe aus.
Spanplatten, die in der Hauptsache aus Holz
bestehen, kamen ebenfalls nicht in Betracht. Wie
sich aus den durchgeführten Tests ergab, wird
bei diesen Platten nicht nur der schädigende
Einfluß des Holzes wirksam, sondern auch der
undefinierbare, beißend rieduende Anteil des
Bindemittels. Papier bräunte bei Alterungsver-
suchen im Wärmeschrank viel rascher, wenn
diese Spanplatten als Träger benützt wurden.
Tests mit altem Fichten- und Tannenholz zeigten
bei gleicher Prüfzeit und gleicher Temperatur
viel weniger Bräunung im Papier. Platten, be-
stehend aus glasfaserverstärkten Polyester- oder
Epoxydharzen, konnten neben einer Reihe ande-
rer Gründe wegen ihrer leichten Verformbar-
keit bei dünnem Querschnitt nicht überzeugen.
Bei all diesen Testversuchen zeigte eloxiertes
Aluminium vorn Typ Al 99,3 halbhart keine Ver-
ünderung des Papiers. Aluminium hat auch, wenn
es dünn ist, eine völlig plane Oberfläche und
genügend statischen Halt. Dieses Material hat
sich für meinen Zweck ausgezeichnet bewährt,
und ich bin davon überzeugt, daß es in vielen
restauratorischen Bereichen verwendet werden
könnte. Meines Wissens stellen die Montierung
des Stoclet-Entwurfs mit Aluminium und meine
Methode der nagel- und klebstofffreien Halte-
rung ein absolutes Novum dar.
Für die vier bereits montierten Teile des Ent-
wurfs schenkte die Firma Vereinigte Metall-
werke Ranshofen-Berndorf AG die Aluminium-
platten des oben genannten Typs dankenswer-
terweise dem Museum.
Der Aufbau der Halterung gliedert sich folgen-
dermaßen (Abb. 24):
a) Grundplatte (Abb. 25 und 27)
b) lsolierschicht von holzfreiem Japanpapier
c) Entwurf und Verschnürung
d) Trägerplatte (Abb. 26)
e) Entwurf
f) Verglasung mit Perspex-Acrylglasplatten
g) Spannfeder (Abb. 27)
h) Haltebacken (Abb. 27)
i) Winkelprofil zur Verstärkung der Grundplatte
(Abb. 25)
k) Winkelprofil zum Festhalten der Perspexver-
glasung
Bei Grund- und Trägerplatte verzichtete ich auf
den maßgeredwten Zuschnitt der Normplatten
mittels Schlagschere. Grund dafür war der Um-
stand, daß beim Schneiden mit der Schlagschere
das Metall an der Schnittkante deformiert wird
und infolge der Pressung leicht zur Wellenbil-
dung neigt. Das Zuschneiden mit der Stichsäge
war für mich wesentlich zeitraubender, iedoch
hatte ich die Gewähr, völlig plane Aluminium-
platten zu erhalten.
Für Grund- und Trägerplatte erwies sich eine
Stärke von 3 mrn als völlig ausreichend. Zu dünne
Platten würden sich bei dem Format von 200 x 120
cm zu leicht verformen. Zu starke Platten hin-
gegen erhöhen das Gewicht. Mit einem Winkel-
profil (30x30x3 mm) verstärkte ich die Grund-
platte an den Kanten. Zur Befestigung aller
Einzelteile verwendete ich eloxierte Aluminium-
schrauben und vernickelte Messingschrauben
(M 5 mit versenktem Kopf). Um die Haltebacken
der Trägerplatte an der Rückseite der Grund-
platte mittels Stahlfedern zu fixieren, war es
nötig, dementsprechende Ausnehmungen an der
Grundplatte zu machen (Abb. 25). Die Träger-
platte (Abb. 26) fertigte ich in Länge und Breite
um 6 mm kleiner als die Grundplatte, damit der
Haltewinkel (Abb. 24 k) nicht am Papier des Ent-
wurfs scheuern kann. Durch die eingebau
lierschicht von holzfreiem Japanpapier (Ab
wird ieder Kontakt des Entwurfs mit dem
vermieden. Auch klimatisdte Schwankung:
denen das Metall naturgemäß ein andere
halten als das Papier zeigt, sollen durch d
panpapier ausgeglichen werden. Ein Loch
in Grund- und Trägerplatte (Abb. 26) so:
ausreichende Belüftung von der Rückseit
Befestigung des auf Landkartenmollino ka
ten Entwurfes ließ ich den Mollino in
Breite von 5 cm über das Maß des Er
stehen. Durch diesen Saum führt eine A:
schnüru-ng, die ein Verrutschen des Entwu
Transporten und sonstiger Bewegung verh
Diese Verschnürung (Abb. 26) hat dur:
Stärke des Garns die zusätzliche Aufgabe,
Abstand zwischen Grund- und Trägerplc
schaffen. Der so entstandene Zwischenraur
als eine Art Luftreservoir, um durch die
rierte Trägerplatte Luft an die Rücksei
Entwurfs abzugeben. Grund- und Träge
wurden mit Stahlfedern, die ich aus Bar
(25x1,5 mm) schmiedete, verbunden. Sie
die Aufgabe, unter einem bestimmten, l
nent wirkenden Druck die beiden Plotten :
menzuhalten und harte Stöße bei Trans
abzutedern. Als Schutz gegen die Oxy
wurde die Oberfläche der Stahlfedern v
rnet. Eingeschoben werden die Federn in
dafür vorgesehenen Schlitz an den Haltel
(Abb. 24, 27), die durch ihre Konstrukti:
Herausrutschen der Feder verhindern. Z:.
glasung verwendete ich 5 mm starke P1
Acrylglasplatten vom Typ VE von ICI, L
welche einen absoluten UV-Schutz gewäh:
(Abb. 24). Mit einem Winkelprofil (46x7x
werden diese Perspexplatten festgehalten
24 k).
Die umgeschlagenen Teile des Entwurfs si
meiner Methode der Halterung iederzeit
weniger Handgriffe zugänglidw. Die K0
tion der Halterung dient nicht nur als Ral
sondern stellt auch einen wertvollen Schu
Schäden, die beim Ein- und Auspacken
wieder durch die Reibung des Packmaterir
standen sind, können nun verhindert werd:
Für Transportzwecke wurden große Sp:
sten mit filzgepolsterten Einschubleisten
fertigt, in welche die einzelnen Teile oh:
liches Packmaterial eingeschoben werde
Aufbewahrung dient dieselbe Kiste, nu
hier ein mit vielen Löchern versehener
verwendet.
Meine Zielsetzungen bei der Restoiurieru
Klimt-Entwurfes waren: die Sicherung de
Bestandes und eine zweckentsprechende
rung. Mittel und Methoden der Durchf
wurden der Problemstellung entspreche:
wählt.
Dieses fragile Kunstwerk kann damit
sichertem Zustand der Wertschätzung kil
Generationen überantwortet werden.
[.1 Unser Autor:
Akad. Oberrestaurator Ludwig Neustifter,
Österreichisches Museum für angewandte
Lehrbeauftragter an der Hodtschule
Akademie der bildenden Künste
1010 Wien, Stubenring 5