. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Spielkarten und Kartenspiele
Schriften der Bibliothek 10
Ausstellungsraum der Bibliothek
und Kunstblättersammlung
Altes Haus, 1. Stock,
1010 Wien, Stubenring 5
28. 5.-1. 9. 1974
lst Österreich ein Land der Kartenspieler? Dem
hier Aufgewachsenen, Eingesessenen stellt sich
diese Frage erst gar nicht. Er weiß vom unwider-
stehlichen Hang des Knaben zum Spiel mit den
Karten in versteckten Hinterhöfen, vom einfach-
derben Kartendreschen in Wirtsstuben und
Pensianistenlauben heimischer Parks, vom Bridge-
klub der Bürger und den unzähligen Varianten der
Kartenspiele und Spielgelegenheiten bis hinauf zum
Cercle privee der High-Society. Allen gemeinsam
ist die Freude am Spiel mit den Karten. Nichts
interessanter also, als einiges über Herkunft und
Wesen dieses weitverbreiteten Spiels zu erfahren.
Einmal mehr öffnete sich die schier unerschöpfliche
kleine „Schatzkammer" der Bibliothek, um eine
homogene, von Frau Dr. Hanna Dornik-Eger klar
eingerichtete Schau freizugeben. Vam Buchbinder
des Hauses, Herrn D. Scholz, wurde ihr dabei
vorbildlich assistiert. Von der Presseführung der
„Porzellanmacher" Spurey herübergekommen,
stand man plötzlich in einer ganz anderen Welt,
vor Kleinwerken exzellenter graphischer Kunst und
war sehr beeindruckt. Und dann wird man viel
tiefer in das Wesen der Kartenspiele eingeführt,
als man annehmen kann. Da ist das Auf und Ab
einer Entwicklung, die zeitweise voller Dramatik ist,
und der Spielkartenkundige von heute ist erstaunt
zu hören, daß es Verbote gab, daß man
Spielkarten verbrennen ließ. Viterbo, 1376,
bedeutete einen der schwärzesten Tage für die
Anhänger des „teuflischen" Spiels, ein generelles
Spielverbot stoppte alle damit verbundenen
Freuden. Weitere Erschwernis des Ansehens der
Spielkarte war, diese eher als nutzlosen Gebrauchs-
gegenstand zu klassifizieren. Als „Wegwerfware",
wenn benützt und abgenützt. Um so beträchtlicher
daher der Wert erhalten gebliebener, über die
Jahrhunderte auf uns zugekommener Kartenspiele.
lm 14. Jahrhundert, vermutlich aus dem Orient
nach Europa gekommen, breitete sich das Spiel
mit den Karten vorerst über Italien, Frankreich
und Deutschland nach und nach in ganz Europa aus.
Sein Siegeszug war durch anfängliche Verbote
nicht nur nicht mehr aufzuhalten, im Gegenteil,
man huldigte gerade diesem Spiel mit besonderer
Spiellust, ia geradezu mit Fanatismus. So besteht
auch heute unverrückbar eine unabsehbare
Gemeinschaft derer, die sich diesem Spielvergnügen
hingeben, dem die Besessenheit ebenso innewohnt
wie das galante Tändeln der Welt des „Ancienne",
in der über gefächerten Kartenblättern hinweg
dereinst und auch heute noch amauröses Blick-
eplönkel die Lust am Kartenspiel erhöhte.
Spielkarten und Kartenspiele sind somit von
ihrer Anlage her sowohl künstlerische und
kulturgeschichtliche Dokumente wie auch von ihrer
vergnüglichen Verwendung her gesehen Obiekte,
die Lust ebenso wie unersöttliche Sucht wenn einer
vom Spielteufel besessen ist - hervorzurufen
imstande sind (Abb. 1, 2).
Linde Waber
Farbholzschnitte 1971-1974
Katalog Neue Folge Nr. 31
Altes Haus, Säulenhof
Wien 'l, Stubenring 5
1.-31. 8. 1974 (14 Tage verlängert)
Wie das natürlich gefaserte, genarbte Holz unter
ihren Schnitten steht im Grunde ihres Wesens die
schlichte Einfachheit ihrer ländlichen Herkunft.
Und sie, die stets mit einem Lächeln, das sie aus
den Wäldern ihrer Kindheit herübergerettet
zu haben scheint, in dieser Stadt lebt und arbeitet,
meint, „. . . daß sie die Großstadt krank macht"! -
und „. . . meine eigene innere Landschaft entspricht
dieser Situation". Linde Waber, auf Feldern und in
Wäldern frei aufgewachsen, prallt unmittelbarer -
obwohl sie lange genug schon in der Betonsauna
Stadt lebt - an Einengung, Verbauung, Verfall,
90
Morbidität und Pseudotümelei. Hier liegt ihr
künstlerischer Ursprung, ihr Ankämpfen, ihr echtes
human-künstlerisches Engagement. Sie prangert
in der harten Kunst des Holzschnittes hart die
allmähliche Auflösung letzter, naturhafter Zustände
dieser Welt an. Sie charakterisiert mit der
Darstellung der so tausendfach toten Welt eines
„Autofriedhofes" nichts anderes als das unauf-
haltsame tödliche Verrosten der menschlichen
Gesellschaft, verstrickt in die Hybris alleszer-
fressender Technisierung. Linde Waber sieht mit
Entsetzen, wie „schön" die Stadt wächst und das
so lebensnotwendig „soziale Grün" eingeengt,
zugebaut, verzementiert wird. In ausgewogenen
Kompositionen offenbart sich eine reiche Thematik,
Okzidentales scheint ihrem Wesen wie ihren
Arbeiten zu entströmen. Reisen, mehrere nach
Japan, nach Afrika und gelegentliche „Heimfahrten'
ins Waldviertel schenken neue Eindrücke, eröffnen
neue künstlerische Bildwelten. Manchmal sieht
die Darstellung ihrer Welt seltsam verzerrt,
vertrackt aus, so wie sie sie im Grunde wahr und
bloßgelegt, in ihrer skelettartigen Ursprünglichkeit
erkennt und sdmeidet. Jedes Blatt ein reiches,
spannungsgeladenes Feld markanter, spontan,
doch bewußt gesetzter Balken, Linien und Schraffen,
die tiefe, svmbolgeladene Räume mit realitäts-
bezogenen Akzenten schaffen. Linde Waber wird
von nidit wenigen nicht recht verstanden. Obwohl
nicht als „Abstrakte" abgestempelt, schneidet sie
vielen zuwenig wahre, sag realistische Natur in
ihre Holzschnitte. Doch das hindert eine Linde
Waber nicht, sich zu engagieren, auf die Barri-
kaden zu steigen, wenn sie das langsame Krepieren
der Stadt bedrückt. Außerdem ist oder scheint sie,
Liesl Uivary zufolge, zu den Menschen zu gehören,
die unter anderem immer ein fröhliches Naturell
zu haben scheinen . . ., bei allen beliebt zu sein
scheinen . . ., nie in Schwierigkeiten zu stecken
scheinen und die (siehe oben) nie gekränkt zu
sein scheinen und die (trotz allem) mit sich und
der Welt zufrieden zu sein scheinen . . .1 (Abb. 3, 4)
1
Keramische Farmen
Werke von sieben britischen Keramikern
Crafts Advisory Committee, London +
British Council, Wien
Altes Haus, Eitelbergersaal
Wien 1, Stubenring 5
13. 9.-13. 10. 1974
Eine bohemienhaft wirkende Gruppe, mit Bier-
gläsern und Zigaretten, kommuniziert als Plakat-
träger. Lebendig, lebensnah - frischen Wind aus
Old England mitbringend. Sieben unkomplizierte
Youngster aus dem „Swinging London" konnte
ein allem Neuen aufgeschlossener Direktor,
Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek, im Haus begrüßen.
Er tat dies mit Dank an die mitveranstaltenden
Institutionen und Genugtuung, weil er im Austausch
und in der wechselseitigen Präsentation iedweder
künstlerischer Äußerungen ein willkommenes Mittel
sieht, gute Tendenzen zu vermitteln, heimischen
Künstlern und Kunsthandwerkern frische lntentianen
und frisches Blut zuzuführen, und umgekehrt.
Er empfindet die Existenz des CAC : Crafts
Advisory Committee, eines konstitutionierten
Beratungsausschusses für Kunsthandwerk in London,
als fruchtbringend und als eine für Österreich
wünschenswerte Einrichtung. Ob's dazu kommen
wird? -
Glenys Bartan, Paul Astbury, Jacqueline Poncelet,
Elizabeth Fritsch, Jill Crowley, Geoffrey Swindell,
Gordon Baldwin, so heißen sie, die sieben iungen
Briten, die keramische Formen zeigten. Die
Betonung liegt auf Formen, was auch gleich eine
Signifizierung ihrer Arbeiten bedeutet. Sieben
Töpfer-Individualisten, ein orthodoxes Studium
an der Londoner Royal Academy hinter sich, die,
keinerlei Anspruch auf Arriviertheit erhebend,
in nach neutraler Selektion zustande gekommener
Gruppe eine partielle Demonstration kontemporörer
britischer Keramik darstellen. Beim ersten Um-
blicken fällt tatsächlich der frische unkonventionelle
Zug auf, der durch die Schau geht. Man registriert
geometrische Komponenten, Futuristisches, wie das
devastierte Wrack eines Raumschiffes, Felsen
aus „schwarzem" Anti-Porzellan, zartest-graviertes
Weißporzellan mit kleinen Löchern, eine verspielte,
lustig anmutende „Teekannenherde" neben
handkofferartigen Schöpfungen und uns in der
Form „bekannteren" gebräuchlicheren Objekten
in leichter, neuartiger Bemalung. Was doch auf-
fällt, daß trotz des Titels mit Hauptgewicht auf
Formen nicht wenige Arbeiten doch dem gängigen
Formenkanon einzuordnen wären, was durchaus nicht
heißt, sie stünden deswegen im „Offside". Was
einem nach dem Verlassen der Ausstellung erst
auffällt, man hat vergessen - obwohl man es
wollte -, danach zu schauen, was von Mann und
was von Frau geschaffen wurde. Ach ia, am Plakat
entdeckt man's wieder - die Damen, deren vier,
waren in der Überzahl. Aber sonst, von den
Arbeiten her, waren es einfadi sieben iunge Briten,
deren freibildnerisches und experimentelles Schaffen
einiges für die Zukunft erhoffen läßt (Abb. 5, 6).
Außerhalb des Stammhauses:
Metallarbeiten des Historismus
SchloB Grafenegg bei Krems
Auch im heutigen Sommer bis hinein in den Herbst
(4. 5.-1. 11. 1974) waren über die bisher gezeigte
Sammlung galvanoplastischer Kopien des 19. Jahr-
hunderts hinaus weitere Metallarbeiten, diesmal
aber Originale, gleichfalls des 19. Jahrhunderts,
aus dem Besitz des Museums hier ausgestellt.
Wenn man weiß, wie alle diese Metallarbeiten
trotz sorgfältiger Betreuung durch FOl Fr. Steiner
ein „lichtloses" Dasein in Flurdepots fristen, dann
kann man es nur gutheißen, daß diese zu Demon-
strationszwecken ans Tageslicht geholt und wie in
Schloß Grafenegg einen stilgemäßen würdigen
Rahmen und - wenn auch nur vorübergehend -
Publikumsinteresse und Beachtung finden.
Hofrat Dir. Prof. DDr. Gerhart Egger wollte hiermit
die künstlerische Situation des Historismus etwas
ausleuchten, weiß man doch, wie groß die
Bedeutung dieser Galvanos als Vorbilder für den
Künstler des Historismus gewesen ist. Bei dieser
nun erfolgten Gegenüberstellung von Original und
Kopie sollte auf die Parallelität des künstlerischen
Vorgangs aufmerksam gemacht werden, denn der
Künstler des 19. Jahrhunderts sah ia nicht in der
strengen Gesamtkopie sein Ideal, sondern darin,
aus einzelnen kopierten Teilen neue Obiektformen
zu schaffen (Abb. 7).
Schmiedekunst in Österreich
Neues Museum - Alte Hafmühle
HollabrunnfNiederösterreich
Eine Museumsgründung im niederösterreichischen
Raum bot willkommene Gelegenheit, aus den
Sammlungsbestönden des Hauses „Schmiedekunst
in Österreich" unter die Leute zu bringen. Immer
und immer wieder ist es allererste Aufgabe des
Museums, mit den Kunstgütern der Vergangenheit,
wenn sie es verdienen, das Gegenwartsschaffen
zu befruchten und die große Linie der Entwicklung
fortzusetzen. Momentan hat ein moderner
Schmiedekünstler, Sepp Auer, eine Ausstellung
hier im Stammhaus eröffnet, und a priori erkennt
man sofort, wie selbstverständlich dieses Zurück-
greifen auf Schaffensweise und Tradition gerade
bei diesem uralten Handwerk ist. Hofrat Prof.
Dir. Dr. Wilhelm Mrazek stellte gerne dem Neuen
Museum in Hollabrunn einen Teil der Sammlung
des Museums zur Verfügung. Er bearbeitete
zusammen mit FOI Steiner, der die schmiedeeisernen
Objekte schaureif machte, die Auswahl und
stellt dazu fest:
„Die Sammlung des Museums, eine der bedeutend-
sten in Osterreich, wurde ausschließlich im
vorigen Jahrhundert zusammengetragen. Sie
sollte den Kunstschmieden und Kunstschlossern
Vorbilder für die eigene Produktion liefern.
Die (für Hollabrunn) getroffene Auswahl zeigt
daher einen Uberblidc über das Schaffen dieses
Handwerkszweiges von der Spötgotik bis zum
Hochbarock. Alle Beispiele zeichnen sich durch
Schönheit und Gediegenheit aus und lassen
erkennen, daß die Schmiede und Schlosser in