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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 138)

men. Es ist daher schon die Frage aufgetaucht, 
ob dann nicht wenigstens die Blätter des Zeich- 
ners P1 echte Pilgram-Originalzeichnungen seien 
l" Schreiben von Prof. Dr. Korl Oettinger an 
den Verfasser). 
Die nähere Identifizierung des Zeichners P1 ist 
fraglos eine für die künftige Forschung außer- 
ordentlich wichtige Frage. Die virtuosen, technisch 
aber nicht immer sehr genau gezeichneten Risse 
des P1 haben ohne Zweifel mehr theoretischen 
Charakter. Entscheidend für seine Charakterisie- 
rung sind in diesem Zusammenhang die Risse 
Nr. 113 und Nr. 123, ouf denen (neben einer 
anderen Gewölbezeichnung) eine originelle Kur- 
vatur zu sehen ist, die der Verfasser als das 
Gewölbe des Südwestbaldachins im Wiener Ste- 
phansdom identifizieren konnte. Da dieses 1511 
1 
entstandene und mit Jörg Oexel in Verbindung 
gebrachte Werk sicher nicht von Pilgram stammt, 
konnte letzterer auch kein Interesse daran haben, 
als berühmter Meister noch auf methodisch lehr- 
gangöhnlichen Rissen das Werk eines Vorgän- 
gers zu „kopieren". (ß Dies würde auch kaum 
zu der Persönlichkeitsstruktur Pilgrams passen, 
die von Karl Oettinger in seinem grundlegenden 
Werk „Anton Pilgram und die Bildhauer von 
St. Stephan" so großartig herausgearbeitet wur- 
de!) 
Den klaren Beweis, doß dieser P1 nicht mit Anton 
Pilgram identisch sein kann, erbringt aber erst 
der Ulmer Riß des Wiener Orgelfußes, der mit 
Rötel sehr deutlich 1525 datiert ist. Dieses Datum 
schließt aber die Urheberschaft Pilgrams, der 
kurz noch 1515 verstorben sein muß, mit Sicher- 
heit aus. Die Dotierung in Rötel spricht ebenfalls 
für die Wiener Herkunft des Ulmer Risses, da 
derartige Rötelzusätze gerade bei den Wiener 
„Lehrstücken" nicht selten vorkommen. 
10 
Riß Nr. 248R mit sich tangierenden Rippenschil- 
dern. Doß es sich hier um einen aus Wien stam- 
menden Riß hbndelt, beweist die Tatsache, daß 
er auf der Rückseite eines Risses der abge- 
brochenen Wiener Chorherrenstifts-(„Himmel- 
pforts"-)kirche aufgetragen ist. Am unteren Rand 
dieses Risses sieht man nun in Rötel einen mit 
einer großen Schlaufe versehenen Meisterschild 
mit einem Steinmetzzeichen, das dem sehr cha- 
rakteristischen Pilgram-Zeichen zwar ähnlich, mit 
diesem aber ebenso sicher nicht identisch ist. 
Das Gewälbesystem des Risses Nr. 248R ist auf 
Riß Nr. 198 ebenfalls versucht worden und dann 
auf der Rückseite desselben Blattes erneut ge- 
nauer, aber doch wieder mit kleinen Fehlern 
durchgezeichnet worden. Modifiziert ist es auch 
auf Riß Nr. 147Rl2 mit Eintragung der Stein- 
fugenschnitte zu finden, wie dies auch sonst 
manchmal von P1 praktiziert wird. Die Rißgruppe 
mit den Blättern Nr. 2481i, Nr. 198, Nr. 198R und 
Nr. 147Rf2 ist aber symptomotisch für einen 
Lehrgang, für den der „Meister mit dem Schlau- 
fenschild" die Zentralfigur ist. 
Das Steinmetzzeichen des Risses Nr. 248R und 
die Jahreszahl 1525 des Ulmer Risses beweisen 
nun einander ergänzend, doß der Zeichner P1 
nicht mit Anton Pilgram identisch sein kann, wie 
{a auch zuvor schon die Risse Nr. 40 und Nr. 41 
als typische „Lehrstücke" erkannt wurden. Mit 
dieser Feststellung ist aber die auf Grimschitz 
zurückgehende hypothetische Konstruktion des 
Zeichners Pilgram schon vom Ausgangspunkt her 
(Risse der Kanzel und des Orgelfußes im Wiener 
Stephonsdom) ohne Zweifel gegenstandslos ge- 
worden. 
Die zeitlich und stilistisch „pilgramnohe Gruppe" 
kann noch durch drei weitere Problemkomplexe. 
die übrigens wieder eng miteinander verflochten 
dabei um den Erbauer der Stadtkirche zu 1 
fen am Neckar, den Wiener Planriß Nr. ' 
mit dem Grundriß der Marienkapelle der St 
dorfer Stadtkirche und endlich um die P 
motik der Gewölbezeichnungen für die S 
kirche zu Meisenheim in der Pfalz. 
Der Meister der Stadtkirche von Win 
Am Langhaus der Stadtkirche zu Wimpfc 
Neckar sind beim Dachansatz zwei bes: 
„pilgramnahe" Steinmetzschilde, die zuderr 
in ganz ungewöhnlicher Weise an g 
„Schlaufen" aufgehängt sind, zu sehen. Die 
der Steinmetzzeichen, die sich in den Sc 
befinden, liegen genau in der „Mitte" zw 
dem Zeichen des Wiener „Schlaufenme 
und des bekannten Steinmetzzeichens Anti 
Bildtexte s. S. 12. 
grams. Die in Schwaben und Franken i 
Zeit um 1'500 ziemlich ungewöhnlichen, vo 
Wiener Plonrissen aber wahlbekonnten 
schlingengewölbe der Wimpfener Stadt 
wurden aber erst 15 Jahre später nacl 
Plänen des „ersten Meisters" - leider gil 
diesbezügliche Urkunde dessen Namen nit 
- durch den Baumeister Bernhard Sporen 
geführt. Sparer folgte dann auch im nahen 
bronn unmittelbar ouf den Meister des do 
Sakramentshauses, der allgemein mit Antc 
grom identifiziert wird (" Karl Oettingei 
ton Pilgram . . ., a. o. O.)_ Der Verfasser hat 
Problematik in mehreren Publikationen l" 
Koepf, Neuentdeckte Bauwerke des Meistei 
ton Pilgram, Wiener Jahrbuch für Kunstges 
te, o. a. O., ders., Die Heilbronner Kilians 
und ihre Meister, Veröffentlichungen des A 
der Stadt Heilbronn, H. 6, 1961, ders., Ber 
Sparer, Lebensbilder aus Schwaben und 
ken, Bd. Vll, 1960) zu klären versucht.
	        
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