Nachdem die ersten Gesamtousstellungen aus
dem Gebiet der deutschen Barockmalerei, die
den Werken Elsheimers (Frankfurt 1966167) und
Schönfelds (Ulm 1967) gewidmet waren, sich für
die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
ihnen, für die Kenntnis ihres Stils und die Ein-
schützung ihrer Persönlichkeit so außerordentlich
fruchtbar erwiesen, war eine Ausstellung des Ge-
samtwerks von Johann Liss (um 1597-1630), dem
dritten der großen in ltalien lebenden deutschen
Künstler, ein hoffnungsvoller Wunsch, nahezu
eine Vorbedingung für eine weitere Bearbeitung
der immer noch sehr ungenügend bekannten
deutschen Kunst des Barock. Dabei standen einer
solchen Ausstellung mindestens ebenso viele
Schwierigkeiten finanzieller und konservotori-
scher Art entgegen wie den beiden früheren.
Eher größere, denn es galt, ein zahlenmäßig
allerdings recht kleines CEuvre aus allen Teilen
Europas und weitere wichtige Werke auch aus
amerikanischen Sammlungen zusammenzutragen,
ein Unterfangen, das besonders kostspielig und
risikoreich sein mußte, da die Entfernungen häu-
fig nur Lufttransporte zulassen. Eine glückliche
Zusammenarbeit des Cleveland Museum of Art
und der Städtischen Kunstsammlungen Augsburg
macht es nun möglich, daß unter der Schirmherr-
schaft des lCOM zunächst vom 2. August bis
zum 2. November in Augsburg - anschließend
daran vom 17. Dezember 1975 bis 7. März 1976
in Cleveland - eine nahezu komplette Gesamt-
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ausstellung mit etwa 40 Gemälden, 13 eigen-
höndigen Zeichnungen und Radierungen und 14
Kopien nach zum Teil verschollenen Werken ge-
zeigt werden kann; eine in Anbetracht der im-
mer geringeren Leihfreudigkeit von Museen und
Sammlern sicher einmalige Gelegenheit, diesen
wirklich europäischen Maler, den neben seiner
deutschen Herkunft der niederländische Realis-
mus ebenso beeinflußt hat wie die Farbigkeit
Venedigs und die Kunst Roms, kennenzulernen,
Verbunden mit dieser Ausstellung ist eine gründ-
liche, längst überfällige Neubearbeitung des
Werkes von Johann Liss durch den einen Initia-
tor dieser Ausstellung, Rüdiger Klessmann, und
die Wissenschaftlerinnen des Clevelander Mu-
sevm Ann Tzeutschler Lurie und Louise S. Ri-
chards. Denn die grundlegende Monographie
von Kurt Steinbart erschien in kleiner Auflage
1940 und wurde für die Volksausgabe 1946 nur
wenig erweitert. Seit damals konnte eine Reihe
von neu entdeckten oder neu zugewiesenen Bil-
dern und Zeichnungen in einigen Aufsätzen pu-
bliziert werden, ohne daß die dadurch gewon-
nene Erweiterung des Werkes und unseres Wis-
sens über Liss nochmals im gesamten darge-
legt wurde, so daß im wesentlichen noch im-
mer Steinbarts mit sehr persönlicher Begeiste-
rung vorgetragene Deutung der sfilistischen Ent-
wicklung des aldenburgischen Malers gilt, die
vor allem von der Absicht des Autors bestimmt
1
Johann Liss, „lnspiration des hl. Hieronymus".
Venedig, S. Niccolo da Tolentino
2 Johann Liss, „Hochzeitstanz". Budapest, Museum
der schönen Künste