Deutsche Straßenteere.
Von Dr. Heinrich Mallison, Berlin.
Lieferungen durch: Chemoprodukte Gesellschaft m. b.H., Wien I., Maria Theresienstraße 8.
Vertretung der: Nebenproduktenvertrieb-Gesellschaft m. b. H„ Frankfurt a. M., Teerprodukten-Vereimgung
des Ostens, Berlin-Charlottenburg.
Die Chemie und Technik der für die verschiedenen
Straßenbauzwecke erforderlichen Teerqualitäten haben
in Deutschland eine interessante Entwicklung durch
gemacht. Der Beginn der Verwendung des Teeres zu
Straßenbauzwecken reicht lange Jahre zurück, und in
der ersten Zeit wurde natürlich mangels irgendwelcher
praktischen Erfahrungen roher Steinkohlenteer genom
men. Im Laufe der Zeit stellte sich dann aber bald
heraus, daß Rohteer für den Straßenbau unbrauchbar ist,
und zwar vor allem wegen seiner stark wechselnden
Beschaffenheit und seines Gehaltes an Wasser, leicht
siedenden Ölen, Naphthalin usw. Zudem wuchsen die
Ansprüche an die Haltbarkeit der Teerstraßen mit der
Steigerung des Verkehrs wesentlich, so daß die Ent
wicklung zwangsläufig dahin führen mußte, ganz
bestimmte Straßenteer-Typen aufzustellen, denen die
Straßenteere für die verschiedenen Anwendungszwecke
genügen müssen. Das Ziel, für ganz Deutschland ein
heitliche Vorschriften aufzustellen, um dem Straßenbauer
nicht nur Vertrauen zu dem Material zu geben, sondern
ihm auch die Möglichkeit zu schaffen, unter der Voraus
setzung der Einheitlichkeit und Zweckmäßigkeit des
Teeres sämtliche anderen Faktoren eingehend zu stu
dieren, die für das Gelingen des Teerstraßenbaues von
Wichtigkeit sind, kann heute als erreicht gelten. Die
Vorschriften der technischen Oberbeamten Deutscher
Städte von 1917, die englischen Vorschriften von 1923
und schließlich die neuen deutschen, im Merkblatt der
Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau nieder
gelegten Qualitätsvorschriften sind Marksteine auf diesem
Entwicklungswege.
Folgende Tabelle gibt die heute in Deutschland
gültigen Vorschriften für Straßenteer wieder:
Bedingungen,
die bei der
Untermchung
zu erfüllen sind:
Straßenleer I
Anthracenölteer
50/50
Anthracenölteer
60 40
Innenteer
Spez. Oew. bei
150 C nicht
höher als . .
Wasser nicht
mehr als
Andere Destil
late (Leichtöle
unter 170° C)
nicht mehr als
Destillate zwi
schen 170 bis
270° C (Mittel-
Öle) innerhalb
Destillate zwi
schen 270 bis
300°C(Schwer-
ö ! e) innerhalb
Phenole nicht
mehr als . .
Naphthalin
niiht mehr als
Freier Kohlen
stoff
Viskosität nach
Hutchinson .
Pechgehalt*)
1,225
1,0 Oew.-'i/o
1,0 Gew.-%
^.O^ä.OGew.-o/o
4,0-12,0 Gew.-»/„
5,0 Vol.-o/o
5,0 Gew.-o/o
5,0-18,0 Oew.-7 0
3.0-15,0 Sek.
55-65 Qew.-f/o
1,225
1,0 Gew.-°/o
1,0 Gew.-i/o
1,0-15,0 Oew.-o/o
4,0-12,0 aew.-»/ 0
3,0 Vol.-%
3,0 Oew.-%
5,0-18,0 Gew.-»/o
1,0-15,0 Sek.
45-55 Oew -» „
1,225
1,0 Gew.-"/ 0 )
1,0 Gew.-t/o j
1,0-10,0 Gew.-%
4,0-12,0 Gew.-»/ 0
3,0 Vol.-°/o
3,0 Gew.-»/,,
5,0-18,0 Gew.-%
20,0-80,0 Sek. l20-lC0Sek.
55-65 Gew.- r /o —
1,240
1 Gew.-%
10-18
Gew.-o/o
6-12 Gew.-%
4 Vol.-'/ü
5 Oew.-"/„
24 Gew.-%
*) Unter Pechgt halt versteht man den bei der Destillation bis auf normales
(bei 60—75° erweichendes) Pech verbleibenden Destillationstückstand.
Man kennt also in Deutschland heute den Straßen
teer I, den Anthracenölteer und den Innenteer und hat
gelernt, diese verschiedenen Teertypen für die mannig
fachen straßentechnischen Zwecke zu gebrauchen. Mit
Straßenteer I, wie er jetzt von den großen deutschen
Teerdestillationen völlig einheitlich und gleichmäßig ge
liefert wird, sind so vorzügliche Erfolge erzielt worden,
daß die Festsetzung dieses Typs als wesentlicher Fort
schritt betrachtet werden muß. Die sogenannten Anthra-
cenölteere stellen Mischungen von Pech und Anthracenöl
vor, und ihre Eigenschaften sind, wie die Tabelle zeigt,
sinngemäß mit denen des Straßenteeres 1 in Einklang
gebracht worden.
Für die Bestimmung der Viskosität, also des
Zähflüssigkeitsgrades von Straßenteer hat man sich
allgemein auf die Benutzung des Hutchinson-Teerprüfers
geeinigt. Straßenteer I zeigt 3—15 Sek., Innenteei
20—100 Sek. bei 25° nach Hutchinson; die Anthracen-
ölteere werden durch das Pech-zu-Öl-Verhältnis defi
niert. Für die Untersuchung dickflüssiger Spezialteere
bei höheren Temperaturen ist in Deutschland das
Rütgers-Viskosimeter gebräuchlich, welches neuerdings
wesentlich vervollkommnet wurde.
Die Höhe des Naphthalin gehaltes wird in den
Straßenteer-Vorschriften begrenzt. Nicht zu vergessen
ist aber, daß das Naphthalin ein Verflüssigungsmittel
ersten Ranges ist und daher im Rahmen der 1 eerbestand-
teile eine nicht unwichtige Rolle spielt. Ein Teer mit
Naphthalingehalt wird beim Erwärmen besonders dünn
flüssig, dringt daher tief in die Straßenoberfläche ein
und füllt die Gesteinsfugen und Poren gut aus. Tritt
hernach eine gewisse Verdunstung des Naphthalins aus
dem Straßenteer ein, so wird der Teer dicker und bleibt
als zähe Masse zurück.
Als freier Kohlenstoff wird in den deutschen
Vorschriften das Benzolunlösliche bezeichnet. Es muß
jedoch darauf hingewiesen werden, daß dieses Benzol
unlösliche nicht Kohlenstoff, sondern ein Gemisch von
rußartigen Stoffen mit asphaltartigen Stoffen ist. Ein
besserer Maßstab für den Gehalt an freiem Kohlenstoff
wäre die Feststellung des Gehaltes an Stoffen, die in
Anilin-Pyridin unlöslich sind. Das Anilin-Pyridin-Unlös
liche stellt lediglich die rußartigen Stoffe vor. Die im
Benzolunlöslichen mitenthaltenen asphaltartigen Stoffe
sind kein Füllmittel, sondern stellen einen für den
Straßenbau hochwichtigen Bestandteil des Teeres.
Zusätze von Bitumina, in Sonderheit mexikanischer
Erdöl-Asphalte, zum Straßenteer haben in Deutschland
Bedeutung erlangt. Zu beachten ist, daß nur etwa 10
bis 15% Bitumen im Teer wirklich löslich sind. Bei
höheren Prozentsätzen entstehen leicht inhomogene
Mischungen. Für die Nomenklatur bitumenhaltiger
Teere ist in Deutschland folgendes Vorgehen vorge
schlagen worden. Man fügt der Bezeichnung des Teeres
den Buchstaben B sowie die Prozentzahl in 100 zu.
Straßenteer I B 10 wäre demnach zum Beispiel ein
Straßenteer, dessen Viskosität zwischen 3 und 15 Sek.
liegt und der 10% Bitumen in 100 Teilen enthält. Anthra
cenölteer 60/40 B 15 wäre ein Straßenteer mit dem
Pech-zu-Öl-Verhältnis 60 :40, von der Viskosität 20—80
Sek. und einem Bitumengehalt von 15% in 100.
Als sehr zweckmäßig hat sich die in letzter Zeit in
Deutschland eingeführte Übung erwiesen, jeder Straßen
teer-Lieferung einen Analysenschein mitzugeben, aus
dem das Untersuchungsergebnis gemäß den Daten der
Vorschriftentabelle klar hervorgeht.
241
31