uns wieder batmonifebes Leben bringen, indem die Kunft nicht
eine Dekoration, fondern ein Lebensbedürfnis ift. Der Staat, in
dem drei Viertel der Bewohner baftig, oberflächlich, alfounanftändig
tätig find, geht damit den Weg zu feinem Ende. Um nun aus
diefem Zuftande wieder zu einer gewiffen kunftgewerblichen
Höhe zu kommen, haben wir von Anfang an dem Publikum
möglicbft wenig Konzeffionen gemacht. Vor allen Dingen auch
in der Qualität, alfo in der Preislage nicht. Der Erfolg war
der, daß unter Unternehmen, das möglicbft dem ganzen Volke
dienen will, nur in der Hauptfache für die Bedürfniffe beffer*
geftellter Leute und der geiftigen Intelligenz arbeiten konnte.
Das genügt uns nicht. Wir arbeiten deshalb febon feit 3 a ^ren
dabin, wie wir unter Verwendung tadellofer Materialien, licht
echter Stoffe, langgegerbter Leder ufw., anftändiger Arbeits
löhne, Möbel auf den Markt bringen können, die im Preife fo
find, daß fie auch dem kleinen Manne erfcbwinglicb find. Es
gibt nun kein Perpetuum mobile in der Welt. Ein Stück Arbeit,
zu dem taufend Handgriffe notwendig waren, bat, wenn man
fo fagen darf, taufend Prozent Seele, ein Stück Arbeit, zu dem
nur hundert Handgriffe notwendig find, bat hundert Prozent
Seele. So ein Stück mit hundert Prozent Seele bedeutet für
unfer deutfehes Publikum febon eine bedeutende Steigerung.
Denn, was der Deutfcbe im allgemeinen kauft und au* in befferen
Magazinen zu kaufen bekommt, bat überhaupt keine Spur von
Seele, es ift immer mehr oder weniger Stumpffinn. □
W. ]. ASHLEY:
DAS AUFTRETEN DER ARBEITENDEN KLASSEN
DEUTSCHLANDS IM LETZTEN VIERTEL3 AHRHUNDERT
(LHUPPSCHE BUCHHANDLUNG, TÜBINGEN)
er englifebe Sozialtbeoretiker verfuebt mit Hilfe ftatiftifeben Zahlen
materials den Nachweis zu erbringen, daß innerhalb des lebten
Vierteljabrbunderts das fteigende Lobneinkommen der Arbeiterfcbaft
im allgemeinen die Preisfteigerung der Lebensmittel und Wohnungen
weit hinter lieb gelaffen bat. So weift er z. B. in den Kruppfcben
Werken eine Lobnfteigerung von 57 Prozent nach, der nur ganz un=
wefentlicbe Steigerungen der Lebensmittelpreife gegenüberfteben, die
überdies zum Teil durch Verbilligung auf andern Konfumtionsgebieten
nahezu aufgehoben werden. Es febeint dem Engländer darauf an
gekommen zu fein, feinen Landsleuten ein möglicbft günftiges Bild der
deutfeben Verbältniffe entgegenzuftellen, und kann der gelegentliche
Zweck, mit bellen Farben zu malen, wirtfebaftspolitifeb von Wert fein.
Für den englifcben Profeffor ift Deutfcbland das Ding an ficb und es
kommt lediglich auf die Bedeutung an, die man dem Ding für den
gelehrten oder politifeben Zweck geben will. Das verwendete ftatiftifebe
Material ift indeffen allzu einfeitig und unzulänglich, um für die deut
feben Verbältniffe ein der Wirklichkeit entfpreebendes oder nur an
nähernd richtiges Bild zu geben, flsbley macht bei der Zeitgrenze
um 1900 Halt und überfiebt vollkommen, die feitber in allen Lebens
mitteln in der Wohnung, in der Kleidung aufgetretenen enormen Preis-
fteigerungen, die vielfach mit dem Wachten der Löhne nicht Schritt
halten, abgefehen davon, daß ein einzelner Mufterbetrieb durchaus
nicht als die Norm für alle Induftrie- und flrbeitszweige angefehen
werden kann. Der Lohnftreit, die Streiks der letjten Jahre, find gerade
zu hervorgerufen durch die unverhältnismäßige Steigerung der Koften
für den Lebensunterhalt und vielfach ift zu beobachten, daß felbft die
im Verhältnis zur Nahrungspreisfteigerung tangfamer zunehmende
Lohnfteigerung unmittelbar wieder erhöhend auf die Lebensmittelpreife
zurückwirkt und dadurch felbft wieder itluforifcb wird. Wir haben in
Deutfcbland eine akut gewordene Wohnungsfrage, die ihre Entftebungs-
urfache einfach darin bat, weil die Preife für angemeffene Wohnungen
für den großen Durcbfcbnitt der Arbeiterfcbaft unerfcbwinglicb find.
Auf den pofitiven Tatbeftand bin unterfuebt, hält alfo das optimiftifche
Bild, das Asbley von der wirtfcbaftlicben Lage des deutfehen Induftrie-
arbeiters entwirft, nirgends ftand. Rein ftatiftifebe Berecbnungsergeb-
niffe find nur mit größter Vorficht zu verwerten, fonft kann es leicht
paffieren, daß die matbematifebe Akrobatik weit über den Boden der
realen Verbältniffe unverfebens einen Riefenluftfprung macht. Um
ein annähernd richtiges Bild zu erhalten, ift es nötig, die Unterfuchungen
auf beftimmte Induftriezweige und auf beftimmte lokale Verbältniffe
zu befchränken und auf diefen Grundlagen die Bewegung innerhalb
der Löhne und innerhalb der Preife für den Lebensmittetunterbalt
feftzuftellen. Die Zahlen, die ficb für einzelne Schichten unter beftimmten
lokalen Bedingungen ergeben, liefern leider ein febr grundverfebiedenes
Bild zu dem Entwurf von Asbley, der auf Grund von Zablenabftrak-
tionen Gedankenbrücken baut, die allzu hoch über die Ungleichheiten
der gegebenen Wirklichkeit binwegfübren. Man follte es nicht für möglich
halten, welche Pbantafiegebäude das trockene Zahlenmaterial zuläßt.
L.: HOLLÄNDISCHE REISESKIZZEN
VIII.
LEIDEN
L eiden gehört au* zu jenen Städten, die an dem Ruhme der
Vergangenheit zehren, der die Bedeutungslofigkeit ihrer
Gegenwart überftrahlt. Sein Frühglanz beruht in den
gotif*en Domen diefer Stadt, die kein Vollenden erlebten. Zu
f*nell flieg die bürgerli*e Ma*t in den Zenitb, die in einer
Reibe entzückender Bauten der bolländifcben Renaiffance die
entflbeidenden äußeren Merkmale ihrer Selbftberrli*keit f*uf;
als Hollands glänzendftes Beifpiel diefer Bauperiode: das Stadt
haus von Lieven de Key, die Stadtwage, die Laekenbatle der
Tu*ma*erzunft, eine Anzahl prä*tiger Stadttore und viele
vornehme Privatbäufer. Mit Lieven de Key, dem Begründer
der berühmten bolländifcben Baufcbule im 16. Jahrhundert ver-
gli*en, ift der große Cuypers des 19. Jahrhunderts ein fcbwä*-
li*er Epigone; unna*abmli* ift das fcböpferifcbe Vermögen
der altbolländifcben Baumeifter, die fürftli*e Renaiffancekunft
in eine bolländifcb-bürgerli*e zu verwandeln und fie im natio
nalen Geifte neu zu erfcbaffen. Mit den heutigen Monftrofitäten
vergli*en, find diefe Bauwerke klein, aber innerhalb diefer
befcbeidenen Höben- und Breitenentwicklung ift jede Form fo
groß als mögli* gewählt, ein Grundfatj, worauf ihre Monumen
talität beruht und die glückli*e Vermeidung der Überladung.
Den modernen Eklektikern, die im bolländifcben Renaiffanceftil
zu fcbaffen vermeinen, fcbeint diefe wi*tige Tatfa*e ganz ent
gangen zu fein; die Riefenbaftigkeit der heutigen Bauformen
find kleinli* und überladen, alle Verbältniffe find verfehlt und
wirkungslos, weil fie kein Auge mehr beberrfcbt. Der einzige,
Berlage, der von keinem beftimmten Stil ausgebt, bat den
Anfcbluß an die alte Baukunft gefunden, weil er ni*t von der
Stilform ausgebt, fondern von dem lebendigen Baugeift, der in
der fpre*enden Pbyfiognomie der bolländifcben Renaiffance,
ungea*tet der übernommenen S*muckformen, das Wefentli*e
ift. Der S*muck wirkt hier nur deshalb fo fcbön, weil er mit
Würde getragen wird. Dazu tritt ein wi*tiges koloriftifcbes
Element. Das S*warzrot der Backfteinwände mit dem Gelb
weiß der Skulpturen und Pilafter, der monumental gebildeten
Haustore und der Feftons an dunkeln Wänden bildet einen
barmonifcben Kontraft, der zu den unmittelbarften und eindring-
li*ften Wahrnehmungen gehört, die der Ankömmling in Holland
ma*t. Die Ma*t diefer bolländifcben Baukünftler rei*te weit;
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