Es braucht wohl nicht besonders betont zu wer-
den, welche Bedeutung der Bestand an Werken
der Familie Alt, im besonderen von Werken
Rudolf von Alts, für das Historische Museum der
Stadt Wien hat. Man weiß, wie groß die Anzahl
der bisher nicht erfaßten Werke ist, die dieser
Maler geschaffen hat und mit welcher Intensi-
tät er immer auf sein Thema eingegangen ist.
Es war die Stadtvedute, die minuziös genaue
Darstellung von Architektur und Landschaft, mit
welcher Rudolf von Alt, den man vorzüglich als
Aquorellisten zu schätzen gelernt hat, seinen
Namen erhalten und bewahrt hat. Offenbar
brauchte er nie lange, um sich in den Charak-
ter einer Landschaft einzuleben, er notierte und
malte, auch auf seinen Reisen, wie es sein Ge-
genstand erforderte. Das Reisen war für die
Erweiterung seines Horizontes wichtig, doch blieb
sein zentrales Thema letzten Endes doch Wien:
schied zu diesen seine Umwelt auf eine heitere,
aber auch skeptischere Art betrachteteß. Und
doch, wenn man solche Überlegungen anstellt,
könnte man letzten Endes vermuten, Alt sei nur
ein Ersatz für einen Fotografen gewesen, der
sauber notierte und das Gesehene auf solche
Art überlieferte. Das Malen von Veduten, das
Festhalten von Situationen im Stadtbild, aber
auch von lnterieurs war sein Beruf. Nicht zuletzt
hat er sich damit sein Geld verdient. Doch was
er damit für Wien schuf und was er daraus
machte, war mehr. Es wäre falsch, ihn von An-
fang an einen lmpressionisten zu nennen, ob-
wohl er vor der Natur malte. Insofern schloß er
ganz an seine genannten Vorgänger an, als er
anfangs gar sehr eine durchaus obiektive Art der
Darstellung und dagegen iede persönliche Emp-
findung, seine eigene Stimmung, zurückzudrän-
gen suchte. Es entstand also eine genaue, durch-
2 Rudolf All, Blick auf Wien vom Heumarkt, '
Bleisliflzeichnung, uquurellieri, 19,9x70,4
HM lnv.-Nr. 17.665
Das wird in allen Schriften über ihn betont, und
es sind auch genug Aussprüche des Malers selbst
überliefert worden, mit denen dies bestätigt
wird. Der Stephansdom war sein Lieblingsmativ,
ihn stellte er von allen seinen Motiven am öfte-
sten dar. Also rühmt man neben der allgemein
kulturgeschichtlichen besonders die lokalge-
schichtliche Bedeutung seines Werkes, vor allem
die „liebevolle Umständlichkeit", mit der er seine
Ansichten wiedergab l.
Das Wort von der Liebe zum Gegenstand ist bei
Alt richtig am Platz. Vor allem das alte Wien
bedeutete ihm viel, das um die Mitte des Jahr-
hunderts noch nicht mehr als 400.000 Einwohner
hatte und dem er, nach all den vielen Verände-
rungen baulicher Eigenart, nachtrauerte. Er fühl-
te sich eins mit dieser Stadt, wenn man ihn,
diesen „Nachklang des biederen Winzigmalers
Wigand", rief, um neue, veränderte oder von
Veränderung bedrohte Winkel der Stadt im Bilde
festzuhalten. Dach wie man ihn mit Wigand
vergleicht, so rühmt man in ihm den Nacheiferer
eines Thomas Ender, aber auch eines Salomon
Kleiner, Carl Schütz, Johann Andreas Ziegler
oder Laurenz Janscha, der allerdings im Unter-
2
aus gekonnte Wiedergabe des Gesehenen, wenn
auch keine sklavische Replik. Man spürt in al-
len Blättern die positive Einstellung z-ur Sache.
Architekturdetails nachzuspüren, bereitete ihm
beispielsweise sichtlich ein Leben lang Behagen.
Zwar hat er, wie schon festgestellt, geradezu un-
zöhlige Male den Stephansturm dargestellt,
doch verstand er es, den Ergebnissen immer
wieder eine andere Note zu geben! Er erlaubte
sich keine Flüchtigkeit und stand immer souverän
über dem Gegenstand, abwohl er sich ihm in
großer Treue verpflichtet fühlte. Vielleicht ist es
auch nicht falsch, zu sagen, daß die Wiener
Blätter mit einem noch größeren Engagement
geschaffen, zumindest aber mit noch größerer
Überzeugungskraft ausgestaltet sind als iene,
die auf Reisen entstanden. Dafür gäbe es eine
Erklärung: Der Lebensraum, in dem sich der
Künstler bewegt, kommt in der Darstellung un-
mittelbarer und dichter zur Geltung, als das nur
kurz, wenn auch nicht unbedingt flüchtig Er-
schaute {e kommen könnte.
Das Historische Museum der Stadt Wien verfügt
über mehr als siebzig Aquarelle und Zeichnun-
gen Rudolf von Alts, die ausschließlich die Wie-
Anmerkungen 1-3 4, 4-85
lK. Malkon in: Kindlers Malerei-Lexikon, Bd. l, I
m4, s. 72. Entgegen der allgemein vertretenen A.
sung Sehe ich in RuctQlf Alt doch in erster Linie
Zeichner und nicht den Maler. Er dachte nicht ir
malerischen Fläche, sondern er „kolorierte". Er r
zumeist mit spitzem Pinsel, der iltm solcherart Zeiche
oder Feder ersetzte. Daß dies den topographischen
seiner Arbeit steigerte, ist WOlll verständlich.
' Ludwig Hevesi, Rudolf Alt, Wien l9l0, S. 65 und 72.
3 Ludwig Münl, Rudolf VDI! Ält, Wien T954.