men. Es ist daher schon die Frage aufgetaucht,
ob dann nicht wenigstens die Blätter des Zeich-
ners P1 echte Pilgram-Originalzeichnungen seien
l" Schreiben von Prof. Dr. Korl Oettinger an
den Verfasser).
Die nähere Identifizierung des Zeichners P1 ist
fraglos eine für die künftige Forschung außer-
ordentlich wichtige Frage. Die virtuosen, technisch
aber nicht immer sehr genau gezeichneten Risse
des P1 haben ohne Zweifel mehr theoretischen
Charakter. Entscheidend für seine Charakterisie-
rung sind in diesem Zusammenhang die Risse
Nr. 113 und Nr. 123, ouf denen (neben einer
anderen Gewölbezeichnung) eine originelle Kur-
vatur zu sehen ist, die der Verfasser als das
Gewölbe des Südwestbaldachins im Wiener Ste-
phansdom identifizieren konnte. Da dieses 1511
1
entstandene und mit Jörg Oexel in Verbindung
gebrachte Werk sicher nicht von Pilgram stammt,
konnte letzterer auch kein Interesse daran haben,
als berühmter Meister noch auf methodisch lehr-
gangöhnlichen Rissen das Werk eines Vorgän-
gers zu „kopieren". (ß Dies würde auch kaum
zu der Persönlichkeitsstruktur Pilgrams passen,
die von Karl Oettinger in seinem grundlegenden
Werk „Anton Pilgram und die Bildhauer von
St. Stephan" so großartig herausgearbeitet wur-
de!)
Den klaren Beweis, doß dieser P1 nicht mit Anton
Pilgram identisch sein kann, erbringt aber erst
der Ulmer Riß des Wiener Orgelfußes, der mit
Rötel sehr deutlich 1525 datiert ist. Dieses Datum
schließt aber die Urheberschaft Pilgrams, der
kurz noch 1515 verstorben sein muß, mit Sicher-
heit aus. Die Dotierung in Rötel spricht ebenfalls
für die Wiener Herkunft des Ulmer Risses, da
derartige Rötelzusätze gerade bei den Wiener
„Lehrstücken" nicht selten vorkommen.
10
Riß Nr. 248R mit sich tangierenden Rippenschil-
dern. Doß es sich hier um einen aus Wien stam-
menden Riß hbndelt, beweist die Tatsache, daß
er auf der Rückseite eines Risses der abge-
brochenen Wiener Chorherrenstifts-(„Himmel-
pforts"-)kirche aufgetragen ist. Am unteren Rand
dieses Risses sieht man nun in Rötel einen mit
einer großen Schlaufe versehenen Meisterschild
mit einem Steinmetzzeichen, das dem sehr cha-
rakteristischen Pilgram-Zeichen zwar ähnlich, mit
diesem aber ebenso sicher nicht identisch ist.
Das Gewälbesystem des Risses Nr. 248R ist auf
Riß Nr. 198 ebenfalls versucht worden und dann
auf der Rückseite desselben Blattes erneut ge-
nauer, aber doch wieder mit kleinen Fehlern
durchgezeichnet worden. Modifiziert ist es auch
auf Riß Nr. 147Rl2 mit Eintragung der Stein-
fugenschnitte zu finden, wie dies auch sonst
manchmal von P1 praktiziert wird. Die Rißgruppe
mit den Blättern Nr. 2481i, Nr. 198, Nr. 198R und
Nr. 147Rf2 ist aber symptomotisch für einen
Lehrgang, für den der „Meister mit dem Schlau-
fenschild" die Zentralfigur ist.
Das Steinmetzzeichen des Risses Nr. 248R und
die Jahreszahl 1525 des Ulmer Risses beweisen
nun einander ergänzend, doß der Zeichner P1
nicht mit Anton Pilgram identisch sein kann, wie
{a auch zuvor schon die Risse Nr. 40 und Nr. 41
als typische „Lehrstücke" erkannt wurden. Mit
dieser Feststellung ist aber die auf Grimschitz
zurückgehende hypothetische Konstruktion des
Zeichners Pilgram schon vom Ausgangspunkt her
(Risse der Kanzel und des Orgelfußes im Wiener
Stephonsdom) ohne Zweifel gegenstandslos ge-
worden.
Die zeitlich und stilistisch „pilgramnohe Gruppe"
kann noch durch drei weitere Problemkomplexe.
die übrigens wieder eng miteinander verflochten
dabei um den Erbauer der Stadtkirche zu 1
fen am Neckar, den Wiener Planriß Nr. '
mit dem Grundriß der Marienkapelle der St
dorfer Stadtkirche und endlich um die P
motik der Gewölbezeichnungen für die S
kirche zu Meisenheim in der Pfalz.
Der Meister der Stadtkirche von Win
Am Langhaus der Stadtkirche zu Wimpfc
Neckar sind beim Dachansatz zwei bes:
„pilgramnahe" Steinmetzschilde, die zuderr
in ganz ungewöhnlicher Weise an g
„Schlaufen" aufgehängt sind, zu sehen. Die
der Steinmetzzeichen, die sich in den Sc
befinden, liegen genau in der „Mitte" zw
dem Zeichen des Wiener „Schlaufenme
und des bekannten Steinmetzzeichens Anti
Bildtexte s. S. 12.
grams. Die in Schwaben und Franken i
Zeit um 1'500 ziemlich ungewöhnlichen, vo
Wiener Plonrissen aber wahlbekonnten
schlingengewölbe der Wimpfener Stadt
wurden aber erst 15 Jahre später nacl
Plänen des „ersten Meisters" - leider gil
diesbezügliche Urkunde dessen Namen nit
- durch den Baumeister Bernhard Sporen
geführt. Sparer folgte dann auch im nahen
bronn unmittelbar ouf den Meister des do
Sakramentshauses, der allgemein mit Antc
grom identifiziert wird (" Karl Oettingei
ton Pilgram . . ., a. o. O.)_ Der Verfasser hat
Problematik in mehreren Publikationen l"
Koepf, Neuentdeckte Bauwerke des Meistei
ton Pilgram, Wiener Jahrbuch für Kunstges
te, o. a. O., ders., Die Heilbronner Kilians
und ihre Meister, Veröffentlichungen des A
der Stadt Heilbronn, H. 6, 1961, ders., Ber
Sparer, Lebensbilder aus Schwaben und
ken, Bd. Vll, 1960) zu klären versucht.