gen essender Mann am Tisch, ihm gegenüber
eine Dame mit einem mit reichem modischem
Putz versehenen Hut und sieht ihm zu. Im Vor-
dergrund erkennt man unter anderem einen
„Bosniaken", einen Mann im Straßenanzug, der
aber einen Fez trägt. Im Hintergrund betreten
festlich gekleidete Menschen die Kirche.
Dieses besonders farbige Blatt, das aus Alts
späten Lebensiahren stammt, zeigt also, wie alle
vorher genonntenfdaß sich der Maler in einem
besonderen Maß für das Volksleben interessierte
und nicht einfach nur nach topographischen Wie-
dergaben strebte, die ihm allein zu eintönig er-
schienen wären. Man gewinnt die Überzeugung,
daß ihm die Darstellung solcher Szenen Behagen
bereitete. Einige davon - es wird von ihnen
nochmals zu sprechen sein - erscheinen gerade-
zu als Kabinettstücke der Genredarstellung und
haben somit für den Historiker besonderen Wert.
Alt hatte für alles Interesse, gleichgültig, ob es
sich um alte Bereiche der Stadt handelte oder
um städtebauliche Neuerungen. Solche festzu-
halten war auch die Aufgabe des „Blickes von
der Opernkreuzung in die Kärntnerstraße", eines
Aquarells mit Weißhöhungen, das links das Ge-
bäude der Oper, rechts die Opernkreuzung, im
Hintergrund den Stephansturm zeigt". Rechts in
der Kärntnerstraße ist die Fassade der Malteser-
kirche sichtbar. Auf der Opernkreuzung - es ist
vormittags - herrscht lebhafter Verkehr, ein
vollbesetzter Stellwagen überquert soeben die
Kreuzung. Oftmals scheint es, daß Alt gerade
noch zum richtigen Augenblick einen Zustand
festgehalten hat, oder aber sich auch beeilte,
eine neue Situation im Stadtbild zu notieren.
Die iReihe der Darstellungen von Ansichten der
Inneren Stadt, die man von Alt kennt, ist also
groß. Bei vielen von ihnen handelt es sich um
skizzenhaft ausgeführte Blätter, gleichsam hand-
schriftliche, topographische Protokolle, van de-
nen sich viele ebenfalls im Besitz des Histori-
schen Museums befinden. Sie überliefern De-
tails, die trotz aller Skizzenhaftigkeit den vollen
Wert der Quelle haben. Manchmal überwiegt
der Eindruck, es handle sich um rasch, wenn
auch mit der für Alt so typischen Sicherheit hin-
geworfene Notizen. Oft genügt es dem Zeichner,
nur die wesentlichen Partien einer Architektur
voll auszuführen. Doch liegt gerade in dieser
fragmentarischen Behandlung des Themas viel-
fach der eigentliche graphische Reiz. Manchmal
lassen die Blätter eine Änderung im Rhythmus
der Darstellung erkennen, was darauf deuten
würde, daß Alt zu einer anderen Stunde oder an
einem anderen Tag abgeschlossen, was er vor-
dem begonnen hat". Zu besonders interessan-
ten Darstellungen gehören solche des „Para-
deisgartls mit dem Cafe Corti", des „Theseus-
tempels", der „Löwelbastei" usw.". Natürlich er-
scheinen andere Blätter, wie ein Blick von der
Herrengasse auf das Gebäude der österreichisch-
ungarischen Bank und das Cafe Zentral, der
Durchgang Bäckerstraße mit der Alten Universi-
tät oder der Blick von der Radetzkybrücke ge-
gen die Franz-Josephs-Kaserne mit dem Franz-
Josephs-Tor, genauer ausgeführt, mehr durchge-
zeichnet und insgesamt also Details besser ver-
mittelnd, als dies die Fotografie imstande wäre.
Insbesondere erkennt man an der zuletzt ge-
nannten Zeichnung eine Front mittelalterlicher
Häuser um Kai sowie im Hintergrund deutlich
den Karnhäuslturm". Ganz nahe diesem Stand-
punkt befaßte sich der Wiener Topograph unter
den Malern und Zeichnern auch mit der Situation
bei der Franz-Josephs-Kaserne und dem Franz-
Josephs-Tor. Auf dem um 1860 entstandenen
Aquarell sieht man links eine Gruppe von Men-
schen, die offenbar den Klängen einer Militär-
kapelle, die hier gerade aufspielt, lauscht".
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Auch die Gegend am Donaukanal, am Beginn
der Praterstraße, nahe der Ferdinandsbrücke,
teilweise mit dem Blick auf die Innere Stadt, ist
durch Aquarelle und Zeichnungen Rudolf von
Alts dokumentiert. So besitzt das Museum ein
Blatt, ähnlich dem Aquarell, das schon bei He-
vesi abgebildet", aber erst fünfzehn Jahre spä-
ter entstanden ist. Damit ist einer der Beweise
dafür zu finden, daß Alt zu seinen Motiven im-
mer wieder zurückkehrte, um sie auch in einer
neuen Situation zu betrachten. Die beiden Blät-
ter lassen demnach in besonderem Maß die sich
ständig wandelnde Situation an Donaukanal er-
kennen". Schließlich waren die ehemaligen
Vorstädte überhaupt Gegenstand von Alts Be-
trachtung. So stellte er beispielsweise auch die
Gegend von St. Ulrich dar. Ein wohl gegen
Ende des 19. Jahrhunderts entstandenes Aqua-
rell zeigt eine Ansicht des Faßzieherhauses auf
dem Spittelberg". Das stark farbige Aquarell
vermittelt die Ansicht eines charakteristischen,
angeblich ältesten Hauses des Spittelberges mit
Eckturm, mit einem Fleischerladen und einer Re-
klamehinweistafel „Franz Wagner - Passepar-
tout-Erzeuger". Die Spittelberggasse fällt rechts
schräg ab. Es ist Vormittags, und die Gasse ist
von Fußgängern belebt.
Eine andere Zeichnung vermittelt den Blick von
der Burggasse gegen den SL-Ulrichs-Platz". Hier
sind im besonderen zwei wichtige Häuser des
alten Wien zu sehen, eines, das etwa im 15.
Jahrhundert entstanden war und in dem sich ein
Gasthaus Johann Statter befand, sowie das be-
rühmte Haus Ulrichsplatz 2 mit der reich gestal-
teten Rokokofassade, auch heute noch eines der
schönsten erhaltenen Wiener Bürgerhäuser aus
der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Weiters waren das Glacis vor der Josefstädter
Straße sowie die Währinger Straße mit dem
Blick vom Josefinum gegen die Stadt Gegen-
stand von Darstellungen Alts". Schließlich be-
gab sich der Maler auch immer wieder in die
entlegenen Dörfer im Weichbild der Stadt. So
findet sich auch eine offenbar aus einem Skiz-
zenbuch stammende Bleistiftzeichnung von Un-
ter-St.-Veit im Besitz des Museums u.
Doch wie schon bemerkt wurde, waren oft eben
erst entstandene Ba-uten Wiens Gegenstand der
Betrachtungen des Malers. Zunächst hielt er die
Situation des alten Nordbahnhofs in einer Zeich-
nung fest, links eine Straße, die am Bahnhof
entlangführt und an der Bäume stehen; in der
Mitte und rechts ist das Gebäude selbst mit
einem mächtigen Portikus zu sehen. Die Stim-
mung ist winterlic 2'. Ferner stellte Alt aber
auch den Nordbahnhof, gesehen vom Prater-
stern, dar - ohne das Tegetthoffdenkmal, das
erst 1870771 entstand und an dessen Stelle sich
ein kleiner Pavillon befand. In gleicher Weise
wie Alt den Nordbahnhof zeichnete, hielt er
auch die Situation beim Ostbahnhof fest". Und
weiters „porträtierte" er überhaupt eine Reihe
von Wiener Gebäuden in ähnlicher Weise wie
die Bahnhöfe.
Den „Blick in die Wipplingerstraße mit dem al-
ten Rathaus" bezeichnete schon Ludwig Hevesi
als eines der „Hauptaquarelle" Alts". Es zeigt
die Fassade des Objekts, rechts wird aber auch
in einer äußerst geschickten Perspektivierung
der engen Straße ein Teil der Fassade der Böh-
mischen Hofkanzlei angedeutet. Beim Tor des
Alten Rathauses steht ein Zeremonienmeister,
und auf das Tor fährt eben der Prunkwagen des
Bürgermeisters zu. Im Fond sitzt Bürgermeister
Uhl. Im Hintergrund ist der sogenannte Ver-
mählungsbrunnen auf dem Hohen Markt des
iüngeren Fischer von Erlach zu sehen. Am Alten
Rathaus sind eben die Dachdecker an der Arbeit.
Das Aquarell hat gioßes Format und fällt in
o
5 Rudolf Alt, Freyung in Wien 1849. Bleistiftzeich-
nung, stellenweise aquarelliert, 30,7x51 cm. HM
lnv.-Nr. 17.666
6 Rudolf Alt, Paradeisgartl mit Cafe Corti. Bleistift-
zeichnung, 16,5x 22,2 cm. HM lnv.-Nr. 30.539
Anmerkun en 16-29
" HM lnv.- r. 33.616. Blick van der Opernkreuzung in die
Kärntnerstraße, A uarell. 24,6x34,4 cm. Sign. u. dat.
r. u. „R Alt B76". ay, a. a. 0., Tafel 110. b
" HM lnv.-Nr. 105.347. Blick über den äußeren Burgplatz (in
Richtung Karlskirchel, Bleistift, aquarelliert. 9,5x14,4 cm.
HM lnv.-Nr. 30.523. „Freisingergasse, Blick auf den
Bauernmarkt", Bleistiftzeichnung. 20,9x 16,4 cm. Sign.
r. u. „R Alt". HM lnv.-Nr. 30.536. Blick in die Herren-
gasse, Bleistiftzeichnung. 9,5x13,3 cm. Sigri. „R v. Alt".
HM lnv.-Nr. 67.996. Türme der Innenstadt, im Vordergrund
Franziskanerkirdie, Bleistiftzeichnung, 17,7 x24,9 cm. Sign. r.
u. „R All". HM lnv.-Nr. 67.097. Ansicht einer Gasse,
Bleistiftzeichnung, 17,2 x 10,9 cm. Sign. r. u. „R Alt".
" HM lnv.-Nr. 30.539. Poradeisgartl mit Cafe Corti, Bleistift-
zeichnung. 16,5x22,2 cm. Bez. I. u. „Paradeisgartl".
Sign. r. u. „R v Alt". HM Inv.-Nr. 63.415. Theseusternpel
im Valksgarten, Bleistiftzeichnung. 13,4 x 20,9 cm. Bez. r. u.
„TlteseustempeW. HM Inv.-Nr. S 5240. Blick vom Paradeis-
gartl auf die Stadt, Bleistiftzeichnung. 16,3 x 42,2 cm. Bez.
I. u. „R Alt". HM Inv.-Nr. 6005511. Partie von der Löwel-
bastei bis zur Bellaria, Bleistiftzeichnung. 17,6x24,1 cm.
" HM IHVuNV. 105.219. Blidc von der Herrengasse in die
Strouchgasse, Bleistiftzeichnung. 19,5x23,3 cm. Sign. u.
M. „R v Alt". HM Inv.-Nr. 138.587. Durchgang Bäcker-
straße zur Älten Universität, Bleistiftzeichnung. 16,4x21
cm. Sign. r. u. „R v Alt". HM Inv.-Nr. 33.337. Blick von
der Radetzkybrücke gegen das Franz-Josephs-Tor und die
Franz-Josephs-Kaserne, Bleistiftzeichnung. 19,4x33,7 cm.
Sign. r. u. „R A11".
7" HM lnv.-Nr. 106.118. Franz-Josephs-Tar und Franz-Joseph
Kaserne mit der Radetzkybrücke im Varder rund, Bleisti
zeichnun . 14,2 x 18,5 cm. HM lnv.-Nr. 05.815. Franz-
Jusephs-Tar und Franz-Josephs-Kaserne, Aquarell. 14,6 x
21 cm. Bez. r. u. „R Alt".
1' Hevesi, a. a. 0., S. 70.
77 HM lnv.-Nr. 106.156. Donaukanal mit Ferdinandsbrücke
und Rotenturmtor. Sepia-Aquarell. 14,7 x20,9 cm. Sign. u.
dat. I. u. „R Alt B57". May, a. a. O., Tafel 102. HM lnv.-
Nr. 63.412. Untere Donaustraße, Bleistiftzeichnung. 21x
33,9 cm. Sign. u. M. „R Alt".
7' HM Inv.-Nr. 17.663. Spittelberggasse mit Faßzieherhaus,
Aquarell. 31 x 44,6 cm. Nicht sign., nicht dat.
7' HM lnv.-Nr. 30.532. Blick von der Burggasse gegen den
SL-Ulrichs-Platz, Bleistiftzeichnung. 20,7 x 25,3 cm. Sign. I.
u. „R Alt", darunter bez. „bei der SL-Ulrichs-Kirche,
Neugebauers Geburtshaus, Portraitmaler", oben M.
„Gasthaus Joh. Statter". _
"HM Inv.-Nr. 30.540. o... am; vor der Josefstädter
Straße, Bleistiftzeichnung. HM lnv.-Nr. 30.533. Währmger
Straße, Blick vom Josefinum gegen die Stadt, Bleistift-
zeichnung. 16,5 x 20,2 cm. Sign. r. u. „R Alt".
2' HM lnv.-Nr. 30.534. Unter-St-Veit, BIeistiftzeichnungÄ-tßx
42,8 cm. Sign. u. bez. r. u. „R Alt Unter St. Veit".
1' HM lnv.-Nr. 30.527. Der alte Nordbahnhof, Bleistiftzeich-
nung. 18 x 25,7 cm. Bez. u. sign. r. u. „Nordbahnhof R Alt".
HM Inm-Nr. 63.413. Blick vom Ende der Praterstraße zum
Nordbahnhof, Bleistiftzeidmung. 14,2 x 21,8 cm. Nidit
Si (L, nicht dat. _ _
"H lnvvNr. 106.124. Ansicht des Ostbahnhafes, stemm-
zeichnung. 22,8x37,B cm. Sign. r. u. „R v Alt". _
" HM lnv.-Nr. 17.936. Blick in die Wipplingerstraße mit
dem Alten Rathaus, Aquarell. 605x483 cm. Sign. u. dar.
t. u. „R Alt 883". Hevesi, a. a. 0., S. 7B.