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17 Neuschwansfein, Königsschloß Ludwigs I
Bayern, erbaut 1869-1892
. VON
Sehgewohnheiten der impressionistischen und
der auf sie folgenden Perioden entthrant wer-
den sollen. Und es ist in der Tat nicht einzu-
sehen, weshalb Kunst auch weiterhin des lnhalt-
lichen, der Aussage, des menschlichen Bezugs
entraten sollte.
Solange die Gegenwartskunst freilich solch of-
fensichtlich immanentes Bedürfnis - das ia
schließlich auch nicht nur auf das von der offi-
ziellen, durch Museumsleute und Kunstkritik re-
präsentierten Kunstideolagie sa gern mild belä-
chelte breite Publikum beschränkt ist - nicht zu
stillen vermag oder nicht befriedigen will, darf
man sich nicht wundern über die Fluchtbewe-
gung in ein optisch weniger verarmtes Zeitalter
mit all ienen Begleiterscheinungen, daß eben
auch fragwürdige Erscheinungen mit emparge-
schwemmt werden. Denn das immerhin hat die
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Ausstellungsflut längst erwiesen: daß neben Put-
ten und Amouretten und rosigen Nuditöten
durchaus auch Relevantes bei dieser Ausgräbe-
rei in den Depots zutage gefördert wird.
Wo bisher apodiktische Behauptungen für Pro-
blemlosigkeit sorgten, wo ein simpler Gänse-
marsch der Stile und lsmen - vom Barock über
den Klassizismus zum Impressionismus, zu Ce-
zanne und damit zur „Moderne" - das sehr viel
komplexere Erscheinungsbild der Künste glatt
geschichtsverfälschend verdeckte, wo klar und
deutlich zwischen den Guten und den Bösen,
den Fortschrittlichen und den Reaktionören ge-
schieden wurde und keine Grenzgänger zugelas-
sen waren, tauchen plötzlich Fragezeichen auf.
Fragezeichen, die relativierend ihre Wirkung
auch auf die Position der Gegenwartskunst aus-
zudehnen beginnen. Der offene Kunstbegriff zei-
18 Arnold Böcklin: „Die Toieninsel", erste Fassung,
1880, Basel, Kunstmuseum