ilosophie der Utopien. Indem die Teppich-
nst sowohl Möglichkeiten der Mobilität und
s Bergens hat, wird sie zur Kunst, die den
enschen von heute begleitet. Sie gestaltet mit
cht Symbole eines „Lebens als Transit", eines
JENS im Aufbruch. Gewebe symbolisieren dann
aens- und Zeitabläufe (vgl. Ausstellungstitel
a „Werden", „Tag", „Nacht" usw.). Diese Sym-
lik wird aber immer weniger abbildhaft ge-
ltet, sondern im Vorgang und Prozeß der
istaltung erlebt. „Weben als Vorgang" und
lles ist Weben" formuliert Edda Seidl-Reiter.
mit wird der Vorgang gleichsam zum existen-
llen Abenteuer. Das Auswählen von Techni-
i, Formen, Farben, der Widerstand des Ma-
ials und die Überwindung des Widerstandes,
strohierende und konstruktive Prozesse und
ele -, das alles ist dann Bedingung des Le-
15 und Versuch der Identitätsfindung!
Textile Kunst als Strukturkunst! Struktur ist
ganisation der Teile zu Serien und zum Gan-
I, wobei das Ganze mehr und etwas anderes
als die Addition der Teile. Struktur ist offen,
zrspektivisch und angelegt auf Prozesse und
argieereignisse. ln der Struktur deutet sich ein
tlerer Bereich zwischen Zufall und Ordnung,
iheit und Gesetzmäßigkeit an. Unter den Be-
gungen von Strukturen werden objektive
glichkeiten der Reflexion und Mathematisc-
i rückbeziehbor auf subjektive Kreativität
finitionen nach J. Claus, a. a. O., S. 20 ff.).
der Strukturkunst erhält das Ornament eine
lE Aktualität; es ist „Gestaltqualität der Struk-
' (Claus) und darum heute mehr Medium als
muck.
tile Gestaltungen als Strukturkunst bilden
it mehr ab, sondern sind sichtbar gemachte
lnungskategorien. Dieser Prozeß hat Aspekte
Selbstverwirklichung und der Gestaltung van
lt und Umwelt. Die Selbstdarstellung im
stlerischen Prozeß zeigt Ambivalenzen heu-
er Existenz. Da ist das Suchen nach Sinn,
lnung und Harmonie und zugleich das Hin-
gehaltensein in Angst, Sorge, Ungeborgen-
und Sinnzweifel. Wenn textile Gestaltungen
das Ziel einer „Homogenität des Disparaten"
sind, so geben sie Impulse zum Aufbruch,
weigern aber fertige Antworten. Wir spüren:
wäre erreicht, wenn dem Kampf der Wider-
iche sein tödlich-aggressiver Charakter ge-
imen werden könnte und wenn er verwan-
würde ins Spiel der Gegensätze. Mir scheint,
philosophische ldeol der „Caincidentia op-
itorum" (Zusammenspiel der Gegensätze) sei
in der Dimension der Gestaltung neu durch-
rziert.
in die Probleme der Weltbewältigung. Der
biblische Auftrag an den Menschen, sich
Erde untertan zu machen, muß heute als
trag zum sachgemäßen, mathematisch-kon-
ktiven Denken verstanden werden. Und hier
die Strukturkunst nun auch ihren Ort. In
hematisation und Strukturgestaltung organi-
t heute der Mensch die „Denk-Substanz der
t" (Teilhard de Chardin). Appelle zu einer
ianeren Welt sind hier nicht mehr expressiv-
ellativ formuliert. Der Mensch von heute ist
Appelle müde geworden, und er reagiert auf
tschaften" ideologiekritisch. Eine neue Chance
r hat das viel „kühlere" mathematische Den-
und die diesem entsprechende Kunst. Die
nce liegt auch darin, daß damit ein neu-
3er Thearie-Praxis-Bezug gegeben ist: Theo-
ist hier unmittelbar auf Wirklichkeitsgestal-
l bezogen!
extile Kunst wird zur Obiektkunst. Mit dem
ekt als dem „Entgegentretenden" (ob-iectum)
eben sich wichtige Ursprungsbezüge, die
in die Religionsgeschichte analysiert. Be-
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stimmte Menschheitsepochen schufen onimistisch
verstandene Fetischobiekte. Animismus ist iene
Haltung, die die Natur und ihre Gegenstände
als „beseelt" versteht. Mit der Benennung und
Gestaltung eines Dinges wurde dieses zum
Manatröger und zur Gottheit. Hat die Mensch-
heit heute den Animismus überwunden? Karl
Marx spricht kritisch vom Fetischcharakter der
Ware! Jedenfalls: bis heute und auch heute
vermögen Objekte zu Bedeutungströgern zu wer-
den. Und neuartige Obiektkunst mitten im 20.
Jahrhundert mutet in mancherlei Hinsicht reli-
giös an und wurde anläßlich der Documenta
1972 mit dem Titel „individuelle Mythologie"
gedeutet.
Künstler, die textile Obiekte schaffen, sind sich
aber dieser Zusammenhänge kaum bewußt;
ihnen geht es um eine neuartige Ding-Erfahrung.
Materialien und Umgang mit Material, Benüt-
zung von Dingen, das ist es, was sie fasziniert
(vgl. dazu z. B. F. E. Walther - Werkmano-
graphie, Hrg. G. Adriani, 1972, S. 5 ff., 18 ff.).
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