das römische Parlament hat Finanzierungsge-
setze beschlossen, durch die Altstadtgebiete nicht
mehr nur zum Aufgabengebiet von Restaurato-
ren, sondern von Stadtplanern und Wirtschafts-
experten gemacht werden". Schließlich darf ein
Echo dieses Geschehens auch für den Osten
vorausgesetzt werden - man denke an die pol-
nischen, tschechischen oder ungarischen Leistun-
gen -, wenn auch dort gegenüber dem Westen
sehr viel mehr anders geartete Motivgruppen
im Vordergrund stehen, nationale nämlich, die
im Spannungsfeld zwischen diesen Ländern und
Deutschland, aber auch in dem zwischen diesen
Staaten selbst eine verständliche Rolle spielen.
Nun darf zwar die österreichische Situation als
Analogie betrachtet werden: auch hier gilt noch
das alte Denkmalschutzgesetz aus dem Jahr
1923, das nur gestattet, Einzelobjekte unter Schutz
zu stellen. Auch hier hat sich die Überzeugung
durchgesetzt, daß von da aus zur Erhaltung
ganzer Altstadtteile übergegangen werden muß.
Bis jetzt ist dieses Anliegen auf staatlicher Ebene
aber nur bis zum Entwurf einer Novelle zum
Denkmalschiutzgesetz gediehen, und wenn dieser
Entwurf auch den Ensemblebegriff bereits kennt,
so kennt er doch nicht - entsprechend ausländi-
schen Beispielen - eine entsprechende fina-n-
zielle Verpflichtung des Bundes zur Leistung der
nötigen Unterstützungen von Eigentümern ge-
schützter Objekte. Noch 1973 stellte etwa der
Staat für das gesamte Bundesgebiet rund 20
Millionen Schilling für solche Zwecke zur Ver-
fügung, während allein das Budget des Bundes-
landes Wien zum selben Zeitpunkt bereits 30
Millionen pro Jahr ausmachte. Kein Wunder
also, wenn die österreichischen Bundesländer
gleichsam im Alleingang versucht haben, Abhilfe
zu schaffen: während Salzburg und Wien auf
Landesebene Altstadterhaltungsgesetze beschlos-
sen und Fonds gegründet haben, bemühen sich
andere Städte und Länder entweder Analoges
z-u tun (Graz, Innsbruck) oder durch Direkt-
maßnahmen die Aufgaben der Altstadterhaltung
voranzutreiben (Krems, Schärding, Steyr etc.). In
ihrer Gesamtheit haben die österreichischen Bun-
desländer als Punkt A14 ihres „Forderungspro-
gramms" an den Bund überhaupt beschlossen,
die Kompetenz „Denkmalschutz" auf die Lan-
desebene übertragen zu lassen.
An dieser Stelle soll ein Beispiel genügen, diese
Entwicklung zu belegen, dasjenige Wiens.
Zunächst ist schon die Änderung der Verwal-
tungsstruktur ein lndikator für den Prozeß, der
im Schoß eines solchen Stadtorganismus ab-
läuft: standen für Belange der „Stadtbild- und
Denkmalpflege" 1967 nur zwei hauptamtliche
Mitarbeiter zur Verfügung, so zählt man heute
neun. Gab es zum selben Zeitpunkt außer der
Bauordnung keine gesetzlichen Möglichkeiten zu
entsprechenden Aktionen, so existiert seit 1972
in Form einer Novelle zur Bauordnung ein Alt-
stadterhaltungsfonds, der, aufbauend auf den
Leistungen des Wohnungsverbesserungsgesetzes,
jährlich rund 35 Millionen Schilling zur Abdek-
kung der künstlerisch nötigen Zusavzarbeiten zu
vergeben hat. Stehen durch Bescheide seitens
des Bundes rund 800 Objekte der Stadt unter
Schutz, so können durch die Einführung des
„Schutzzonenbegriffs" auf Landesebene - elf
dieser Zonen sind bereits rechtskräftig - 10.000
Fassaden als bedeutsam für das Stadtbild be-
wahrt werden ".
Zunächst also eine Änderung im „Apparat" der
städtischen Verwaltungl Was aber ist die Effi-
zienz dieses neu geschaffenen Apparates? Er
agiert im Rahmen des folgenden Maßnahmen-
katalogs:
Zunächst werden Häuser in „Schutzzonen" re-
stauriert. Die Beiträge schwanken nach den bis-
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herigen Erfahrungen von etwa 20.000 Schilling
bei einfachen Objekten bis zu 2 Millionen bei
komplizierteren, wobei immer vorausgesetzt ist,
daß die Substanz des Gebäudes selbst entweder
im guten Zustand ist oder durch Eigeninitiative
des Eigentümers unter Ausnutzung aller sonsti-
gen Förderungsmöglichkeiten in einen solchen
versetzt wird. lst das nid1t der Fall, beauftragt
die Stadt Gesellschaften mit der Sanierung, wie
dies in den Fällen Blutgasse, Schönlaterngasse,
Am Gestade, am Ruprechtsplatz geschehen ist
und am „Spittelberg" geschehen wird, um nur
einige Beispiele aus der „inneren Stadt" und
ihren ehemaligen Vorstädten zu nennen. Eine
der Hauptsorgen dabei: die Preisbildung der
sanierten Wohnungen, die zur Zeit durch geeig-
nete gesetzliche rund andere Maßnahmen auch
in den Bereich kleinerer Einkommen als er-
schwinglich überführt werden soll, ist, wie in
vielen Städten, so auch in Wien ein Problem.
Sodann werden - wenn es weder um Restaurie-
rung noch Sanierung geht - Veränderungen am
historischen Bestand einer Sahutzzone (Abbrü-
che, Umbauten, Neubauten) einer Begutachtung
nicht nur seitens der Architekturabteilung des
Wiener Magistrats, sondern auch seitens des
Kulturamtes der Stadt Wien unterzogen. Sowohl
Prozesse der Stadtplanung - mit ihren Festle-
gungen von Baufluchtlinien, Bauklassen etc. -
als auch der Liegenschaftsverwaltungen - mit
ihren Transaktionen alten Baubestandes - als
auch des Baugeschehens selbst - mit ihren bau-
polizeilichen Vorschreibungen - werden durch
den Filter dieser Prozedur geleitet, um nach
Möglichkeit zu gewährleisten, daß störende Ein-
griffe nicht zustande kommen.
Vielleicht ist gerade für eine Stadt wie Wien
der Hinweis angebracht, daß die zeitliche Grenze
der Gebäude, die solcher Betreuung unterliegen,
nicht etwa um 1850 gezogen und alles, was da-
nach geschaffen wurde, als nicht schützenswert
empfunden wird. Der Wiener Historismus - nicht
nur der der Ringstraße, sondern auch etwa der
des Botschafterviertels (man denke an die Met-
ternichgasse, die Schwindgasse etc.) - gilt der
Stadtverwaltung ebenso als Stigma der Donau-
metropole wie die Zeugnisse der folgenden Epo-
chen: die Restaurierungsproben des städtischen
Kulturamtes an den Otto-Wagner-Pavillons der
Stadtbahnstationen Karlsplatz, die Finanzierung
der Restaurierung von Wagners Kirche am Stein-
hof, die Zuschüsse zu der Restaurierung von
Wagners Villa in der Hüttelbergstraße 26 oder
zum berühmten Hofpavillon, Zuschüsse zur Re-
staurierung der Werke von Schülern Wagners
(Zacherlhaus am Wildpretmarkt etwa, Hoffmann-
Villen) oder der Ankauf des Adalf-Loos-Hauses
in der Larachegasse 3 zeugen davon.
Aber nicht minder wichtig scheint bei all diesen
Objekten, den Finger auf den Umstand zu le-
gen, daß es sich hier zumeist nicht um Architek-
tur der „hohen Kunst", sondern um „anonyme"
Architektur handelt. Die Millionenbeträge des
Wiener Altstadterhaltungsfonds dienen nicht in
erster Linie Monumentalbauten - wie den zi-
tierten Werken Wagners -, sondern vor allem
dem Bürgerhaus oder Weinbauernhaus, wie es
sich am Rande der Stadt in den ehemaligen
Ortskernen noch findet, oft geadelt durch einen
Aufenthalt Beethovens (für dessen Eroica-Haus
und dessen „Heiligenstädter-Testament-Haus" die
Stadt Millionenbeträge zwecks Ankaufs und Wie-
derherstellung aufgewendet hat) oder auch an
sich durch jenen Charme, der bis in die Romane
Doderers hinein zum unabdingbaren Bestands
Wiens gehört.
Kurz, daß es hier um das Ambiente und nicht
um Kunst in musealer Isolierung geht, dürfte
daraus ebenso klargeworden sein, wie es aus
einigen „Begleitumständen" ablesbar erscheint:
nicht nur, daß die Stadtverwaltung über die Ge-
bäude hinaus sich um die „Ausstattung" des
Straßenraumes zu kümmern hat, z. B. durch die
Pflege von 1500 Skulpturen (1975, dem Jahr des
100. Geburtstages von Anton Hanak, gedenkt
das Referat für Stadtbild- und Denkmalpflege
mit der Nachlaßverwaltung des Bildhauers zu
prüfen, ob nicht Werke des Bildhauers, die im
Modellzustand steckengeblieben und nie ge-
gossen worden sind, posthum noch realisiert wer-
den könnten), tut sie das auch durch ihre Prä-
sentation wertvollen Bestandes in Form von Fest-
beleuchtungen, Tafeln der Aktion „Wien - eine
Stadt stellt sich vor" u. a.
Schon Dvorak mahnte in seinem „Kated1ismus
der Denkmalpflege", daß das Geringe oft mehr
der Beachtung bedürfe als das Große m. Und er
hat mit diesem Wort den Weg der Denkmal-
pflege vorausgewiesen, den sie im 20. Jahrhun-
dert nehmen sollte und der hier am Beispiel
Wiens illustriert wurde: den Weg zur „Altstadt-
erhaltung".
Schlußfolgerungen:
Die Schlußfolgerung aus dem generell und am
Beispiel Wiens Vorgesagten kann nur eine Fest-
stellung sein, die manchem gewiß als Ketzerei
erscheinen wird: nämlich, daß die heutige
„Blüte" der Denkmalpflege etwas Temporäres,
ein Durchgangsstadium, etwas ist, was wieder
welken muß und soll. Diese Konklusion bezieht
sich vornehmlich auf die Ausweitung der Denk-
malpflege zur Altstadterhaltung. Es ist nicht Auf-
gabe der Denkmalpflege, humanen Lebensraum
zu schaffen. Daß sie es heute - unter dem Titel
„Altstadterhaltung" - tut, ist ein interimistisches
Einspringen für jene lnstanz, die eigentlich legi-
timiert ist, diesen Bedarf zu decken: die jeweils
zeitgenössische Architektur. Es ist schon gesagt
worden: daß moderne Architektur heute diese
Aufgabe nicht erfüllen kann, liegt nicht so sehr
an ihr als an der Gesellschaft, der sie zu dienen
hat. Gesetzt aber, daß diese Gesellschaft einen
anderen Aggregatzustand erreicht hätte als den,
in dem sie jetzt verharrt, so könnte damit sehr
wohl ein Nährboden entstanden sein, der dem
Baukünstler ermöglichen würde, architektonische
Umwelt zu schaffen, die man dann nicht mehr
aus der Vergangenheit, sondern aus der Gegen-
wart so beziehen würde, wie man sie sich
wünscht. Von diesem Moment an würde die
Ausdehnung der Denkmalpflege zur Altstadter-
haltung ihre Legitimation weitgehend verlie-
ren, auch wenn das den Verteidigern „ewiger
Werte" unangenehm zu hören ist. Wer aber mit
philosophischem oder soziologischem Denken
sich vertraut gemacht hat, würde darin nichts
Bekümmerndes finden, sondern einen Nachweis
dafür, daß auch eine Sache wie Denkmalpflege
nicht eine des Absterbens, sondern des Einbe-
zogenseins ins Leben ist.
Anmerkungen 8-10
'Vgl. zu Die Anführungen van J. P. Pigeat und C. Dreyfus
am Altstadterhaltungskangreß in Split von 20.-23. 10. 1971,
publiziert in der Europarotspublikatian „CONFERENCE
EUROPEENNE DES POUVOIRS LOCAUX" CPLIP (B) 36,
sowie die Arbeiten in Bologna.
'Zu diesen und den folgenden An aben vgl. die Sonder-
nummer „Altstadterhaltung in gNien" der Zeitschrift
„Aufbau" Nr. 516 1973.
"Max Dvorak: Katechismus der Denkmalpflege, Wien 191a,
2. Auflage, s. 24.
Q Unser Autor:
Dr. Gerhardf Kapner
Obermagistratsrat am Referat
für Stadtbild- u. Denkmalpflege
Lehrbeauftragter f. Kunstsoziolagie an der
Universität Wien
Mag-Abtlg. 7, Rathaus
1010 Wien