MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 136 und 137)

. Österreichisches Museum für angewandte Kunst 
 
Spielkarten und Kartenspiele 
Schriften der Bibliothek 10 
Ausstellungsraum der Bibliothek 
und Kunstblättersammlung 
Altes Haus, 1. Stock, 
1010 Wien, Stubenring 5 
28. 5.-1. 9. 1974 
lst Österreich ein Land der Kartenspieler? Dem 
hier Aufgewachsenen, Eingesessenen stellt sich 
diese Frage erst gar nicht. Er weiß vom unwider- 
stehlichen Hang des Knaben zum Spiel mit den 
Karten in versteckten Hinterhöfen, vom einfach- 
derben Kartendreschen in Wirtsstuben und 
Pensianistenlauben heimischer Parks, vom Bridge- 
klub der Bürger und den unzähligen Varianten der 
Kartenspiele und Spielgelegenheiten bis hinauf zum 
Cercle privee der High-Society. Allen gemeinsam 
ist die Freude am Spiel mit den Karten. Nichts 
interessanter also, als einiges über Herkunft und 
Wesen dieses weitverbreiteten Spiels zu erfahren. 
Einmal mehr öffnete sich die schier unerschöpfliche 
kleine „Schatzkammer" der Bibliothek, um eine 
homogene, von Frau Dr. Hanna Dornik-Eger klar 
eingerichtete Schau freizugeben. Vam Buchbinder 
des Hauses, Herrn D. Scholz, wurde ihr dabei 
vorbildlich assistiert. Von der Presseführung der 
„Porzellanmacher" Spurey herübergekommen, 
stand man plötzlich in einer ganz anderen Welt, 
vor Kleinwerken exzellenter graphischer Kunst und 
war sehr beeindruckt. Und dann wird man viel 
tiefer in das Wesen der Kartenspiele eingeführt, 
als man annehmen kann. Da ist das Auf und Ab 
einer Entwicklung, die zeitweise voller Dramatik ist, 
und der Spielkartenkundige von heute ist erstaunt 
zu hören, daß es Verbote gab, daß man 
Spielkarten verbrennen ließ. Viterbo, 1376, 
bedeutete einen der schwärzesten Tage für die 
Anhänger des „teuflischen" Spiels, ein generelles 
Spielverbot stoppte alle damit verbundenen 
Freuden. Weitere Erschwernis des Ansehens der 
Spielkarte war, diese eher als nutzlosen Gebrauchs- 
gegenstand zu klassifizieren. Als „Wegwerfware", 
wenn benützt und abgenützt. Um so beträchtlicher 
daher der Wert erhalten gebliebener, über die 
Jahrhunderte auf uns zugekommener Kartenspiele. 
lm 14. Jahrhundert, vermutlich aus dem Orient 
nach Europa gekommen, breitete sich das Spiel 
mit den Karten vorerst über Italien, Frankreich 
und Deutschland nach und nach in ganz Europa aus. 
Sein Siegeszug war durch anfängliche Verbote 
nicht nur nicht mehr aufzuhalten, im Gegenteil, 
man huldigte gerade diesem Spiel mit besonderer 
Spiellust, ia geradezu mit Fanatismus. So besteht 
auch heute unverrückbar eine unabsehbare 
Gemeinschaft derer, die sich diesem Spielvergnügen 
hingeben, dem die Besessenheit ebenso innewohnt 
wie das galante Tändeln der Welt des „Ancienne", 
in der über gefächerten Kartenblättern hinweg 
dereinst und auch heute noch amauröses Blick- 
eplönkel die Lust am Kartenspiel erhöhte. 
Spielkarten und Kartenspiele sind somit von 
ihrer Anlage her sowohl künstlerische und 
kulturgeschichtliche Dokumente wie auch von ihrer 
vergnüglichen Verwendung her gesehen Obiekte, 
die Lust ebenso wie unersöttliche Sucht wenn einer 
vom Spielteufel besessen ist - hervorzurufen 
imstande sind (Abb. 1, 2). 
Linde Waber 
Farbholzschnitte 1971-1974 
Katalog Neue Folge Nr. 31 
Altes Haus, Säulenhof 
Wien 'l, Stubenring 5 
1.-31. 8. 1974 (14 Tage verlängert) 
Wie das natürlich gefaserte, genarbte Holz unter 
ihren Schnitten steht im Grunde ihres Wesens die 
schlichte Einfachheit ihrer ländlichen Herkunft. 
Und sie, die stets mit einem Lächeln, das sie aus 
den Wäldern ihrer Kindheit herübergerettet 
zu haben scheint, in dieser Stadt lebt und arbeitet, 
meint, „. . . daß sie die Großstadt krank macht"! - 
und „. . . meine eigene innere Landschaft entspricht 
dieser Situation". Linde Waber, auf Feldern und in 
Wäldern frei aufgewachsen, prallt unmittelbarer - 
obwohl sie lange genug schon in der Betonsauna 
Stadt lebt - an Einengung, Verbauung, Verfall, 
90 
Morbidität und Pseudotümelei. Hier liegt ihr 
künstlerischer Ursprung, ihr Ankämpfen, ihr echtes 
human-künstlerisches Engagement. Sie prangert 
in der harten Kunst des Holzschnittes hart die 
allmähliche Auflösung letzter, naturhafter Zustände 
dieser Welt an. Sie charakterisiert mit der 
Darstellung der so tausendfach toten Welt eines 
„Autofriedhofes" nichts anderes als das unauf- 
haltsame tödliche Verrosten der menschlichen 
Gesellschaft, verstrickt in die Hybris alleszer- 
fressender Technisierung. Linde Waber sieht mit 
Entsetzen, wie „schön" die Stadt wächst und das 
so lebensnotwendig „soziale Grün" eingeengt, 
zugebaut, verzementiert wird. In ausgewogenen 
Kompositionen offenbart sich eine reiche Thematik, 
Okzidentales scheint ihrem Wesen wie ihren 
Arbeiten zu entströmen. Reisen, mehrere nach 
Japan, nach Afrika und gelegentliche „Heimfahrten' 
ins Waldviertel schenken neue Eindrücke, eröffnen 
neue künstlerische Bildwelten. Manchmal sieht 
die Darstellung ihrer Welt seltsam verzerrt, 
vertrackt aus, so wie sie sie im Grunde wahr und 
bloßgelegt, in ihrer skelettartigen Ursprünglichkeit 
erkennt und sdmeidet. Jedes Blatt ein reiches, 
spannungsgeladenes Feld markanter, spontan, 
doch bewußt gesetzter Balken, Linien und Schraffen, 
die tiefe, svmbolgeladene Räume mit realitäts- 
bezogenen Akzenten schaffen. Linde Waber wird 
von nidit wenigen nicht recht verstanden. Obwohl 
nicht als „Abstrakte" abgestempelt, schneidet sie 
vielen zuwenig wahre, sag realistische Natur in 
ihre Holzschnitte. Doch das hindert eine Linde 
Waber nicht, sich zu engagieren, auf die Barri- 
kaden zu steigen, wenn sie das langsame Krepieren 
der Stadt bedrückt. Außerdem ist oder scheint sie, 
Liesl Uivary zufolge, zu den Menschen zu gehören, 
die unter anderem immer ein fröhliches Naturell 
zu haben scheinen . . ., bei allen beliebt zu sein 
scheinen . . ., nie in Schwierigkeiten zu stecken 
scheinen und die (siehe oben) nie gekränkt zu 
sein scheinen und die (trotz allem) mit sich und 
der Welt zufrieden zu sein scheinen . . .1 (Abb. 3, 4) 
1 
Keramische Farmen 
Werke von sieben britischen Keramikern 
Crafts Advisory Committee, London + 
British Council, Wien 
Altes Haus, Eitelbergersaal 
Wien 1, Stubenring 5 
13. 9.-13. 10. 1974 
Eine bohemienhaft wirkende Gruppe, mit Bier- 
gläsern und Zigaretten, kommuniziert als Plakat- 
träger. Lebendig, lebensnah - frischen Wind aus 
Old England mitbringend. Sieben unkomplizierte 
Youngster aus dem „Swinging London" konnte 
ein allem Neuen aufgeschlossener Direktor, 
Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek, im Haus begrüßen. 
Er tat dies mit Dank an die mitveranstaltenden 
Institutionen und Genugtuung, weil er im Austausch 
und in der wechselseitigen Präsentation iedweder 
künstlerischer Äußerungen ein willkommenes Mittel 
sieht, gute Tendenzen zu vermitteln, heimischen 
Künstlern und Kunsthandwerkern frische lntentianen 
und frisches Blut zuzuführen, und umgekehrt. 
Er empfindet die Existenz des CAC : Crafts 
Advisory Committee, eines konstitutionierten 
Beratungsausschusses für Kunsthandwerk in London, 
als fruchtbringend und als eine für Österreich 
wünschenswerte Einrichtung. Ob's dazu kommen 
wird? - 
Glenys Bartan, Paul Astbury, Jacqueline Poncelet, 
Elizabeth Fritsch, Jill Crowley, Geoffrey Swindell, 
Gordon Baldwin, so heißen sie, die sieben iungen 
Briten, die keramische Formen zeigten. Die 
Betonung liegt auf Formen, was auch gleich eine 
Signifizierung ihrer Arbeiten bedeutet. Sieben 
Töpfer-Individualisten, ein orthodoxes Studium 
an der Londoner Royal Academy hinter sich, die, 
keinerlei Anspruch auf Arriviertheit erhebend, 
in nach neutraler Selektion zustande gekommener 
Gruppe eine partielle Demonstration kontemporörer 
britischer Keramik darstellen. Beim ersten Um- 
blicken fällt tatsächlich der frische unkonventionelle 
Zug auf, der durch die Schau geht. Man registriert 
geometrische Komponenten, Futuristisches, wie das 
devastierte Wrack eines Raumschiffes, Felsen 
aus „schwarzem" Anti-Porzellan, zartest-graviertes 
Weißporzellan mit kleinen Löchern, eine verspielte, 
lustig anmutende „Teekannenherde" neben 
handkofferartigen Schöpfungen und uns in der 
Form „bekannteren" gebräuchlicheren Objekten 
in leichter, neuartiger Bemalung. Was doch auf- 
fällt, daß trotz des Titels mit Hauptgewicht auf 
Formen nicht wenige Arbeiten doch dem gängigen 
Formenkanon einzuordnen wären, was durchaus nicht 
heißt, sie stünden deswegen im „Offside". Was 
einem nach dem Verlassen der Ausstellung erst 
auffällt, man hat vergessen - obwohl man es 
wollte -, danach zu schauen, was von Mann und 
was von Frau geschaffen wurde. Ach ia, am Plakat 
entdeckt man's wieder - die Damen, deren vier, 
waren in der Überzahl. Aber sonst, von den 
Arbeiten her, waren es einfadi sieben iunge Briten, 
deren freibildnerisches und experimentelles Schaffen 
einiges für die Zukunft erhoffen läßt (Abb. 5, 6). 
Außerhalb des Stammhauses: 
Metallarbeiten des Historismus 
SchloB Grafenegg bei Krems 
Auch im heutigen Sommer bis hinein in den Herbst 
(4. 5.-1. 11. 1974) waren über die bisher gezeigte 
Sammlung galvanoplastischer Kopien des 19. Jahr- 
hunderts hinaus weitere Metallarbeiten, diesmal 
aber Originale, gleichfalls des 19. Jahrhunderts, 
aus dem Besitz des Museums hier ausgestellt. 
Wenn man weiß, wie alle diese Metallarbeiten 
trotz sorgfältiger Betreuung durch FOl Fr. Steiner 
ein „lichtloses" Dasein in Flurdepots fristen, dann 
kann man es nur gutheißen, daß diese zu Demon- 
strationszwecken ans Tageslicht geholt und wie in 
Schloß Grafenegg einen stilgemäßen würdigen 
Rahmen und - wenn auch nur vorübergehend - 
Publikumsinteresse und Beachtung finden. 
Hofrat Dir. Prof. DDr. Gerhart Egger wollte hiermit 
die künstlerische Situation des Historismus etwas 
ausleuchten, weiß man doch, wie groß die 
Bedeutung dieser Galvanos als Vorbilder für den 
Künstler des Historismus gewesen ist. Bei dieser 
nun erfolgten Gegenüberstellung von Original und 
Kopie sollte auf die Parallelität des künstlerischen 
Vorgangs aufmerksam gemacht werden, denn der 
Künstler des 19. Jahrhunderts sah ia nicht in der 
strengen Gesamtkopie sein Ideal, sondern darin, 
aus einzelnen kopierten Teilen neue Obiektformen 
zu schaffen (Abb. 7). 
Schmiedekunst in Österreich 
Neues Museum - Alte Hafmühle 
HollabrunnfNiederösterreich 
Eine Museumsgründung im niederösterreichischen 
Raum bot willkommene Gelegenheit, aus den 
Sammlungsbestönden des Hauses „Schmiedekunst 
in Österreich" unter die Leute zu bringen. Immer 
und immer wieder ist es allererste Aufgabe des 
Museums, mit den Kunstgütern der Vergangenheit, 
wenn sie es verdienen, das Gegenwartsschaffen 
zu befruchten und die große Linie der Entwicklung 
fortzusetzen. Momentan hat ein moderner 
Schmiedekünstler, Sepp Auer, eine Ausstellung 
hier im Stammhaus eröffnet, und a priori erkennt 
man sofort, wie selbstverständlich dieses Zurück- 
greifen auf Schaffensweise und Tradition gerade 
bei diesem uralten Handwerk ist. Hofrat Prof. 
Dir. Dr. Wilhelm Mrazek stellte gerne dem Neuen 
Museum in Hollabrunn einen Teil der Sammlung 
des Museums zur Verfügung. Er bearbeitete 
zusammen mit FOI Steiner, der die schmiedeeisernen 
Objekte schaureif machte, die Auswahl und 
stellt dazu fest: 
„Die Sammlung des Museums, eine der bedeutend- 
sten in Osterreich, wurde ausschließlich im 
vorigen Jahrhundert zusammengetragen. Sie 
sollte den Kunstschmieden und Kunstschlossern 
Vorbilder für die eigene Produktion liefern. 
Die (für Hollabrunn) getroffene Auswahl zeigt 
daher einen Uberblidc über das Schaffen dieses 
Handwerkszweiges von der Spötgotik bis zum 
Hochbarock. Alle Beispiele zeichnen sich durch 
Schönheit und Gediegenheit aus und lassen 
erkennen, daß die Schmiede und Schlosser in
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.