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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 140)

Für den Kunstsammler 
 
Wilhelm Mrazek 
Die österreichischen Glashütten 
zur Barockzeit 
Die Glasmacherkunst, die „unter allen Erfindungen 
und Früchten der löblichen Feuer- und Schmelzkunst 
nicht der geringsten eine" ist, erlebte in der 
Barockzeit eine Blüte sandergleichen. 
Schon im I6. und I7. Jahrhundert waren 
venezianische Glasbläser nach Tirol gekommen und 
hatten in Innsbruck und in Hall Gläser im 
venezianischen Stil erzeugt. Als diese Glashütten 
zugrunde gegangen waren, wurde die Erzeugung 
rnit einheimischen Kräften in dem kleinen Orte 
Kramsach weitergeführt. Hier wurden, wie ein 
Warenverzeichnis van 1786 festhält, neben der 
Kommerzware auch geschnittene Trink- und 
Branntweinglöser, Karafindln, Grabkugeln und 
blaue Pulverflaschen hergestellt. Diese Waren 
wurden von den Kraxentragern bis in die 
entlegensten Täler verkauft und deckten den Bedarf 
der Tiraler Bevölkerung. Die Kramsacher Hütte 
und ihre Erzeugnisse hatten nur lokale Bedeutung. 
Anders verhielt es sich mit den Glashütten der 
österreichischen Kranländer Böhmen und Schlesien. 
In den Tälern und Wäldern des Riesen- und 
lsergebirges entstanden im I7. und I8. Jahrhundert 
zahlreiche Glashütten, deren Erzeugnisse einen 
Höhepunkt in der Geschichte des europäischen 
Glases bedeuten. Diese Hütten im böhmisch- 
schlesischen Raum favorisierten einen neuen 
Glasstil, in dem sich die barocken Stileigentümlich- 
keiten hervorragend verwirklichen ließen. Entgegen 
der hauchzarten und flüssigen Eleganz 
venezianischer Gläser wurden die Gefäßwönde 
stark und kantig gebildet, um den Giasschleifern 
und -schneidern die Möglichkeit zu geben, Schliff- 
und Schnittdekare ahne allzu graße Gefährdung 
des Glases durchzuführen. 
Die Glashütten des Hirschbergtals, die den Grafen 
Schatfgatsch gehörten, bevorzugten für ihre 
Glaserzeugnisse den Hachschnittdekar. In die 
besonders dicke Gefäßwarid wurde der Schnitt so 
tief geführt, daß kraftvolle, reliefartige Ornamente 
stehenblieben, die die plastische Wirkung des 
Gefäßes steigerten und den Eindruck von 
bergkristallähnlicher Kostbarkeit hervarriefen. 
Dieser Hochschnitt wurde nach 1700 vom Tiefschnitt 
abgelöst, der größere Feinheit und Mannigfaltigkeit 
im Dekar zuließ. In den folgenden Jahrzehnten 
entfalteten die Glasgraveure der böhmischen und 
schlesischen Hütten Schritt für Schritt den ganzen 
Reichtum an Dekarmöglichkeiten. 
Bevorzugte Glasform war der Pokal mit und ohne 
Deckel. Die Grundform mit Fuß, Schaft, Kuppa und 
Deckel ließ sich mannigfaltig dekarieien. Die 
Kuppa war anfänglich trichter-, später becherförmig, 
der Deckel mehr oder weniger gewölbt und mit 
einem Knauf versehen, der Balusterschaft durch 
Zwischenscheiben abgesetzt und der Fuß, ähnlich 
dem Deckel, flach oder gewölbt gebildet. Ein 
Schliffdekar van verschiedenartigsten Facetten 
gab den einzelnen Gefdßteilen eine individuelle 
Nate. Im Laufe der Entwicklung bedeckte man die 
geschliffenen Teile mit immer reicherem Schnittdekar. 
Aus der Vereinigung und der Kantrastierung von 
Schliff- und Schnittdekar entstanden dann iene 
gleißenden Prunkgefäße, die den Ruhm der 
böhmisch-schlesischen Hütten ausmachten. 
Die Vorlagen zu diesem phantastischen Reichtum 
an Dekoratiansweisen entnahmen die Glasschneider 
den Musterbüchern und Ornamentstichen. Zu Beginn 
des I8. Jahrhunderts wurden die schweren Frucht- 
und Blütengehänge von dem pflanzlich- 
geometrischen Laub- und Bandelwerk und den 
flüssigen Formen der Kalligraphenschnörkel 
abgelöst. Nach der Jahrhundcrtmitte wcir es dann 
clie Rocaille, welche das netzartige Dekorsyslem 
des Laub- und Bandelwerkes zu miriiaturhaft 
geschmückten kleinen Bildfeldern auflöste. Alle diese 
Dekare waren aber mehr oder weniger nur Beiwerk 
für die auf der Kuppawand angebrachten 
Hauptmotive, die Wappen, Bildnisse, Manogramme, 
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