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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 141)

Aus dem am I3. Juni erschienenen Bericht der 
„Neuen Freien Presse" geht hervor, daß nach 
Molls Verbindung mit der Galerie Miethke auf 
„vier bis fünf Versammlungen" versucht wurde, 
den Konflikt beizulegen. Während dieser Zeit 
erfolgte die Wahl der neuen Vereinsleitung. Die 
Klimt-Gruppe soll schon zu diesem Zeitpunkt 
den Vorschlag gemacht haben - eine Art Zwei- 
teilung der Secession anstrebend -, daß iede 
künstlerische Gruppe abwechselnd eine Ausstel- 
lung arrangieren solle, worauf die Gruppe um 
Engelhort nicht eingingÄ Es wäre nun falsch, 
dieser Gruppe daraus einen Vorwurf zu machen, 
da diese Künstler im Gegensatz zur Klimt-Gruppe 
an geschlossenen Ausstellungsgestaltungen nicht 
interessiert waren. 
Doch zurück zu Carl Moll. Ein Jahr länger Mit- 
glied des Künstlerhauses (sieben Jahre] als Gu- 
stav Klimt, gehörte er mit Josef Engelhart zu 
den führenden „Unzufriedenen" der Künstlerge- 
nossenschaft, die eine Erneuerung der Wiener 
Kunst anstrebten und mit Mitgliedern des „Sie- 
bener-Clubs" und der „Haagengesellschaft" die 
Secession gründeten B. 
Moll pflegte die Verbindungen der Secession 
zum Ausland und vertrat die Secession in zahl- 
reichen Institutionen. Sa war er Mitglied des 
Kunstrates, des Kuratariums des österreichischen 
Museums, der Kunstkammission der modernen 
Galerie und war darüber hinaus zusammen mit 
Gustav Klimt als Vertreter der Wiener Secession 
sogar in den Vorstand des Deutschen Künstler- 
bundes berufen worden. Aufgrund dieser letzten 
Tätigkeit stellten er, Klimt und die Wiener Werk- 
statte auf der Ausstellung des Künstlerbundes in 
Berlin aus, die am I9. Mai 1905 eröffnet wurde '. 
Nur Klimt und Hadler hatte man in dieser Aus- 
stellung „Separaträume" zur Verfügung gestellt; 
Klimt erhielt den Preis des Künstlerbundes in 
Form eines einiährigen Aufenthaltes in der vom 
Bund erworbenen Villa Romana in Florenz. Klimt 
verzichtete aber auf den Aufenthalt und schlug 
dafür, wie es ihm nach den Statuten der Preis- 
gewährung zustand, Max Kurzweil vor". Wahr- 
scheinlich entschloß er sich dazu, um durch seine 
Anwesenheit die ausgetretene Gruppe zu fe- 
stigen. War die Preiszuerteilung an Klimt das 
wahrscheinlich letzte provozierende Ereignis vor 
dem Bruch, so lag der Höhepunkt des Kampfes 
um Anbringung oder Nichtanbringung der Fa- 
kultätsbilder nur ganz knapp davor. 
Uns soll es hier nur auf die Ereignisse ankom- 
men, die im Zusammenhang mit dem Bruch in 
der Secessian stehen. Dies sind folgende: Nach 
zwei Sitzungen der artistischen Kommission der 
Universität, in denen die schon lange vorher 
vorhandene feindliche Einstellung der Professo- 
ren gegenüber Klimts Bildern zur Ablehnung al- 
lein ihrer probeweisen Anbringung führte, er- 
klärte Klimt in einem Schreiben, das dem Mini- 
sterium am 3. April 1905 vorlag, seinen Verzicht 
auf den Auftrag und bat um Auskunft, an wel- 
che Kasse er die im Laufe der Jahre bezogenen 
Vorschüsse zurückzahlen solle. Das Unterrichts- 
ministerium drängte zwar auf Herausgabe der 
Bilder, doch hatte inzwischen die Presse van 
dem Vorgang erfahren, und es wurde am 
I2. April durch ein lnterview von Berta Zucker- 
kandl in der „Wiener Allgemeinen Zeitung" 
Klimts Stellungnahme zu den Ereignissen der 
Öffentlichkeit bekannt gemacht". 
Diese Stellungnahme Klimts kulminierte in der 
Passage: 
„Die Hauptsache ist, ich will Front machen 
gegen die Art, wie im österreichischen Staate, 
wie im Unterrichtsministerium KunstangeIe- 
genheiten behandelt und erledigt werden. Es 
geht bei ieder Gelegenheit gegen die echte 
Kunst und gegen echte Künstler los. Prote- 
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giert wird immer nur das Schwache, das 
Falsche... Es soll der Staat nicht sich die 
Diktatur des Ausstellungswesens und der 
Künstleraussprachen arragieren dort, wo es 
seine Pflicht wäre, nur als Vermittler und als 
kommerzieller Faktor aufzutreten und den 
Künstlern vollkommen die künstlerische In- 
itiative zu überlassen. Es soll nicht der Beamte 
in die Kunstschulen eindringen und die Künst- 
ler verdrängen, wie es ietzt in der präpa- 
tentesten Weise geschieht, ohne daß wenig- 
stens gegen eine solche Kunstpolitik in der 
schärfsten Weise Stellung genommen wird. 
Wenn, wie dies in der letzten Budgetaus- 
schußsitzung geschah, von einem Redner die 
Secession in der erniedrigendsten, ehrverlet- 
zendsten Art angegriffen wurde und der Mi- 
nister sich nicht bewogen fühlte, auch nur ein 
Wort dagegen zu erwidern, so soll wenigstens 
ein Künstler sich finden, der durch seine Tat 
beweist, daß die echte Kunst mit solchen 
Behörden, mit solchen Faktoren nichts mehr 
zu schaffen haben will. Der Geist der Ge- 
meinsamkeit hat dies nicht zuwege ge- 
bracht... Nun wohl, sa soll es der einzelne 
tunu." 
Das Interview wurde von Berta Zuckerkandl in 
ihren Erinnerungen um einige bisher unbekannte 
- recht abenteuerlich klingende - Einzelheiten 
erweitert. Gleich zu Beginn habe ihr Klimt mit- 
geteilt, daß Hermann Bahr gerade weggegan- 
gen sei, welcher schwöre, daß der Unterrichts- 
minister zur Demission gezwungen werden werde. 
Klimt habe ihr dann einen Brief gezeigt, den er 
am Vortage an den Unterrichtsminister geschrie- 
ben habe. Dessen Schluß habe gelautet: 
„lch, Gustav Klimt, erlege mit heutigem Tage 
den erhaltenen Vorschuß von sechzigtau- 
send" Kronen in der Creditbank zu Ihren 
Händen, Herr Unterrichtsminister. Für einen 
Auftraggeber, der nicht an mein Werk glaubt, 
für einen Auftraggeber, der mich beschimp- 
fen läßt, weigere ich mich, ferner zu arbeiten. 
Der Auftraggeber ist der österreichische Staat, 
Sie, Herr Unterrichtsminister, sind dessen 
Vertreter. Sie hatten die Pflicht gehabt, den 
schmählichen und lächerlichen Angriff zu- 
rückzuweisen. Demnach behalte ich die fer- 
tiggestellten Gemälde, an denen ich keinen 
Strich ändern werde, als meinen rechtmäßi- 
gen Besitz und verweigere die Ablieferung. 
Gustav KIiml." 
Zuckerkandl berichtet weiter, während ihrer An- 
wesenheit sei das Antwortschreiben des Mini- 
sters eingetroffen mit dem Wortlaut: 
„Sehr geehrter Herr Klimt! Die Rückzahlung 
des Vorschusses wird vom Unterrichtsministerium 
abgelehnt. Sie werden verhalten, die drei be- 
stellten Gemälde, die bereits staatlicher Besitz 
sind, heute noch abzuliefern, widrigenfalls diese 
mit Brachialgewalt aus Ihrem Atelier geholt 
werden." 
Am nächsten Tag sei dann ein Möbelwagen bei 
Klimt vorgefahren. Klimt habe hinter der ver- 
schlossenen Tür gestanden und gedroht, er 
schieße ieden nieder, der es versuche, bei ihm 
einzudringen. Nach stundenlangem Warten sei 
der Wagen abgefahren". Soweit Berta Zucker- 
kandl, deren Darstellung gewiß mit der nötigen 
Vorsicht zur Kenntnis genommen werden muß. 
Wenn sie aber in den Umrissen stimmt, dann 
dürfte das interne Bekanntwerden von Klimts 
Verhaltensweise in der Secession die Verstim- 
mung der Engelhart-Gruppe nur gefördert hci- 
ben. 
Der Ausgang der Affäre um die Fakultätsbilder 
ist bekannt: Minister von Hartel teilte Klimt am 
27. April 1905 mit, daß er ihm das Verfügungs- 
recht überlasse, und Klimt zahlte am 25. Mai
	        
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