Für den Kunstsammler
Volker Kutschera
Spielzeugsammeln
Daß das Spielen mit Spielzeug eine Domäne der
Kinder sei, glaubt heute wohl niemand mehr. Es
ist nicht nur iener merkwürdige Hang zum Spiel,
der Dichter und Denker immer wieder konstatieren
ließ: „ln iedern rechten Manne steckt ein Kind",
der uns zu Spielzeug-Liebhabern werden lößt -
wör' er die einzige Triebfeder, müßten wir dabei
die vielen in Spielzeug verliebten Frauen in aller
Welt übersehen, die aber ganz entschieden un-
übersehbar geworden sind. Es muß also einfach
von Erwachsenen gesprochen werden.
Denn der Erwachsene macht - was die Liebe zum
Spielzeug anlangt - mit seinem Kopfe wett, was
ihm an unmittelbarer, kindlich unbefangener Be-
ziehung zum Spielzeug mit dem Zugewinn von
Schlips und Nylons allmählich verlorengegangen
war. Er sammelt. Er trägt natürlich nicht wahllos
zusammen, womit zu spielen ihm gerade Spaß
bereitet - er sammelt mit System. Er organisiert
seine Sammlung und schließlich sich selbst samt
seiner Sammlung - etwa in einem Sammlerklub,
den unter anderem eine Sammlerzeitschrift zusam-
menhölt.
Kurzum, er baut sich gewitzigt iene Brücken, die in
ein fast verlorenes Paradies hinüberragen sollen,
nicht ohne die nun einmal für seine aufgeklärte
Welt notwendig erscheinenden Stützen aus Leistung,
Repräsentation und einer nicht zu knappen Portion
Wissenschaftlichkeit. So gelingt es ihm, nicht nur
ohne Einbuße, sondern sogar noch mit beträchtli-
chem Gewinn für das Erscheinungsbild seiner Per-
sönlichkeit, was ihn im Innersten bewegt und freut
- nämlich das Spielen mit Spielzeug -, auch nach
außen hin sichtbar näher an den Mittelpunkt seines
Lebens und Strebens heranzurücken.
Freilich werden Sie ietzt einwenden, Sie hätten den
Eindruck, daß es manch einer der Ihnen bekannten
Jünger der gerade in unseren Tagen stetig zuneh-
menden Zunft der Spielzeugsammler bei der Be-
schäftigung mit den „Stützen" und „Pfeilern" der
zitierten „Brücke" in die Welt seiner Spielzeug-
Sehnsüchte bewenden lasse, ohne ie ernsthaft An-
stalten zu machen, sie zu benutzen, um ungestört
von der Meinung seiner Umwelt sich ganz dem
sonst verlorenen Paradies des Spielens zuzuwen-
den. Sie haben recht - aber ist nicht das Bauen von
Brücken in eine vergangene Welt die allerausge-
klügeltste, raffinierteste Form des Spielens? Aber
lassen wir Spitzfindigkeiten beiseite, es ist schon
ein faszinierendes Erbe der Kindheit in uns, das
Phantasie und Freude am Spielzeug, am Spielen
sei, ia, daß Fortschritt ohne neugieriges Spielen
überhaupt nicht zu denken wäre. - Wer sich dem
Spielzeugsammeln verschrieben hat, weiß das aus
ganz privater Erfahrung! Meist verlegt sich nämlich
das Spielen der Erwachsenen mit alten, gesammel-
ten Spielsachen aut das „Nacherfinden" und Wie-
derherstellen ihrer vormaligen Funktionen, aufs Re-
parieren, Restaurieren und Ergänzen. Die solcher-
maßen geforderten Kenntnisse der innersten, „intim-
sten" Sphären des ieweiligen Spielzeugs nehmen
diesem keineswegs den Reiz, ia, sie vertiefen so-
gar die „spielerische" Beziehung zum geliebten
Obiekt Spielzeug.
Das Sammeln von Spielzeug - und das ist einer
der unschätzbaren Vorzüge dieser Liebhaberei -
84