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Franz Richter, Burg Frain an der Thaya,1B18
Franz Richter, Ruinen von Hachwald, 2. Hof, 1834
März 1914 bei Gilhofer 8 Ranschburg in Wien
sechzehn sorgfältig ausgeführte Temperabilder
Richters zur Versteigerung kamen, die genau die
durchschnittlichen Maße der Liechtensteinschen
Blätter (31,5x44 cm) hatten und wie diese zwi-
schen 1807 und 1833 datiert waren. Sie stamm-
ten aus „irgendeinem Herrensitz", wo sie mehr
als sechs Jahrzehnte verborgen gewesen waren,
und beinhalteten z. T. gleiche Motive', Z. T.
andere, wie Austerlitz, Burg Kunstadt und Toll-
stein an der Schwarzawa. Auch das Kunstanti-
quariat S. Kende in Wien besaß um 1914 neun-
zehn Blätter, die offenbar derselben Serie an-
gehörtenf und 1812 bis 1833 entstanden waren;
darunter allein sieben Ansichten von Pernstein.
Ob die Sammlung Liechtenstein damals Blätter
ver- oder angekauft hat, ist leider nicht mehr
feststellbar. Sicher scheint nur, daß die heutige
Sammelmappe nicht vollständig ist.
Nun stellt sich die Frage, ab Richter vielleicht
ursprünglich Vollständigkeit anstrebte, ob ein
Plan der Erfassung der historischen Monumente
ganz Mährens dahinterstand, der von dem Kreis
um Hugo Altgraf Salm unterstützt und mit dessen
Tod 1836 aufgegeben wurde. Das Zusammentref-
fen des letzten, 1836 entstandenen Blattes, „Vor-
hof in der Burg Buchlau", mit dem Sterbedatum
Salms könnte für diese Vermutung sprechen. Daß
Richter mit dem Kreis bekannt war, zeigt seine
oben zitierte Erwähnung in dem Manuskript J. E.
Horkys, der seine Laufbahn als Wirtschaftsbeam-
ter auf den Salmschen Gütern in Raitz begon-
nen hatte, und Richters Kontakt mit Anton Fried-
rich Graf Mitrawsky, dem er 1826 eine Skizze
zu einem großen Gemälde vorlegte, die die
Feierlichkeiten bei der Grundsteinlegung zum
Friedensdenkmal auf dem Franzensberg in Brünn
von 1818 darstelltev und von Mitrowsky als
Vaterländische Idee höchlichst gebilligt wurde".
Mitrowsky ist auch Richters Album über Brünn
gewidmet. 1831 malte Richter das Grabmal des
berühmten Slawisten Josef Dobrovsky auf dem
Altbrünner Friedhof, um dessen würdige Ge-
staltung und die Art der Inschrift sich dessen
Freunde Hugo Salm und J'osef Georg Meinert
intensiv bemüht hatten". 1824-1826 beschäftigte
sich Richter ausführlich mit der Vergangenheit
seines Vaterlandes und entwarf 67 Skizzen in
Tuschzeichnung zu einer Geschichte Mährens in
Bildern, angefangen von sagenhaften Stoffen
(Hermann der Cherusker) bis zur Grundstein-
legung des Denkmals für die Betreiungskriege
auf dem Franzensberg 1818. Das Titelblatt sym-
bolisiert die Eintracht Mährens mit Österreich;
die Zwietracht ist gefesselt, die Kriegsfackel aus-
getreten. Auch den Text stellte er selbst zusam-
men ". Bei dieser Unternehmung wurde er sicher
angeregt von der 1824 in Prag erschienenen „Ge-
schichte Böhmens in lithographisch ausgeführten
Blättern, dargestellt von einem Verein akademi-
scher Künstler Prags. Erklärt von Wenceslaw
Hanka, hrsg. von Anton Machek", die u. a. vor-
zügliche Lithographien Josef Führichs enthält".
Das alles spricht für eine gewisse Verbundenheit
Richters mit mährischen Gelehrten und Patrioten.
ln keinem einzigen Fall hat Franz Richter die
mähriscne Landschaft um ihrer selbst willen dar-
gestellt. Wenn man einmal von den „Naturmerk-
würdigkeiten" absieht, steht immer das histori-
sche Denkmal im Mittelpunkt seiner Darstellun-
gen, deren frische, leuchtende Farbigkeit und
stimmungsvolle Beleuchtungen allerdings jede
akademische Trockenheit meiden, die derartigen
Themen leicht anhaftet, besonders bei gelehrten
Amateuren.
Das früheste Bild der Liechtensteinschen Samm-
lung weist symbolische Bezüge auf die damalige
politische Lage auf: „Lamberg an der Oslawa"
ist 1807 entstanden, als Richter noch als Arzt in
Namest tätig war, in dessen Nähe die Ruine
liegt. ln dem ganz in Blau und mattem Grün ge-
haltenen Nachtstück mit aufgehendem Mond ist
die von bleichem Licht übergossene Ruine fast
ganz zur Nebensache geworden. Die von der
Vegetation überwucherten Mauerreste wirken
wie Felsen. Der Vordergrund des Bildes wird von
einer mächtigen Eiche beherrscht, die ein Sinn-
bild des Kräftigen, Beständigen und zugleich
patriotisches Symbol Deutschlands war. Unter
dem Baum haben zwei Wölfe eine Taube geris-
sen, während auf dem anderen Ufer des Flüß-
chens friedlich Rehe äsen -, sicherlich eine An-
spielung auf die Lage in Europa im Jahr des
Friedens von Tilsit.
Solche zeitkritischen Bezüge finden sich in kei-
nem anderen der Bilder mehr. Die Staffage ist
durchgehend ländlich-idyllisch. Spaziergänger,
Wanderer, Jäger, Hirten mit ihren Herden und
Landleute, die Reisig- oder Heubündel tragen
oder ihre Waren zum Markt bringen, bevölkern
Anmerkungen 4 ff. (s. Text S. 14, 15) -13
Halle. Der Fürst Lichlenschen Kruft zu Wranau, bez.:
Franz Richter fec S34, lnv.-Nr. 3174. - Zubertein v. Sub-
stein südlich, bez.: F. R. px 1524, lnv.-Nr. 5649. - Zu-
bertein v. Substein nördlich, bez.: Franz Richter pinx 824,
lnv.-Nr. 5650. Für die Erlaubnis zur Publikation bin ich
5. H. Franz Josef ll., Regierendem Fürst van und zu
Liechtenstein, zu großem Dank verpfliditet.
iSchram, S. 3. Damals Eigentum des Deutschen Vereins
für die Geschichte Möhrens und Sdilesiens.
t Nach frdl. Auskunft von Dir. Dr. Wilhelm, Vaduz, wurde
die Richter-Mappe bis 1944 in Schloß Felsberg aufbewahrt.
'Burg Hardegg, Ruine Lamberg, Die Höhle Eniadis bei
Ostrov und die Höhle Kolouä bei Stramberg, das Kaiser-
JosefeDenkmal bei Raußnilz, Burg Vöttau und der Raben-
stein bei Znaim.
'Offeriert im Kunstkatalag Nr. 71, 5. Kende, Wien.
'Vgl. AussL-Kat. Möhren, S. 3B, KaL-Nr. M.
'" Das in U! ausgeführte Gern" de, an dem Ridwter zwei
Jahre lang, 1826-1823, gearbeitet hatte, wurde von den
mührisdien Ständen 1828 für 100 Dukaten erworben
(vgl. Schram, S. 3-6).
" Schram, S. B. - Katrba, S. 69.
" Schram, S. 10-11. Außerdem zeichnete Richter 45 lllustrae
tianen zu Franz X. Richters Abhandlung „Das groß-
mührisdie Reidi und dessen Bekehrung zum Christentum"
in Wolny's Taschenbuch, 1. Jg., 1876, S. 1-92, die sidi in
der Moravska-Galerie in Brünn (Slg.der Matice Maravska)
befinden. Wahrscheinlidi stammt der Text ebenfalls van
Richter, der audx zuweilen mit „Franz X. Richter" signiert
(vgl. AussL-Kat. Möhren, s. w, KaL-Nr. m).
"Gewidmet ist das Werk Franz Anton Graf von Kalawrat
Liebsteinsky, einem der Mitbegründer des Natianalmu-
seums in Prag. Es enthält vier Abschnitte. „Von der
Ankunft der Tschechen bis auf Bariwng; Van Boriwo bis
zum Erlöschen des Premyslischen Stammes; Von Jo ann
bis Ferdinand l.; Von Ferdinand l. bis auf unsere Zeit".
Der Herausgeber Anton Machek, der viele der Darstel-
lungen entwarf und lilhographierte - er halle bei Kunike
in Wien gelernt -, war ein Schüler Ludwig Kohls, der
1789 ebenfalls einen Zyklus von zwölf Radierungen „Hi-
storisdne Darstellungen zur Geschichte Bbhmens von
Herzog Fremysl bis zu König Wanze! lll." geschaffen
halte.