Nun ist sie also wieder da: die „gute alte Zeit".
Mit Salon und Plüsch. Mit Pomp und Gips.
Mit einem weltweit hörbaren Stoßseufzer der
Erleichterung lößt sich, geleitet von findigen,
ausgröberisch veranlagten Historikern, verführt
vom Gaukelspiel des internationalen Kunstmarkts
und informiert van ausstellungstüchtigen Mu-
seumsleuten, das kunstinteressierte Publikum al-
lerorten in die weichen Polster der hochgezüch-
teten Befriedigungsüsthetik des bürgerlich-pom-
pösen Zeitalters zurücksinken: frustriert von den
mühseligen Ausflügen in die Kanzeptkunst, Ideen-
kunst, Agitationskunst und aussagekarge Ab-
straktion. Fasziniert und abgestoßen zugleich von
den Auswüchsen einer alles beherrschenden, einst
widerspruchslos gefeierten Technik, abgestoßen
von der Unwirtlichkeit der Städte ohne Schmuck
und Ornament. Ausgehungert nach Bildgegen-
stünden, erkenn- und deutbaren Inhalten und
Symbolen, stürzt man sich auf die retrospektiv
so heil erscheinende Welt des schönen Scheins,
4
die die Maler und Bildhauer, Baumeister und
Kunstgewerbler, Tapezierer und Stukkateure, De-
korateure und Modemacher dereinst virtuos bis
in die einfachsten Wohnzimmer zauberten. Da
blüht wieder der rosige Schmelz mythologischer
Weiblichkeiten, da tummeln sich Schäfer und
pausböckige Amouretten auf den Leinwünden,
da seufzen die Römer wieder ergreifend unter
dem Joch und iubeln, prachtvoll drapiert und
dekoriert, die Massen überirdisch glänzenden
Herrscherfiguren zu. Da ist es wieder, das Zeit-
alter, da pinselgewandte Malerfürsten klassizi-
stisch-edle oder romantisch-schwule Heldenbilder
und riesige Schlachtengemülde nach Quadrat-
metern produzierten und die Salons mit erlese-
nen Prunkstücken einer alle Zeitalter hem-
mungslos plündernden Phantasie füllten. Das
Zeitalter, da Bildhauer antike Halbgötter und ge-
tlügelte Genien ebenso gern meißelten wie den
Gorilla, der - von Darwin zum Menschenvarfah-
ren geadelt - schutz- und hilflose Mädchen
2 Eugene Delacroix: „La Liberte guidant le peuple"
(Die Freiheit führt das Volk auf die Barrikaden),
1830, Paris, Musee du Louvre
3 Charles Gleyre: „Le Paradis terrestre" (Das irdi-
sche Paradies), um 1870, Lausanne, Musee can-
tonal des Beaux-Arts
4 Sebastian Slief: „St. Ruperfus vor den Ruinen
Juvavums", 1859, Salzburg, Dommuseum