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Nachfolger Ludwig hielten förmlich Hof in der Ofner Burg. Wenn auch sie selbst nicht
reich an Schätzen waren, führten doch die größten Bannerherren und Prälaten glänzende
Häuser in der Stadt. Besonders waren es die häufigen Reichstage, welche alle irgend in
Betracht kommenden Herren im Lande hier zusammenführten. Diese Versammlungen
werden schon unter Matthias regelmäßig, und zwar meistens in Ofen abgchalten. Von
1459 bis 1490, dem Todesjahr des großen Königs, zählt man zwanzig Reichstage,
fünfzehn davon fanden in Ofen statt. In den sechsunddreißig Jahren von 1490 bis 1526
hielten Wladislav II. und Ludwig II. in Ofen und Pest vierundzwanzig Reichstage; die
wenigen ausnahmsweise anderwärts abgehaltenen übergehen wir. Von den vierund
zwanzig haben zwölf in Ofen und ebcnsoviele in Pest stattgcfnnden. Die letzteren dürfen
wir, auch wenn das Rakosfeld nicht genannt ist, allesammt als dort abgehaltcne Massen
versammlungen, nicht als repräsentative betrachten. In Reichstagszeiten quartirte sich die
ganze Prälaten- und Magnatenclasse in Ofen ein, das der Hanptmarkt der „Luxusartikel",
der ständige Wohnsitz italienischer, deutscher und jüdischer Bankiers, das „schätzcreiche
Ofen" war.
Für Pest, wo innerhalb und außerhalb der niedere Adel lagerte, bedeutete jede
Versammlung ans dem Räkvs einen so großartigen Jahrmarkt, wie sich deren wenige
europäische Städte rühmen konnten. Nach Nikolaus Oläh war Pest damals im Stande,
eine Menschenmenge von 80.000 Köpfen mit allem Nothwendigen reichlich zu versehen,
und diese außerordentliche Gelegenheit znm Verdienste kam ohne Zweifel auch den
Vorstädten und Nachbardörfern zu Gute. Pest konnte sich, im Gegensatz zu Ofen,
schrankenlos ausdehnen.
In der Festung zu Ofen hatten die Reichstage und der Residenzcharaktcr auch ihre
Schattenseite. Die meisten Prälaten und Banncrherren, sowie viele hvchadelige Familien,
die in der Festung Häuser erworben hatten, waren zwar dort als reiche Käufer und
Consumenten gern gesehene Gäste, verdrängten jedoch das bürgerliche Element immer
mehr und vermehrten dagegen die Zahl derjenigen, die von der Tragung der städtischen
Lasten befreit waren. Die Festung begann einen aristokratischen Charakter anzunehmcn
und es stieg sogar manche Ofner Bürgerfamilie zu den Aristokraten empör.
In dem bei Wladislavs Krönung entbrannten Streite spielte die Veste Ofen Wohl
eine Rolle, doch war ihr Repräsentant nicht der Stadtrichter, sondern der Erlauer Bischof.
Im Spätherbst des nämlichen Jahres 1490, als Maximilian mit seinem deutschen Heere
Stuhlweißenbnrg besetzte und es sehr wahrscheinlich war, daß er sich sogleich gegen Ofen
wenden würde, ist es nicht die Bürgerschaft, die die Festung in Vertheidigungsstand
setzt, sondern Stefan Bathory, der Wojwvde von Siebenbürgen, mit Hilfe von Arbeitern,
die von den Dörfern Hereingetrieben wurden.