das Historische Museum der Stadt Wien ver-
fügt. Zunächst ist das Aquarell „Praterwiese" zu
nennen". Es ist dies ein Blatt mit besonders
viel Stimmung. Auch ist die Art der Bewältigung
des Themas voll Reiz. Es handelt sich dabei um
eine Bleistiftzeichnung, die sehr trocken aqua-
relliert ist, andernteils blieb die Farbe oftmals
überhaupt vollkommen ausgespart. Fragmente-
risch - was freilich nicht reizlos ist, und in man-
chem die Wirkung des Blattes noch steigert -
sind auch die Praterbäume dargestellt. Links im
Bild befindet sich eine Gruppe von Besuchern,
die offenbar um ein Marionettentheater ver-
sammelt ist.
Auch die Aquödukte der Hochquellenwasserlei-
tung boten für Alt Anlaß zu Darstellungen im
Aquarell. So malte er auch das Reservoir der
l. Wiener Hochquellenwasserleitung am Rosen-
hügel als kahle, sannenhelle Landschaft unter
tiefblauem Himmel. Der Aquarellauftrag ist leb-
haft und erinnert fast an Delacroix". Ein ande-
resmal stellte er das Liesinger Aquädukt" dar -
beide Aquarelle entstammen dem selben Jahr
1873, dem Jahr der Eröffnung der Anlage. Ein
schönes, „offenes Aquarell", in dem der Vorder-
grund spärlich gemalt ist, ein Blick vom Nuß-
berg, zeigt rechts den Anninger und links die
Donauauen". Dieses wie das folgende Aqua-
rell kamen dem Historischen Museum der Stadt
Wien aus dem Nachlaß von Arthur Roessler zu.
Das Aquarell „Sonnenfinsternis vom 8. Juli 1842"
zählt schließlich zu den interessantesten und im-
ponierendsten künstlerischen Zeugnissen des 19.
Jahrhunderts, welche das Historische Museum
der Stadt Wien besitzt". Der Maler war von
dem Naturereignis so gefongengenommen, daß
er den Charakter seiner Malerei an Hand dieses
Gegenstandes vollkommen änderte. Im linken
Drittel des Blattes sieht man die verfinsterte
Sonne, mehr der Mitte zu Kahlenberg und Leo-
poldsberg, darüber den seltsam rot gefärbten
Himmel. Die Landschaft ist in grünlich-blaues
Licht getaucht. Wahrscheinlich hat sich der Stand-
punkt des Malers in der Gegend des heutigen
Türkenschanzparks befunden.
Ein verhältnismäßig frühes, aus dem Jahr 1841
stammendes Aquarell ist „Wien von der Spin-
nerin am Kreuz"? Es ist „mit spitzem Pinsel"
gemalt und hat sowohl große malerische Wir-
kung, als es auch auf graphisch betonte Details
eingeht. Im rechten Bilddrittel steht die „Spin-
nerin am Kreuz", die Situation beherrschend.
Rechts davon führt die Triester Straße, auf der
lebhafter Verkehr herrscht, an dem Wahrzeichen
des Wienerberges vorbei. Hier fällt besonders
ein Plachenwagen auf, der charakteristisch und
mit viel Liebe zum Detail ausgeführt ist. lm
Vordergrund findet man einen Hüterbuben mit
einer Schafherde, im Mittelgrund ein Getreide-
feld, und diese abschließend die Geleise der al-
ten Gloggnitzer Bahn, auf denen gerade ein Zug
mit zwei Lokomotiven fährt. Im Hintergrund er-
kennt man das Kahlengebirge und dazwischen
die Stadt selbst mit vielen Details: Beherrschend
die Stephanskirche, die Karlskirche und ganz
rechts das Belvedere. Der Betrachter gewinnt
den Eindruck einer sommerlichen Landschaft, in
besonders glücklicher Weise ist hier malerische
Wirkung mit konkreter Aussage verbunden".
Zwei Blätter sind schließlich noch zu erwähnen,
die besondere Bedeutung haben, eine „Ansicht
der Donau vom Nußberg aus" 5" und das Aqua-
rell „Blick auf Wien vom Leopaldsberg"5'. Lud-
wig Münz sah dieses Blatt als Beispiel für Alts
„volle malerische Befreiung" in der Zeit um
1840 an. Es handle sich dabei um eine Skizze,
die sich nirgends in vedutenhafte Details ver-
liert und den besten Arbeiten gleichzeitiger
Künstler Englands und Frankreichs gleichwertig
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anzusehen sei. Das andere Aquarell, den „Blick
auf Wien vom Leopoldsberg", rühmt Münz als
Beispiel für eine frühe, von Alt erreichte Mei-
sterschaft. Die Ansicht zeigt links die Kirche am
Leapoldsberg mit einer fast völlig abgefallenen
Fassade. In der Mitte des Vorplatzes befindet
sich eine Laube, in der eine Gruppe von Men-
schen beisammensitzt. Offenbar herrscht Sonn-
tagsstimmung, die Menschen sind festlich geklei-
det. Im Hintergrund ist deutlich das Augebiet der
Donau mit den vielen, verzweigten Wasserläu-
fen erkennbar, auch der Stadtkern mit der Ste-
phanskirche, rechts im Hintergrund der Annin-
ger und der Pfaffstättner Kagel. Auffallend ist
die intensive, iedoch sehr differenzierte Farbig-
keit des Aquarells. Der Himmel ist tiefblau, die
Blätter der Laube im Vordergrund beginnen gelb
zu werden, es ist also ein Tag im beginnenden
Herbst.
Ein umfassender Vergleich des CEuvres Alts ließe
die Erkenntnis zu, daß viele der skizzenhaft aus-
geführten Blätter, die in der Sammlung des Hi-
storischen Museums der Stadt Wien das Über-
gewicht haben, nur eine Grundlage zu Arbeiten
bildete, die später oder zur gleichen Zeit aus-
geführt wurden. Denn es ist nicht wahrscheinlich,
daß Alt seine großen Blätter zur Gänze vor
der Natur ausgeführt hätte. Dies muß im Ate-
lier geschehen sein, allerdings eben unter Zu-
grundelegung vorher angefertigter Skizzen. Of-
fenbar betrachtete Alt seine Notierungen als
Archiv, in dem er für die Ausführung seiner gro-
ßen Blätter nachschlagen konnte. Trotzdem liegt
es aber in der Natur der Skizze, daß sie oft
noch unmittelbarere Wirkung auf den Beschauer
hat als das ausgeführte Werk und also als
überzeugender, weil lebendiger anzusehen ist.
Doch mochten manche der Skizzen, die entstan-
den waren, Alt später wohl ihrer künstlerischen
Substanz wegen besonders überzeugt haben,
so daß er sie offenbar manchmal erst Jahre
nach ihrem Entstehen signierte. Sie sind dem-
nach nicht geringer zu schützende vollwertige
Werke von Alts Hand. Demnach ermöglicht die
große Zahl der Handzeichnungen und Aqua-
relle Rudolf von Alts im Besitz des Historischen
Museums der Stadt Wien einen Überblick über
das Werk dieses Malers überhaupt. Dem Cha-
rakter des Museums entsprechend, liegt der Wert
der Darstellung vorwiegend in der Überliefe-
rung topographischer Zustände. Nun ist die
Aussage des künstlerischen Werkes Alts zwei-
felsohne aber mehrschichtig. In bedeutendem
Maß vermittelt es Hinweise auf Aspekte nicht
nur des Topographen, wie beispielsweise auch
des Volkskundlers, schlechthin bieten sie aber
iedermann Vergnügen, der in ihnen nichts ande-
res sehen will als einfach den Wert der künstle-
rischen Manifestation.
Anmerkungen 44-51
" HM lnv.-Nr. 63.411 (S. 4380), Praterwiese, Aquarell. 26,9 x
36,9 cm. Sign. r. u. „R All". May, a. a. 0., Tafel 92.
45 HM lnv.-Nr. 17.942. Reservoir der l. Wiener Hoch uellen-
Wasserleitung am Rasenhügel, Aquarell. 17,4x2 ,B cm.
Sign. u. dat. r. u. „R Alt 873".
4' HM lnv.-Nr. 17.940. Liesinger Aquüdukt, Aquarell. 1B x
78,7 cm. Sign. u. dat. r. u. „R Alt B73".
" HM lnv.-Nr. 196.479. Blick vom Nußberg auf Wien, Aqua-
rell. 15,9 1126,13 (m. Sign. M. u. „R Alt".
" HM lnv.-Nr. 105.390. Die Sonnenfinsternis vom B. Juli 1542,
Aquarell. Cll),7x43,6 cm. Dat. u. sign. I. u. „Wien am
8. Juli 184? R Alt".
" HM 1nv.-Nr. 56.389. Wien von der Spinnerin am Kreuz.
Aquarell. 37,6x59 cn". Bez. l. u. „Rudolf All 1341". May,
a. a. 0., Tafel. 54.
i" HM lnv.-Nr. 17.669. Blidr auf die Donau vom Nußberg,
Aquarell. 25,5x34,1 cm. Sign. u. dat. r. u. „R Alt 342".
May, a. a. 0., Tafel 81.
5' HM lnv.-Nr. 23.906. Bliirk auf Wien vom Leapoldsberg,
Aquarell. 24,9 x 36,9 cm. Bez. l. u. „1B33". Hevesi, a. a.
{ftggel 49. Münz, a. a. 0., Tafel 51. May, a. a. O.,
a e .
I1 Unser Autor:
Dr. Robert Waissenberger
Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien
A-1040 Wien, Karlsplatz