Notizen
Aachen - Neue Galerie
Auch hier kämpft man mit den Stadtvätern ums
Überleben. Und kämpft man um sein Publikum.
Krisenzeiten lockern Verbindungen zur Kunst,
bisweilen auch Übersättigung. Mehr und mehr
versucht man, das Publikum aus seiner Passivität
zu reißen, es in den engeren mittätigen aktiven
Kreis, direkt in den Sponnungs- und Erlebnisbereich
aller Kreativität zu führen. Mit wechselndem Erfolg
nur, teils ist es die Scheu des „normalen" Bürgers -
dies gilt vor allem für den Bereich der progressiven,
der avantgardistischen Kunst -, vor Schöpfungen
zu stehen, mit denen er wenig anzufangen weiß,
teils die Lethargie gegenüber der Kunst schlechthin.
Wie dem abhelfen? Uns scheint, doß dies wie im
Falle der Neuen Galerie primär nicht mit
unpassenden Eröffnungsterminen oder mit sonstigen
organisatorischen Problemen zusammenhängt. Eher
ist es die von Künstlern oft mit voller Absicht
erzwungene Provokation, die Abwehr und
Abwendung von iedweder Kunstäußerung bewirkt,
vor allem der abstrakten, der afigurativen, der
chaotisch-destruktiv wirkenden. Nichtsdestoweniger
hat (ede Form der Kunst ihre Berechtigung, wenn
ihre grundsätzlichen Voraussetzungen und Werte ihre
Manifestation rechtfertigen. Leider artet manches
solcher Kreativität in Selbstzweck und blutleeres
Posieren aus, und das erzeugt gleichfalls Abkehr.
Ein Publikum möchte auch ohne Interpretation mit
Kunst etwas anzufangen wissen, sonst rätselt es
vor ihr herum oder verliert die Lust an ihr. Wie nun
anders? Mit Erziehung von Kind auf, sich mit
„positiver" wie „negativer" Kunst auseinander-
setzen zu lernen, von Kind auf zu lernen mit
Kunst zu leben, diese als etwas naturnotwendiges
anzusehen. Kunst und Kunsterziehung fest in den
schulischen Bereich [auch Grundschulen) verankern
und von kleinst auf lehren. Dann wird vielleicht
die wie überall und nicht nur in Aachen gestellte
Frage: „Sagen Sie uns bitte einmal, warum wir Sie
so selten sehen ?" weniger oft gestellt werden
müssen.
Wie immer äußerst variabel das Programm der
„Neuen": Rudolf Schoofs, der Zeichner, der
Drucker vom Niederrhein, ansetzend in der tief im
Surrealismus wurzelnden gegenständlichen Seite
des lnformel, in den sechziger Jahren versuchend,
sein Verhältnis zur Pop-art zu definieren und
neuerdings zu einem Zeichenstil zurückkehrend,
der ebensoviel mit Michelangelo wie mit Beuys zu
tun hat (19. 4.-1. 6. 1975). Präsentation Wilhelm
J. M. Schmitz-Gilles, Aachener, 82iähriger
kanstruktivistischer Zeichner, in einem Werkstatt-
gespräch (9. 5. 1975) und musikalische, sonstige und
filmische Aktivitäten Truffauts, Etaix, Chabrols und
Polanskis.
BerlinlWien - Michael Otto
Daß Stadtsilhouetten einander ähneln, beweist der
Berliner Radierer Michael Otto in einer seiner
Arbeiten in der Wiener Kleinen Galerie, wo er
u. a. vom 6.-27. 5. 1975 Pastelle zeigte. (Abb. 1)
Düsseldorf - Aus der „Vömel"
Alex und Edwin Vömel luden für den 11. 6. 1975 zu
einer Vernissage von Werken von Nikolaus von
Georgi, der lichtdurchflutete ätherische Land-
schaften im Wabenduktus als Ausflucht aus einer
dunkel-unheilen Welt offeriert. (Abb. 2)
Florenz - Aus der Galleria Cavour
A. Masini präsentierte vom 6.-20. 5. 1975 seinen mit
zahlreichen prima Premios ausgezeichneten
Landsmann Nicola Gambedotti. Dieser, aus Urbina,
der alten Herzogsstadt der Montefeltro - deren
Hof in der Frührenaissance ein Kulturzentrum ersten
Ranges war e, gebürtig, einer Stadt, die Raffael
wie auch weltberühmte Fayencen hervarbrachte,
scheint auch in seiner Malweise daselbst traditionell
verwurzelt zu sein. Voller satirischer Phantastik
setzt er uns mit aus metaphysischen und surrealen
Bereichen kommender Eloquenz Puzzles vor, die
zu erheitern wie auch zu mahnen verstehen.
(Abb. 3)
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Karlsruhe -
Aus dem Badischen Landesmuseum
Mit über 450 Exponaten wurde vom 2B. 1.-20. 4. 1975
die sogenannte Hallstattkultur Südwestdeutschlands
(7.-5. Jh. v. Chr.), eine der bezeichnendsten
urgeschichtlichen Epochen Mitteleuropas,
dokumentiert, iene Zeit, in der man von Bronze
zu Eisen als Werkstoff für Waffen und Gerät
überging. Die Funde - Leihgaben aus Sammlungen
in Stuttgart, Tübingen, Donaueschingen, Singen,
Karlsruhe und Freiburg - stammen aus reich
ausgestatteten Hügelgräbern, die meist der
frühkeltischen Adelsschicht vorbehalten waren. Die
Archäologie leistet hier wertvolle Schrittmacher-
dienste mit ihren Fundstücken und Erkenntnissen,
waren doch die Kelten durch keine schriftliche
Überlieferung - außer der Erwähnung antiker
Schriftsteller des Begriffes „Kelten" - für Geschichts-
schreiber trächtig. Die einfach inspirierte,
geometrisierende variable Ornamentik, mit der die
frühen Kelten Schmuck und Waffen verzierten,
verrät deren ausgeprägten Schönheitssinn. So
konnte auch die Schau „Frühe Kelten in Boden-
Württemberg" dem Menschen der Gegenwart das
stets erregende Moment der Betrachtung weit
zurückliegender Kulturen durch ein besonderes
Ausstellungserlebnis vermitteln. Wie uns Dr. lrmela
Franzke mitteilt, bietet das Badische seinen
Freunden sowie allen Interessierten eine weitere
Ausstellung an, die über die Durlacher Fayencen
(1723-1347) handelt, und die noch bis zum 2B. 9. 1975
läuft. (Abb. 4)
KopenhagenlWoshington -
200 Jahre „Kongelige"
Mit einer Grand Gala unter Patronanz der
königlichen Familie im Königlichen Theater wurden
die Feierlichkeiten anläßlich des 200iährigen
Bestehens der „Königlichen Porzellanmanufaktur
Kopenhagen" eingeleitet. Unter den im 18..1ahr-
hundert in Europa begründeten Porzellanmanu-
takturen ist die Kopenhagener eine der später
gegründeten, iedoch in ihrer unverwechselbaren
Eigenart mit dem ausgeprägten Erscheinungsbild
eine der profiliertesten und kommerziell erfolg-
reichsten. Neben Präsentationen im Museum für
dekorative Kunst und der Jubiläumsschau im
Stadtgeschäft in KopenhagenlAmagertorv wurde
1974 eine große Wanderausstellung durch die USA
eingeleitet. ln 14 Städten unter Patronanz des
Smithsonian-Institutes wurden in einer Retrospektive
an Beispielen aus den frühen Tagen bis zur
Gegenwart herauf - am künstlerischen Unikat wie
am Gebrauchsgeschirr des Alltags - Charakter und
Reichtum dieser Manufaktur demonstriert. Vielen
Amerikanern, denen das „Kongelige"-Porzellan nur
ein vager Begriff von Blau-und-Weiß-Porzellan
war, hatten von Washingtons Renwick Gallery an
(12. 4-30. 6. 1974) Gelegenheit, den hohen Rang
der „Kongeligen", durch künstlerische Kreativität
wie durch technische Fertigkeit begründet, in
natura zu betrachten.
LondonfWien -
Henry Moores „Stonehenge" für die
Albertina
Das neueste Mappenwerk des bedeutenden
englischen Bildhauers und Graphikers Henry Moore,
„Stonehenge", wurde hier von der Euro-Art und
der Bowog-Fondation in deren Räumen vom 18.-28.
April präsentiert. lm Sinne der neuen Einkommen-
steuergesetzgebung als Sonderausgabe steuerlich
voll absetzbar erworben, ist es der Wiener
graphischen Sammlung Albertina gewidmet worden.
MünchenlAachen -
Neubau der Neuen Pinakothek
In der bayerischen Metropole hat man bereits mit
dem Ausschachten des Neubaues der bayerischen
Staatsgemäldesammlungen, der Neuen Pinakothek,
begonnen. Der Baubeauftrogte der Staatsgemölde-
sammlungen, Dr. W. D. Dude, sprach zu diesem
wichtigen Münchener Unternehmen in der Aachener
Vortragsreihe über Museumsneubauten am 2.5.1975.
Münster -
Lore Heuermann in der Theatergalerie
Künstler sind meist in Bewegung, das fahrende Volk
von heute. lhre Bagage, sprich Buckellast, ist Kunst.
Last, die von Schau zu Schau getragen werden
muß, da abgehängt, dort schon wieder aufgestellt.
Erfolg? Darum ringen sie permanent, denn er
bedeutet Existenz, manchmal besseres Überleben.
Bisweilen kommt uns das bei manchen Künstlern
besonders zu Bewußtsein, und wir fragen uns auch,
ist Kunst wirklich Berufung oder selbsterwähltes
Schicksal? Manche meinen es mit ihrer Kunst so
ehrlich wie möglich, indes andere sich güldene
Karossen ermalen. Manche auch führen den Kampf
auf zwei Ebenen, sie müssen den Alltag
„bewältigen" und dürfen sich dabei doch nicht ihre
künstlerischen Flügel verbrennen. Lore Heuermann,
allein auf sich und mit drei Kindern in den Alltag
gestellt, gehört zu ihnen. Kürzlich stellte sie, die
längst Wienerin geworden ist, in ihrer Geburtsstadt
Münster aus. Daselbst präsentierte man schon die
Kallwitz, Barlach, Roth u. a., und mit über 20.000
Besuchern und ausgezeichneten Kritiken kehrte die
Künstlerin heim. Voller neuer Pläne, bereit auch
für neue und größere Aufgaben. Lore Heuermanns
Anliegen, nicht nur das ihrer Kunst, ist der Mensch.
Die natürliche Rivalität und Auflehnung gegen den
männlichen Widerpart markiert als sichtbare
Expression ihr Werk. Anonym scheint davor nichts
Weibliches an diesem Pinsel. Er ist hart, ruppig,
ia schonungslos. Wir meinen dies zum Bewegungs-
zyklus, der das Amorphe, das Absterbende im
Menschen zum Gegenstand hat. Aus Ungelenkheit,
Geducktsein, Unförmigkeit, Gebuckeltsein und
Starrheit scheint alles Wesentliche und
Symptomatische des Menschen unserer Tage
„unschön", aber wahr zu mahnen. (Abb. 5)
Nürnberg - Aus der Kunsthalle
Den nahezu unbekannten graphischen Korpus des
Tachismus in Deutschland mittels einer Ausstellung
unter dem Titel „Druckgraphik des deutschen
lnformel, 1951-1963" bekanntzumachen, ist das
Anliegen der Albrecht-Dürer-Gesellschaft Nürnberg.
Zusammen mit Dr. Rothe, Heidelberg, gelang hier
eine repräsentative Übersicht über eine Stilperiode
der fünfziger Jahre, die deren außerordentliche
Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksmittel, ihre
Dynamik und Spontaneität dokumentiert. Die
Auswahl der Werke wies die Namen der Künstler
Brüning, Cavael, Dahmen, Götz, Hoehme, Kreutz,
Platschäi, Schulte, Schumacher, Sonderborg
[Hoffmann], Thiele, Trier und Wessel auf.
[11.4.-1.6. 1975)
Ottawa - _
Aus der National Gallery of Canada
In einer vom Londoner Victoria 8x Albert-Museum
organisierten Schau unter dem Titel „High Victorian
Design" (1 .-27. 4. 1975) waren Möbel, Metallarbeiten,
Keramiken, Einbände, Gemälde und Zeichnungen
dieser Periode englischer Kunst zu sehen. Abseits
der großen Turner-Ausstellung in London (s. u.
Beitrag im übernächsten Heft 142lamk) zeigte man
in der siebten einer Serie van „small exhibitions"
drei Werke von J. M. William Turner, dem Maler
der „golden visions". Am 4. 4. (bis 4. 5. 1975)
eröffnete man in der National Gallery ferner
eine große Schau von über 200 fotografischen
Werken der eigenen Sammlung, aus der Hand
amerikanischer, österreichischer, kanadischer,
französischer, italienischer, iaponischer, englischer
und schottischer Fotografen, beginnend von 1539
bis herauf zur Gegenwart. Die Dichte täglicher
Aktivitäten wurde mit Filmen und Gallery Talks
zu dieser Ausstellung stark durchsetzt, und Ansel
Adams, Darothea Lange wie das Thema
„Fotografie als Kunst" bereicherten dieses. (Abb. 6)
Paris - Musees nationaux und Brauer
Nach der am 3. 2. 1975 geschlossenen Ausstellung
„De David a Delacroix - La peinture francaise
de 1774-1830" in den Galeries nationales du