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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 140)

das Historische Museum der Stadt Wien ver- 
fügt. Zunächst ist das Aquarell „Praterwiese" zu 
nennen". Es ist dies ein Blatt mit besonders 
viel Stimmung. Auch ist die Art der Bewältigung 
des Themas voll Reiz. Es handelt sich dabei um 
eine Bleistiftzeichnung, die sehr trocken aqua- 
relliert ist, andernteils blieb die Farbe oftmals 
überhaupt vollkommen ausgespart. Fragmente- 
risch - was freilich nicht reizlos ist, und in man- 
chem die Wirkung des Blattes noch steigert - 
sind auch die Praterbäume dargestellt. Links im 
Bild befindet sich eine Gruppe von Besuchern, 
die offenbar um ein Marionettentheater ver- 
sammelt ist. 
Auch die Aquödukte der Hochquellenwasserlei- 
tung boten für Alt Anlaß zu Darstellungen im 
Aquarell. So malte er auch das Reservoir der 
l. Wiener Hochquellenwasserleitung am Rosen- 
hügel als kahle, sannenhelle Landschaft unter 
tiefblauem Himmel. Der Aquarellauftrag ist leb- 
haft und erinnert fast an Delacroix". Ein ande- 
resmal stellte er das Liesinger Aquädukt" dar - 
beide Aquarelle entstammen dem selben Jahr 
1873, dem Jahr der Eröffnung der Anlage. Ein 
schönes, „offenes Aquarell", in dem der Vorder- 
grund spärlich gemalt ist, ein Blick vom Nuß- 
berg, zeigt rechts den Anninger und links die 
Donauauen". Dieses wie das folgende Aqua- 
rell kamen dem Historischen Museum der Stadt 
Wien aus dem Nachlaß von Arthur Roessler zu. 
Das Aquarell „Sonnenfinsternis vom 8. Juli 1842" 
zählt schließlich zu den interessantesten und im- 
ponierendsten künstlerischen Zeugnissen des 19. 
Jahrhunderts, welche das Historische Museum 
der Stadt Wien besitzt". Der Maler war von 
dem Naturereignis so gefongengenommen, daß 
er den Charakter seiner Malerei an Hand dieses 
Gegenstandes vollkommen änderte. Im linken 
Drittel des Blattes sieht man die verfinsterte 
Sonne, mehr der Mitte zu Kahlenberg und Leo- 
poldsberg, darüber den seltsam rot gefärbten 
Himmel. Die Landschaft ist in grünlich-blaues 
Licht getaucht. Wahrscheinlich hat sich der Stand- 
punkt des Malers in der Gegend des heutigen 
Türkenschanzparks befunden. 
Ein verhältnismäßig frühes, aus dem Jahr 1841 
stammendes Aquarell ist „Wien von der Spin- 
nerin am Kreuz"? Es ist „mit spitzem Pinsel" 
gemalt und hat sowohl große malerische Wir- 
kung, als es auch auf graphisch betonte Details 
eingeht. Im rechten Bilddrittel steht die „Spin- 
nerin am Kreuz", die Situation beherrschend. 
Rechts davon führt die Triester Straße, auf der 
lebhafter Verkehr herrscht, an dem Wahrzeichen 
des Wienerberges vorbei. Hier fällt besonders 
ein Plachenwagen auf, der charakteristisch und 
mit viel Liebe zum Detail ausgeführt ist. lm 
Vordergrund findet man einen Hüterbuben mit 
einer Schafherde, im Mittelgrund ein Getreide- 
feld, und diese abschließend die Geleise der al- 
ten Gloggnitzer Bahn, auf denen gerade ein Zug 
mit zwei Lokomotiven fährt. Im Hintergrund er- 
kennt man das Kahlengebirge und dazwischen 
die Stadt selbst mit vielen Details: Beherrschend 
die Stephanskirche, die Karlskirche und ganz 
rechts das Belvedere. Der Betrachter gewinnt 
den Eindruck einer sommerlichen Landschaft, in 
besonders glücklicher Weise ist hier malerische 
Wirkung mit konkreter Aussage verbunden". 
Zwei Blätter sind schließlich noch zu erwähnen, 
die besondere Bedeutung haben, eine „Ansicht 
der Donau vom Nußberg aus" 5" und das Aqua- 
rell „Blick auf Wien vom Leopaldsberg"5'. Lud- 
wig Münz sah dieses Blatt als Beispiel für Alts 
„volle malerische Befreiung" in der Zeit um 
1840 an. Es handle sich dabei um eine Skizze, 
die sich nirgends in vedutenhafte Details ver- 
liert und den besten Arbeiten gleichzeitiger 
Künstler Englands und Frankreichs gleichwertig 
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anzusehen sei. Das andere Aquarell, den „Blick 
auf Wien vom Leopoldsberg", rühmt Münz als 
Beispiel für eine frühe, von Alt erreichte Mei- 
sterschaft. Die Ansicht zeigt links die Kirche am 
Leapoldsberg mit einer fast völlig abgefallenen 
Fassade. In der Mitte des Vorplatzes befindet 
sich eine Laube, in der eine Gruppe von Men- 
schen beisammensitzt. Offenbar herrscht Sonn- 
tagsstimmung, die Menschen sind festlich geklei- 
det. Im Hintergrund ist deutlich das Augebiet der 
Donau mit den vielen, verzweigten Wasserläu- 
fen erkennbar, auch der Stadtkern mit der Ste- 
phanskirche, rechts im Hintergrund der Annin- 
ger und der Pfaffstättner Kagel. Auffallend ist 
die intensive, iedoch sehr differenzierte Farbig- 
keit des Aquarells. Der Himmel ist tiefblau, die 
Blätter der Laube im Vordergrund beginnen gelb 
zu werden, es ist also ein Tag im beginnenden 
Herbst. 
Ein umfassender Vergleich des CEuvres Alts ließe 
die Erkenntnis zu, daß viele der skizzenhaft aus- 
geführten Blätter, die in der Sammlung des Hi- 
storischen Museums der Stadt Wien das Über- 
gewicht haben, nur eine Grundlage zu Arbeiten 
bildete, die später oder zur gleichen Zeit aus- 
geführt wurden. Denn es ist nicht wahrscheinlich, 
daß Alt seine großen Blätter zur Gänze vor 
der Natur ausgeführt hätte. Dies muß im Ate- 
lier geschehen sein, allerdings eben unter Zu- 
grundelegung vorher angefertigter Skizzen. Of- 
fenbar betrachtete Alt seine Notierungen als 
Archiv, in dem er für die Ausführung seiner gro- 
ßen Blätter nachschlagen konnte. Trotzdem liegt 
es aber in der Natur der Skizze, daß sie oft 
noch unmittelbarere Wirkung auf den Beschauer 
hat als das ausgeführte Werk und also als 
überzeugender, weil lebendiger anzusehen ist. 
Doch mochten manche der Skizzen, die entstan- 
den waren, Alt später wohl ihrer künstlerischen 
Substanz wegen besonders überzeugt haben, 
so daß er sie offenbar manchmal erst Jahre 
nach ihrem Entstehen signierte. Sie sind dem- 
nach nicht geringer zu schützende vollwertige 
Werke von Alts Hand. Demnach ermöglicht die 
große Zahl der Handzeichnungen und Aqua- 
relle Rudolf von Alts im Besitz des Historischen 
Museums der Stadt Wien einen Überblick über 
das Werk dieses Malers überhaupt. Dem Cha- 
rakter des Museums entsprechend, liegt der Wert 
der Darstellung vorwiegend in der Überliefe- 
rung topographischer Zustände. Nun ist die 
Aussage des künstlerischen Werkes Alts zwei- 
felsohne aber mehrschichtig. In bedeutendem 
Maß vermittelt es Hinweise auf Aspekte nicht 
nur des Topographen, wie beispielsweise auch 
des Volkskundlers, schlechthin bieten sie aber 
iedermann Vergnügen, der in ihnen nichts ande- 
res sehen will als einfach den Wert der künstle- 
rischen Manifestation. 
Anmerkungen 44-51 
" HM lnv.-Nr. 63.411 (S. 4380), Praterwiese, Aquarell. 26,9 x 
36,9 cm. Sign. r. u. „R All". May, a. a. 0., Tafel 92. 
45 HM lnv.-Nr. 17.942. Reservoir der l. Wiener Hoch uellen- 
Wasserleitung am Rasenhügel, Aquarell. 17,4x2 ,B cm. 
Sign. u. dat. r. u. „R Alt 873". 
4' HM lnv.-Nr. 17.940. Liesinger Aquüdukt, Aquarell. 1B x 
78,7 cm. Sign. u. dat. r. u. „R Alt B73". 
" HM lnv.-Nr. 196.479. Blick vom Nußberg auf Wien, Aqua- 
rell. 15,9 1126,13 (m. Sign. M. u. „R Alt". 
" HM lnv.-Nr. 105.390. Die Sonnenfinsternis vom B. Juli 1542, 
Aquarell. Cll),7x43,6 cm. Dat. u. sign. I. u. „Wien am 
8. Juli 184? R Alt". 
" HM 1nv.-Nr. 56.389. Wien von der Spinnerin am Kreuz. 
Aquarell. 37,6x59 cn". Bez. l. u. „Rudolf All 1341". May, 
a. a. 0., Tafel. 54. 
i" HM lnv.-Nr. 17.669. Blidr auf die Donau vom Nußberg, 
Aquarell. 25,5x34,1 cm. Sign. u. dat. r. u. „R Alt 342". 
May, a. a. 0., Tafel 81. 
5' HM lnv.-Nr. 23.906. Bliirk auf Wien vom Leapoldsberg, 
Aquarell. 24,9 x 36,9 cm. Bez. l. u. „1B33". Hevesi, a. a. 
 {ftggel 49. Münz, a. a. 0., Tafel 51. May, a. a. O., 
a e . 
I1 Unser Autor: 
Dr. Robert Waissenberger 
Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien 
A-1040 Wien, Karlsplatz
	        
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