tigt keineswegs bequemes Geltenlassen, sondern
ein neues Problembewußtsein, kritisches Über-
denken auch iener Kunst, die wir seit 100 Jahren
die „moderne" - und wie lange eigentlich noch?
- nennen.
So gesehen hat auch die Beschäftigung mit der
Kunst des 19. Jahrhunderts mit der modischen
Nostalgie allenfalls am Rande zu tun. Das radi-
kale Umdenken, das sich hier andeutet, wird
nicht von der Flucht in sichere Werte und heile
Surrogotwelten motiviert, es ist durchaus kom-
plexer, hat tiefere Ansatzpunkte und Ursachen,
bedarf freilich auch einer intellektuellen Redlich-
keit, die über zwar verständliche, im Endeffekt
aber oft genug leider reichlich eindimensionale
Neuigkeitensucht - die fatal mit den Konsum-
eigenschaften einer Wegwerfgesellschoft korre-
spendiert - und Vorurteile zu schärferen, auf
Wesentlicheres als das Neueste vom Tage zie-
lenden Fragestellungen zielt und womöglich
auch den Menschen, auf den Kunst sich letzten
Endes doch wohl auch bezieht, wieder stärker
ins Blickfeld bekommt.
Tendenzwende?
Schon möglich. Denn es ist tatsächlich sehr frag-
lich geworden, ab ein quadratisches Stück weiß
bemalter Leinwand wirklich so sehr viel wert-
voller ist als etwa die „Toteninsel" von Böcklin,
ein Versicherungspolast aus Glas und Beton be-
deutender als die architektonische Bizorrerie des
Märchenschlosses Neuschwonstein des Bayern-
königs Ludwig ll., ein sachlich programmierter
Getreidesilo umweltfreundlicher als ein neuge-
tisch maskierter Bahnhof oder ein ausgehöhlter
Steinblock ehrlicher als ein voterländisches
Denkmal.
l Unser Autor:
Gerhard Mayer
Kulturredakteur des österreichischen
Nachrichtenmagazins „Wochenpressf
A-TIW Wien, Muthgusse 2
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